Ich bin Sara und lächle Eine Meditation von Hildegard Lorenz zu Gen 18,1-15
Ich bin Sara.
Ich stehe im Zelt – genau genommen hinter dem Eingang des Zeltes.
Ich lausche und lächle.
Mein lauschendes Ohr lege ich an den Weg von Unfruchtbarkeit zu Fruchtbarkeit.
Ich bin mit Abraham ausgezogen – vor vielen Jahren.
Der Schmerz der Unfruchtbarkeit und die Ahnung von einem MEHR an Leben haben uns getrieben.
Zuerst zogen wir in langen, heißen Tagen und kalten Nächten nach Ägypten – in eine ungewisse Zukunft.
Abraham erlebte ich bei dieser Wanderung von seiner dunklen Seite.
Er hatte Angst um sein ganz persönliches Leben.
Und so bewog er mich, zu lügen für ihn.
Sag doch, du seiest meine Schwester.
Die Ägypter sahen meine Schönheit, vor allem der Pharao.
Er nahm mich zu sich und tat Abraham Gutes – meinetwegen.
Mit einem jedoch hatte Abraham nicht gerechnet:
Jahwe schlägt den Pharao und sein ganzes Haus – meinetwegen.
Ja, meinetwegen.
Es waren Augenblicke voller Zärtlichkeit und Wehmut.
Ich war von einer nie gekannten Liebe durchflutet.
Gott, von dem ich dachte, er rede nur mit Abraham, stellte sich ganz an meine Seite.
Soll ich nicht lächeln?
Aus solcher Erfahrung des Angenommenseins, des Geborgenseins gewann ich mehr Leben, mehr Fruchtbarkeit.
Von weit her hörte ich: Sara, du bist wertvoll in meinen Augen.
Wir mussten weiterziehen.
Dieses Land, in dem einer auf Kosten des anderen lebt, war nicht das unsere.
Abraham und ich haben eine bittere Lektion gelernt und sind gereift.
Wie verzaubert zeigte er mir eines Abends die Sterne am Himmel:
„So viele Nachkommen werden wir haben!“
Er war immer schon empfänglich für Träume.
Und nun muss ich mein Ohr, mein lauschendes Ohr noch fester an die Erde pressen:
Wie soll es möglich werden: so viele Nachkommen bei so viel Unfruchtbarkeit?
Ich entsinne mich, dass er noch ein anderes Bild hinzufügte:
So viele Nachkommen wie Sand am Boden.
Sand und Sterne.
Himmel und Erde. Oben und unten, dunkel und hell,kostbar und arm.
Aus ferner Melodie des Lebens höre ich: WERDE GANZ.
Sollte ich nicht lächeln?
Und nun muss ich von meiner dunklen Seite erzählen.
Ich nahm die Sache mit den Nachkommen selbst in die Hand und so geschah Schweres.
Hagar, meine Sklavin, sollte an meiner Stelle von Abraham ein Kind bekommen.
Ich wollte also Fruchtbarkeit leihen.
Hagar bekam ein Kind, einen Knaben.
Ismael hieß er.
Ich war aktiv und grausam, nicht fähig zu schwesterlichem Verhalten gegenüber Hagar.
Mein selbst erdachter Aus-Weg aus der Krise, der menschliche Versuch,
die Verheißung doch noch zur Erfüllung zu bringen, scheiterte.
Und wieder lege ich an die Erde mein lauschendes Ohr und höre:
Der Weg zu Fruchtbarkeit, der Weg zur Ganzheit muss selbst gegangen werden.
Es gibt Dinge, bei denen es keine Stellvertretung gibt.
Ja, mein Gott, ich habe verstanden.
Mein Lächeln ist stumm.
Was nun aber heute geschah, ist wunderbar.
Drei Fremde kamen und mit ihnen neues Leben.
Abraham hatte immer schon einen Sinn für den Augenblick.
Er stand am Eingang des Zeltes, ich hinter ihm.
Unruhe erfasste ihn – eilig musste es sein.
Aus drei Sea feinstem Mehl – Weizenkörner meines Lebens – musste ich Kuchen backen.
Abraham selbst trug auch drei Teile bei: Sauermilch, Frischmilch und ein zartes Kalb.
Dieses gemeinsam zubereitete Mahl ist ein Wendepunkt auf unserem Weg zur Fruchtbarkeit.
Und lauschend höre ich eine alles verwandelnde Melodie des Lebens:
Der Weg zur Fruchtbarkeit ist lang.
Ganzheit wird aus allen Teilen menschlicher Existenz gewoben.
Ich als Sara und Abraham als Abraham.
Und noch etwas höre ich:
Auf dem Weg zur Fruchtbarkeit muss jede und jeder an ihrem, an seinem Ort stehen.
Abraham steht unter dem Baum: Ein Ort Gottes.
Der Baum bringt Früchte hervor, in denen die Sonne und die Erde sich verwandeln und eins werden.
Ich bin hörend am Eingang des Zeltes: ein anderer Ort Gottes.
Der Eingang verbindet ein Innen und Außen, verbindet Freiheit und Geborgenheit.
In der Höhle des Zeltes hat alles Lebendige seine Wurzeln.
Wirkliches Leben ist Geschenk, ist Gnade.
Sollte ich nicht lächeln?
Von weit her höre ich Isaak, das Lächeln Gottes.
Sollte ich nicht lächeln?
Wer immer davon erfährt, lächle mit mir.
Hildegard Lorenz, Theologin, Mitglied des Werkes der Frohbotschaft, Wien – Dornbirn
Dieser Artikel ist erstmals in der Zeitschrift „Dein Wort – Mein Weg“ – Alltägliche Begegnung mit der Bibel in der Ausgabe 3/18 publiziert worden.