Auferweckt werden 1. Lesung: Ex 20,1-17| 2. Lesung: 1 Kor 1,22-25| Evangelium: Joh 2,13-25
Durch das Hören oder Lesen von einzelnen Texten, ohne die Beachtung des Umfeldes einer Schriftstelle, gehen wichtige Aspekte biblischer Aussagen verloren. Die sogenannte „Tempelreinigung“ kommt in allen vier Evangelien vor, das heißt, dass sie ein Kernstück der Botschaft Jesu bildet. Die Evangelisten Matthäus, Markus und Lukas schildern sie nach dem Einzug Jesu in Jerusalem. Der Evangelist Johannes stellt sie gleich an den Anfang seines Evangeliums, unmittelbar nach der Hochzeit zu Kana, auf der der Wein auszugehen droht und in der Folge Wasser in Wein verwandelt wird (Joh 2,1-11). In diesem Zeichen macht Jesus deutlich, welchen Auftrag er als seine Sendung sieht. Das Fest des Lebens soll zu Ende gefeiert werden können. Das Leben möge ein Fest bleiben.
Damit das Leben als Fest gewährleistet bleibt, so dürfen wir den Evangelisten verstehen, folgt als erste Maßnahme die Tempelreinigung. Es ist eine fundamentale Kritik am Gottesverständnis und Opferwesen, welches er im Tempel zu Jerusalem vorfindet. Gott braucht und will keine Opfer wie es der Prophet Jesaja bereits ca. 600 Jahre davor thematisiert hat: „Was soll ich mit euren vielen Schlachtopfern? … Die Brandopfer von Widdern und das Fett von Mastkälbern habe ich satt und am Blut der Stiere, Lämmer und Böcke habe ich kein Gefallen. … Lernt, Gutes zu tun! Sucht das Recht! Schreitet ein gegen die Unterdrücker! Verschafft den Waisen Recht, streitet für die Witwen!“ (Jes 1,11.17).
Man kann es so formulieren: Gottesdienst steht im Dienste des Rechts und der Gerechtigkeit. Die Sorge für Recht und Gerechtigkeit ist Gottesdienst. Die Tempelreinigung bleibt eine Anfrage an das Gottesdienstverständnis: Stehen sie im Dienste des Rechts und der Gerechtigkeit? Wird durch das Loben, Danken und Bitten der Geist und der Sinn für Recht und Gerechtigkeit gefeiert, befördert und gestärkt?
Es gibt einen zweiten Punkt des Evangeliums, der leicht unterzugehen droht. Das Zeichen, das Jesus hier setzt, wird zunächst nicht verstanden, auch nicht von den Jüngern. Zweimal wird erwähnt, dass selbst die Jünger und Jüngerinnen das Zeichen mit dem Gesagten erst später verstehen, nämlich erst in der Verbindung mit der Auferstehung. Als Jesus von den Toten auferweckt war, geht ihnen auf, was er ihnen sagen wollte.
So heißt es, dass sie sich an das Wort erinnern: Der Eifer für dein Haus wird mich verzehren. Wenn wir in unserem Zusammenhang „Haus“ hören, dann gehen die ersten Gedanken in Richtung Tempel als das Haus Gottes. Es sei nochmals erwähnt: Gott will keine Opfer. Mit Haus nimmt Jesus allerdings weit mehr ins Blickfeld, nämlich das gesamte Volk als „Haus Israels“. Jesu Leidenschaft gilt dem Wohl des ganzen Volkes: Blinden die Augen öffnen, Lähmendes entfernen, Stummen eine Sprache geben, Ängste bearbeiten, schlicht Menschen aufrichten. Der Einsatz für diese Themen zehrt Jesus auf.
Als Johannes sein Evangelium schreibt, ist der Tempel schon mehrere Jahre zerstört, doch das Volk ist geblieben, wenn auch zum größten Teil vertrieben mit vielen Verwundeten und Traumatisierten. Auch wenn vieles dagegenspricht, so erinnern sich die Jünger an dieses Wort Jesu: Der Eifer für dein Haus wird mich verzehren.
Es wird eine zweite Erinnerung erwähnt. Als die Juden sagen, sechsundvierzig Jahre wurde an diesem Tempel gebaut und du willst ihn in drei Tagen wiederaufrichten? Er aber meinte den Tempel seines Leibes. Unmittelbar danach erwähnt der Evangelist: Als er – Jesus – von den Toten auferweckt war, erinnerten sich seine Jünger, dass er dies gesagt hatte.
Daraus ergeben sich zwei Gedanken zum Glaubensverständnis. Ein erster: Selbst der Glaube der Jünger war dynamisch. Sie waren mit Jesus unterwegs, hörten und sahen von ihm viel. Doch Vieles des Erlebten und Gehörten haben sie erst später, zum Teil erst viel später wirklich verstanden. Ihr Glaube ist (allmählich) gewachsen.
Ein zweiter Gedanke: Ein Schlüssel zum Verständnis Jesu und der Zeichen, die er setzte und die manchmal provozierten, bleibt die Auferweckung Jesu. Es gilt von Ostern her auf die Zeichen und Worte zu schauen. Ostern, das Erlöst- und Gerettet sein wirft ein besonderes Licht auf das Leben. Es ist dabei die Passivform von Bedeutung ist, nämlich: das Auferweckt werden. Gott hat ihn auferweckt. ER hat eingegriffen und gerettet. Was andere in und an seinem Leben kaputt machten, führt ER, der Herr, in ein neues Leben.
Was für Jesus gilt, gilt auch für uns. Als Glaubende sind wir eingeladen, unser Leben von Ostern her verstehen zu lernen. Wir dürfen sein mächtiges Wirken erwarten. Wir gehen Ostern, dem wirkmächtigen Handeln Gottes entgegen.
Wenn Sie den Text der 1. Lesung aus dem Buch Éxodus anhören möchten:
Wenn Sie den Text der 2. Lesung aus dem ersten Brief des Apostel Paulus an die Gemeinde in Koríntz anhören möchten:
Wenn Sie den Text aus dem heiligen Evangelium nach Johannes anhören möchten:
In unseren Gedanken zu den Texten der Sonntage haben wir schon öfter auf die Problematik von Textauslassungen hingewiesen. Wir wollen einen Versuch starten und werden ab dem Beginn des neuen Lesejahres die Texte in der Länge der biblischen Verfasser lesen.
Seit Jahrhunderten beeindruckt die Bibel Menschen mit ihren Formulierungen. In der Zeit ihrer Entstehung für jeden verständlich brauchen Leserinnen und Leser von heute eine Übersetzung dieser Texte. Jede Übersetzung ist in gewisser Weise auch eine Deutung der Schrift. Die Einheitsübersetzung ist uns bereits vertraut. Wir wollen bewusst mit Beginn des neuen Kirchenjahres eine andere Übersetzung verwenden, um uns neu von den Texten überraschen zu lassen. Wir haben uns für die Übersetzung der BasisBibel entschieden, die seit Januar 2021 vollständig vorliegt. Die BasisBibel ist die Bibelübersetzung für das 21. Jahrhundert: klare Sprache, kurze Sätze und verständliche Sprache.