Die Bitte um Weisheit 1.Lesung: Weish 9,13-19|2.Lesung: Phlm 9b-10.12-17| Evangelium: Lk 14,25-33
Salomon, ein Sohn Davids, er soll ihm als König nachfolgen. Er ist jung. Er ahnt die Verantwortung der Aufgabe und des Amtes. In einem Gebet bittet er Gott um Weisheit, damit er dem Volk ein guter König sein kann. Leider – so muss man sagen – gibt die Lesung nur einen Ausschnitt dieses Gebetes wieder. Da dieses Gebet beispielhaft für alle verantwortungsvollen Aufgaben sein kann, versuche ich einige Aspekte hervorzuheben.
Weisheit können nicht nur politische Akteure brauchen, sondern jede Mutter, jeder Vater ist auf Weisheit angewiesen, will sie oder er mit Kindern gut umgehen. Jede Firmenchefin, jeder Firmenchef braucht Weisheit, um Unternehmen zu führen. Jede Näherin, jeder Handwerker kann Weisheit gut gebrauchen, um den beruflichen Aufgaben gerecht zu werden. Ohne Weisheit kann niemand Seelsorgerin oder Seelsorger sein.
Die Bitte um Weisheit ist daher aktuell und gewinnt vielleicht neu an Bedeutung in einer Zeit von großen gesellschaftlichen, wirtschaftlichen und politischen Veränderungen.
Salomon bittet um Weisheit. Was ist Weisheit? Was ist seine Bitte? Salomon beginnt das Gebet mit der Feststellung: „Gott der Väter und Herr des Erbarmens, du hast das All durch dein Wort gemacht. Den Menschen hast du durch deine Weisheit bereitet, damit er über deine Geschöpfe herrscht. Er soll die Welt in Heiligkeit und Gerechtigkeit leiten und Gericht halten in rechter Gesinnung“ (Weish 9,1-3). Salomon erbittet die Weisheit, die in der Schöpfung seit Anfang an grundgelegt ist (Vgl. Weish 9,9). Sie ist mehr als ein Wissen um Fakten. Sie hilft den Menschen die Fakten und Gegebenheiten in ihren Beziehungen zu erkennen und zu ordnen. Die Weisheit trägt dazu bei, die Welt in Heiligkeit und Gerechtigkeit zu leiten. Die Weisheit hat das Gesamte im Blick: Heiligkeit, dass die Dinge ganz- und heilwerden. Gerechtigkeit, dass der Schöpfung, den Geschöpfen und den Menschen Gerechtigkeit zukommt oder Gerechtigkeit geschaffen wird.
Die Bedenken, die Salomon an sich selbst hat, lauten: „Ich bin ja dein Knecht, …, ein schwacher Mensch, dessen Leben nur kurz ist und zu gering an Einsicht in Recht und Gesetz. Wäre ein Mensch auch vollkommen unter den Menschen, er wird kein Ansehen genießen, wenn ihm deine Weisheit fehlt“ (vgl. Weish 9,5-7).
Die Weisheit weiß um die Grenzen, die jeden Menschen begleiten. Es fehlt uns der Überblick über die Geschichte. So hat jeder Mensch Geschichte, die ihn prägt und geformt hat. Vieles davon bleibt anderen verborgen. Es ist daher schwierig einem Menschen, ohne ihn intensiver zu kennen, gerecht zu werden. Jede Familie, jede Sippe und jedes Volk hat Geschichte mit Aspekten, die sie stolz sein lassen, aber auch mit Verletzungen, Wunden, blinden Flecken und Tabus. Auch Letztere wirken und können zu den eigenartigsten Reaktionen beitragen, wenn sie missachtet oder unpassend geleitet und begleitet sind.
Wer ein Volk mit Weisheit leiten und großmachen will, nimmt Bedacht auf die Geschichte, beachtet die Regeln und das Beziehungsgeflecht, achtet vor allem auch das Schwache und Verdrängte. Alles ist von Gott geschaffen und alles hat seine besondere Aufgabe und Bedeutung. Wer diese Weisheit missachtet, kann ein Volk, eine Familie oder Kinder nicht in guter Weise führen. Um die Weisheit bitten ist unmittelbar mit der Haltung der Demut verbunden – im wahrsten Sinne des Wortes: Demut – mit dem Mut zum Dienen. Es hat nichts mit Weisheit zu tun, wenn jemand seine Position, Macht oder Stärke ausnützt, um selbst reich zu werden oder Reiche noch reicher zu machen.
