Dienen als Dienst an der Wahrheit 1.Lesung: Jes 53,10-11| 2.Lesung: Hebr 4,14-16| Evangelium: Mk 10,35-45
Als Lesung haben wir einen Auszug aus dem vierten Gottesknechtslied bei Jesaja gehört. Die Gottesknechtslieder gehören zu den ergreifendsten Texten der Bibel. In ihrem Gesamtgefälle stellen sie mehr und mehr die Niedrigkeit des Knechtes heraus. Diese kommt im vierten Lied voll zum Ausdruck. Wir hören von einer ganz und gar ausgelieferten Gestalt, über die bloß verfügt wird. Das Passiv bestimmt die Stelle: Der Knecht wird dahingerafft, verachtet, durchbohrt, misshandelt und niedergedrückt. Es gleicht einer hoffnungslosen Abwärtsspirale, in der der Knecht steckt. Heute hören wir von einer letzten Steigerung: Er wird zermalmt. Es bleibt von ihm praktisch nichts mehr übrig. Er wurde als Mensch gebrochen und zerstört. Besiegt von Frevlern, Skrupellosen und Feinden.
Es gab die Annahme, beziehungsweise den Glauben, dass Knechte – Menschen – mit einem solchen Schicksal von Gott Verlassene, Verstoßene sind. Jesaja bricht diese Gottesvorstellung auf. Jesaja im Originalton: Der Herr hat Gefallen an dem von Krankheit Zermalmten.
Wir können davon ausgehen, dass der Prophet im Schicksal des Knechtes das Schicksal des Gottesvolkes Israel in der Geschichte sieht, das immer wieder Anfeindungen und Erniedrigungen im Laufe der Geschichte erfahren hat und erneut Erfahrung in der babylonischen Gefangenschaft erlebt. In diesem Knecht spiegelte sich für die junge Kirche auch das Schicksal Jesu. Er, der für Recht, Gerechtigkeit und Würde der Menschen eintrat, wurde zum Außenseiter und deswegen am Kreuz zermalmt.
Im Evangelium erlebt Jesus zwei Jünger – Jakobus und Johannes – , die sich Plätze links und rechts neben ihm sichern wollen. Es veranlasst ihn, seine zwölf Jünger an die Brust zu nehmen. Er erläutert ihnen die Vorstellungen vom Reich Gottes, von einer wirklich menschlichen Gesellschaft. Wer bei euch groß sein will, der soll euer Diener sein, und wer bei euch der Erste sein will, soll der Sklave aller sein.
Er stellt damit das gängige Verständnis von der Hierarchie auf den Kopf. So sagt er zu ihnen: Ihr wisst, dass die, die als Herrscher gelten, ihre Völker unterdrücken und ihre Macht gegen sie gebrauchen. Bei euch aber soll es nicht so sein, sondern wer bei euch groß sein will, der soll euer Diener sein, und wer bei euch der Erste sein will, soll der Sklave aller sein.
Wir würden Jesus hier falsch verstehen, wenn wir dies als Botschaft allein für seine Jüngerinnen und Jünger oder für sogenannte Glaubende sehen wollten. Er sieht es als Weg für die Gesellschaft, in der viele Menschen in Not und Elend leben, aus dem Machtmissbrauch und den Erniedrigungen. Das Dienen und Sklave sein ist nicht die Flucht in unbedeutende Arbeiten, sondern es ist das Eintreten für Recht und Gerechtigkeit, dass vor allem jenen Menschen zum Recht verholfen wird, die es selbst nicht bewerkstelligen können. Solches Tun fängt mit der Sprache an, mit einer Sprache, die nicht von oben herab Personengruppen oder Minderheiten pauschal verdächtigt, die Gruppen gegeneinander aufbringt oder ausspielt, die spaltet oder mit Unterstellungen diffamiert.
Das Dienen ist ferner ein Dienst an der Wahrheit. Die Wahrheit ist den Menschen zumutbar, so schreibt Ingeborg Bachmann. Der Dienst an der Wahrheit steht uneinlösbaren Versprechungen, Verschwörungstheorien, Fake-News u.ä. völlig entgegen. Wahrheiten sind manchmal unangenehm, weil in der Folge ein Umdenken, andere Haltungen oder auch ein neues Verhalten gefordert ist. Das führt meistens zu Widerständen, denen man entgehen will. Die Wahrheit hat nicht dem Erhalt der Macht zu dienen, sondern es ist umgekehrt, der Macht ist aufgetragen der Wahrheit möglichst nahe zu kommen.
