Zur Ehre Gottes 1. Lesung: Genesis 2,7-9;3,1-7 | 2. Lesung: Röm 5,12-19| Evangelium: Mt 4,1-11
Vergangenen Sonntag hörten wir von der Taufe Jesu. Er erhielt die Zusage seines Vaters: „Dieser ist mein geliebter Sohn, an dem ich Wohlgefallen gefunden habe“ (Mt 3,17). Auf dieses einschneidende Erlebnis hin wurde Jesus vom Geist in die Wüste geführt. So ein gewaltiger Zuspruch muss den Boden ins Wanken bringen. Wir kennen solche Gefühle auch. Man denke nur an die erste Liebe und die Zusagen von einem Menschen geliebt zu werden. Da kommt doch alles ins Wanken. Eine große Freude wird von kritischen Untertönen in Frage gestellt: Ist die Zusage auch ehrlich gemeint? Wird es von langer Dauer sein? Empfinde ich auch so oder so ähnlich? Kann ich mir da sicher sein?
Es werden vergleichbare Fragen gewesen sein, die Jesus in die Wüste geführt haben, in eine Abgeschiedenheit und in eine Menschenleere, die Zeit und Raum fürs Nachdenken lässt. Der Teufel, vom griechischen Wort „diábolos“ abstammend, meint Verleumder, Durcheinanderwerfer, Verwirrer. Auch wir kennen das – hin und her gebeutelt sein bei Entscheidungen. Kaum ist man sich gewiss, sich entschieden zu haben, tauchen wieder Fragen auf, die uns nicht ruhen lassen.
Jesus hat vierzig Tage und Nächte Gedanken gewälzt. Er hat die Zusage Gottes hinterfragt und versucht abzuleiten, was dies denn nun für sein weiteres Leben bedeuten soll. Familie gründen ja – nein, zurück in den alten Beruf ja – nein, vielleicht auch Anschluss an die radikalen Zeloten ja – nein, in Abgeschiedenheit leben bei den Essenern in Qumran ja – nein, einen Dienst im Tempel anstreben ja – nein? Nach all den quälenden Fragen, die Jesus geplagt haben müssen, lesen wir, dass ihn hungerte. Und genau in diesem Moment betritt der Versucher die Bühne. Zuerst möchte ihn der Widersacher zur Eigenermächtigung aufrufen. Jesus könne doch versuchen, aus Steinen Brot zu machen. Es ist ein Aufruf zur Selbstherrlichkeit, nicht auf andere Hilfe angewiesen zu sein. Es wäre auch die Grundlage für Anbetung der eigenen Person gewesen. Was hätte es zur damaligen Zeit von Hunger und Armut bedeutet, wenn plötzlich einer gekommen wäre, der Steine zu Brot verwandeln hätte können. Jubel und Anbetung ohne Ende wären ihm zuteilgeworden. Jesus wusste, dass die Kraft gegen den Widersacher nicht vom Essen kommt. Er antwortet mit einem Lobpreis auf das Wort Gottes: „Der Mensch lebt (…) von jedem Wort, das aus Gottes Mund kommt“. Was für ein Zuspruch für „Wort-Gottes-Feiern“.
Der Verleumder nimmt nochmals einen Anlauf. Er führt Jesus auf den Tempel. Er zitiert einen Psalmvers und will damit Jesus verführen, Gott in seiner Allmacht herauszufordern. Gott soll seine Macht und seine Autorität zeigen. Jesus kontert mit einer bitteren Erfahrung des Volkes Gottes. In der Wüste haben sie die Gottesanwesenheit in Frage gestellt: „Ist der HERR in unserer Mitte oder nicht?“ (Ex 17,7). Die Zusagen Gottes an sein Volk und auch an seinen Sohn zeigen sich nicht in mächtigen Taten, in Autorität oder weltlicher Führungsstärke, auch wenn das viele Fragen offen lässt. Es mag uns manchmal schier an den Rand der Verzweiflung bringen und auch Jesus am Kreuz fragen lassen: „Warum hast du mich verlassen?“ (Mt 27,46).