Salomo gibt einen zweiten Grund an, warum er um Weisheit bittet: Gering ist meine Einsicht in Recht und Gesetz oder anders gesagt, die Einsicht in die Tora. Salomon spricht hier jene Fragen an, die uns heute genauso beschäftigen und sich in den Fragen äußern: Warum leben Menschen nicht den Frieden? Warum sind Kriege? Warum der Hass unter Menschen und Völkern? Warum? Um als Mensch des Friedens wirken zu können – der Name „Salomon“ ist Programm dafür –, bedarf es eines außergewöhnlichen Einsatzes, letztlich die Orientierung am Wort Gottes. Zwang, Druck und Strafen ermöglichen keinen Weg zu einem wirklich dauerhaften, gerechten Frieden.
Es ist die Brücke zum Evangelium. Jesus selbst geht einen besonderen, einen außergewöhnlichen Weg im Dienste des Volkes. Er riskiert für Frieden und Gerechtigkeit sein Leben. Und sagt zu jenen, die ihm folgen wollen: Wenn jemand nicht zu mir kommt und nicht Vater und Mutter, Frau und Kinder, Brüder und Schwestern, ja sogar sein Leben gering achtet, dann kann er nicht mein Jünger sein. Wer nicht sein Kreuz trägt und hinter mir hergeht, der kann nicht mein Jünger sein (Vgl. Lk 14, 25-26).
Vielleicht denken oder sagen manche, diese Leitsätze Jesu überfordern mich. Ich will und kann meine Familie nicht verlassen. Ein solches Kreuz kann und will ich gegenwärtig nicht auf mich nehmen. Mit dem Gleichnis vom Mann, der einen Turm bauen will, nimmt Jesus Rücksicht auf diese Menschen, die Bedenken haben, beziehungsweise er warnt sie sogar davor, in diesem außergewöhnlichen Einsatz sich zu viel vorzunehmen oder sich zu überfordern. Überlege dir genau, ob du die Mittel hast den Turm zu bauen? Überlege dir, ob du die innere Stärke hast, den Weg Jesu zu gehen – gewaltlos, alles riskierend, das Leben eingeschlossen?
Es dient nicht der Botschaft, wenn du dir und anderen etwas vormachst. Wenn du das Kreuz nicht tragen kannst, dann lasse es. Vielleicht ist es noch wichtiger zu beachten, dass wir es von anderen nicht erwarten und fordern sollen, wenn wir selbst noch nicht den Weg Jesu gegangen sind.
Wenn Sie den Text der 1. Lesung aus dem Buch der Weisheit anhören möchten:
Wenn Sie den Text der 2. Lesung aus dem Brief des Apostels Paulus an Philémon anhören möchten:
Wenn Sie den Text aus dem heiligen Evangelium nach Lukas anhören möchten:
In unseren Gedanken zu den Texten der Sonntage haben wir schon öfter auf die Problematik von Textauslassungen hingewiesen. Wir wollen einen Versuch starten und werden ab dem Beginn des neuen Lesejahres die Texte in der Länge der biblischen Verfasser lesen.
Seit Jahrhunderten beeindruckt die Bibel Menschen mit ihren Formulierungen. In der Zeit ihrer Entstehung für jeden verständlich brauchen Leserinnen und Leser von heute eine Übersetzung dieser Texte. Jede Übersetzung ist in gewisser Weise auch eine Deutung der Schrift. Die Einheitsübersetzung ist uns bereits vertraut. Wir wollen bewusst mit Beginn des neuen Kirchenjahres eine andere Übersetzung verwenden, um uns neu von den Texten überraschen zu lassen. Wir haben uns für die Übersetzung der BasisBibel entschieden, die seit Januar 2021 vollständig vorliegt. Die BasisBibel ist die Bibelübersetzung für das 21. Jahrhundert: klare Sprache, kurze Sätze und verständliche Sprache.