Wer bei euch groß sein will, stehe im Dienst von Recht und Gerechtigkeit, im Dienste der Wahrheit. Wer bei euch der Erste sein will, soll Sklave aller sein. Jesus weist damit die Jünger und Jüngerinnen an, wen sie in ihrer Mitte für Große und Erste halten sollen. Nicht jene, denen viel Macht zugestanden wird und sie vielleicht missbrauchen, auch nicht die Reichen, Schönen, Stars und Einflussreichen, sondern sie sollen eben jene als Große und Erste sehen, die ihr Leben in den Dienst der Gerechtigkeit und damit des Friedens und der Würde der Menschen stellen.
Wir begehen heute weltweit den Weltmissionssonntag. Der Begriff „Mission“ ist in Verruf gekommen. Ja es ist Teil der Wahrheit, dass im Namen der Mission an Menschen und Völkern Unrecht geschehen ist. Als Beispiel sei gesagt: Nichtchristen wurden öfters als Menschen zweiter Klasse gesehen.
Das II. Vatikanische Konzil hat den Missionsbegriff erneuert. Für die Konzilsväter war wichtig zu formulieren, dass den Menschen Religionsfreiheit zugestanden wird. Niemand darf zu einer Religion gezwungen werden.
Am heutigen Evangelium wird auch deutlich, dass die Mission untrennbar mit der Sorge um die Rechte der Menschen und der Gerechtigkeit verbunden ist. Ohne Recht und Gerechtigkeit gibt es keinen Frieden und ist die Würde der Menschen in Frage gestellt.
Mission ist zugleich ein Geben und Nehmen. Als Christen verstehen wir uns nicht nur als Gebende, sondern wir dürfen von Menschen und Völkern lernen, von ihren Erfahrungen, von ihrem Umgang mit Herausforderungen, von ihrer Gastfreundschaft, von ihrem einfachen Leben u.a.m.
Mission ist auch die Arbeit an Gesellschaften, die die Würde und die Freiheit achten und dem Machtmissbrauch wehren.
Wenn Sie den Text der 1. Lesung aus dem Buch Jesája anhören möchten:
Wenn Sie den Text der 2. Lesung aus dem Hebräerbrief anhören möchten:
Wenn Sie den Text aus dem heiligen Evangelium nach Markus anhören möchten:
In unseren Gedanken zu den Texten der Sonntage haben wir schon öfter auf die Problematik von Textauslassungen hingewiesen. Wir wollen einen Versuch starten und werden ab dem Beginn des neuen Lesejahres die Texte in der Länge der biblischen Verfasser lesen.
Seit Jahrhunderten beeindruckt die Bibel Menschen mit ihren Formulierungen. In der Zeit ihrer Entstehung für jeden verständlich brauchen Leserinnen und Leser von heute eine Übersetzung dieser Texte. Jede Übersetzung ist in gewisser Weise auch eine Deutung der Schrift. Die Einheitsübersetzung ist uns bereits vertraut. Wir wollen bewusst mit Beginn des neuen Kirchenjahres eine andere Übersetzung verwenden, um uns neu von den Texten überraschen zu lassen. Wir haben uns für die Übersetzung der BasisBibel entschieden, die seit Januar 2021 vollständig vorliegt. Die BasisBibel ist die Bibelübersetzung für das 21. Jahrhundert: klare Sprache, kurze Sätze und verständliche Sprache.
Ein Kommentar zu “Dienen als Dienst an der Wahrheit 1.Lesung: Jes 53,10-11| 2.Lesung: Hebr 4,14-16| Evangelium: Mk 10,35-45”
Die ehrliche Dienerin:
Für mich ist der Mensch, der In der Lage ist in Wahrheit zu dienen, mehr die Frau als der Mann.
Die Frau hat in der Weltgeschichte bewiesen, obwohl sie immer unterdrückt und missbraucht worden ist, dass sie für die Erhaltung der Menschheit sehr viel getan hat. Natürlich sind auch Männer mit viel weiblichen Anteilen fähig, sich als Dienende für die Menschheit beweisen zu können. In Amerika wurde vor Jahren festgestellt, dass kindererziehende Hausfrauen bei einem Therapievergleich bessere Ergebnisse gebracht haben als ausgebildete Psychotherapeuten. Der Glauben an Gott ist für alle Menschen sehr hilfreich.
Wenn Menschen -auch Staatsführer- bereit sind aufeinander zuzugehen und
Feindschaften zu beenden, wird sich die Menschheit in Richtung Weltfrieden bewegen. So wird sich das Dienen ehrlich lohnen.