Der Verwirrer macht ihm nun ein Angebot. Sollte Jesus bereit sein, sich vor ihm niederzuwerfen und ihn anzubeten, hätte er für alle Zeiten ausgesorgt. Die ganze Welt mir ihrer Pracht würde Jesus gehören – ein Leben voll Sorglosigkeit, Bequemlichkeit und Reichtum. Jesus hätte sich selbst zu Gott machen sollen. Der Teufel führte ihn dazu auf einen hohen Berg. Der hohe Berg steht für den Sinai – den Berg der Gottesbeziehung. Jesus wird später auf einer Anhöhe die Bergpredigt halten, seine Botschaft der Seligpreisungen formulieren und am Berg der Verklärung nochmals die gleiche Zusage Gottes erhalten, wie wir sie heute gehört haben, sogar noch mit dem Zusatz „auf ihn sollt ihr hören“ (Mt 17,5).
Was will uns das Frage- und Antwortspiel zwischen dem Teufel und Jesus verdeutlichen?
Wenn man den Text langsam liest, meint man den Groschen fallen zu hören. Genau die Anfragen des Teufels gipfeln nun am Berg – im wahrsten Sinne des Wortes – in einer Klärung des weiteren Weges für Jesus. Jesus will keine Sonderstellung, keine irdische Macht und keine Verherrlichung. Er will sich nicht von Götzen wie Macht, Reichtum oder Prestige verbiegen lassen, sich nicht vor ihnen niederwerfen und sie anbeten, wozu ihn der Widersacher einlädt. Er glaubt dem einen Gott, der kein Niederwerfen fordert, sondern für ein Anbeten steht, das Kraft fürs Dienen verleiht. Jesus macht eine wichtige Lebenserfahrung: Das Gesetz – die Tora – zu kennen, hilft bei der Absage an die Verführungen aller Verwirrer. Wenn einen das Leben in die Enge treibt, ist das Wort Gottes eine Stütze, die auszuhalten hilft.
Die Gabe des Gesetzes ermöglicht es, eine Unterscheidung zu treffen, einen Diskurs mit den Abergeistern zu führen und hilft, den Glauben nicht zu verlieren. Deswegen werden keine Mühen aus der Welt geschafft – auch nicht für Jesus.
Jesus entscheidet sich in der Wüste bewusst für den mühsamen Weg eines Menschenlebens. Er nimmt das Leben als Mensch an. Er will für sich keine Übernatürlichkeiten in Anspruch nehmen. Er entscheidet sich für ein Leben fern des weltlichen Ehrgeizes – ohne Belohnung, ohne Jubel jetzt und gleich. Er möchte sich nicht an Illusionen möglichen Lebens klammern. Das bedeutet auch manchmal ausgenutzt zu werden, nicht den Dank oder das Lob zu erhalten, die man erwartet und die vielleicht auch gebühren würden. Davon erzählen die Seligpreisungen. Jesus will nicht „Besitzen“ oder von Ansprüchen „besessen“ sein. Gottessohnschaft liegt für ihn nicht darin, mehr zu haben, sondern mehr zu sein, entscheidungsfrei zu sein und zu bleiben. In den Seligpreisungen appelliert Jesus an unsere innere Freiwilligkeit, an den Großmut des Herzens und an die persönliche Verantwortungsbereitschaft.
Sich in den Dienst zu stellen ist eine Prüfung, ein Kampf mit Gott. Mich erinnert das innere Ringen Jesu an den Kampf von Jakob am Jabbok (Gen 32,23-33). Er rang in der Nacht mit einem Mann. Es war ein körperlicher Kampf, aus dem er hinkend hervorging. Dafür erhielt er den Namen Israel – Gottesstreiter, das ist der Name des Volkes Gottes. Jesus erkennt in der Wüste, dass es für ihn nicht darum geht, mit Gott zu kämpfen, sondern für seine Anliegen. Das ist Gottessohnschaft. Geliebt sein meint nicht Sorglosigkeit und Reichtum – sondern die Lehre /die Tora mit Macht – mit der Macht des Wortes zu verkünden. Es wird uns erzählt, dass Jesus danach in das Land von Sebulon und Nafatali ging, um die Botschaft hinauszutragen und BegleiterInnen zu finden. Sebulon steht für Ehrung und Naftali meint, Kämpfer sein. Zur Ehre Gottes des Vaters nimmt er den mühsamen und langen Weg auf sich, für einen Umbruch zu kämpfen, als Mensch unter Menschen. Er fordert zur Umkehr und zum Umdenken auf – die Botschaft der Tora nochmals zu prüfen und im Alltag so anzuwenden, wie es möglich erscheint. Frère Roger, der Gründer ökumenischen Gemeinschaft Taizé, formulierte dies so: „Lebe das, was du vom Evangelium verstanden hast. Und wenn es noch so wenig ist. Aber lebe es.“
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