Lasst das Licht brennen 1.Lesung: Weish 18,6-9| 2.Lesung: Hebr 11,1-2.8-19| Evangelium: Lk 12,32-48
Die Römer haben das Sklaventum nach Palästina mitgebracht. Nach dem jüdischen Aufstand (67 – 70 n. Chr.) wurde es verstärkt zum Thema, weil nach der Niederwerfung viele der Unterlegenen zu Sklavinnen und Sklaven gemacht wurden, natürlich auch Anhänger der Jesusbewegung. Die Evangelisten greifen das Thema auf und setzen sich mit dem schwierigen Schicksal dieser Menschen auseinander. Der Umgang mit der Sklaverei, vor allem die Kritik daran, erfordert größte Vorsicht. Offener Widerstand kann sich die kleine Gruppe nicht leisten. Er würde die Repressalien der Besatzungsmacht nur weiter verstärken. Zugleich sieht sich die Jesusbewegung berufen gegen die Versklavung der Menschen aufzutreten. In meinen Augen gibt das Evangelium diese Spannung wieder. Beim ersten Hören oder Lesen bleibt die Frage: Was will gesagt werden? Offen die Frage: Ist ein Dasein als Sklave unsere Berufung?
Weil viele der Adressaten von der Sklaverei betroffen sind, greift der Evangelist das Thema auf mit den Anliegen, die römische Besatzungsmacht möglichst nicht zu provozieren und den Hörern und Lesern eine Hoffnungsperspektive zu geben.
Es ist eine wichtige Botschaft des Lukas: sein Einstehen für die Würde des Menschen. Er baut eine Gemeinschaft von Schwestern und Brüdern auf. Als ihm gesagt wird, dass die Verwandten draußen auf ihn warten, erwidert Jesus: „Meine Mutter und meine Brüder sind die, die das Wort Gottes hören und tun“ (Lk 8,21). Das Grundverständnis von Beziehungen orientiert sich am einander Bruder und Schwester sein, nicht am Sklaventum.
Im Lobpreis Marias – dem Magnificat – hält Lukas fest: „Er – Gott – zerstreut, die im Herzen voll Hochmut sind; er stürzt die Mächtigen vom Thron und erhöht die Niedrigen“ (Lk 1,51b-52). Als Jesus zum ersten Mal in Nazaret in der Synagoge auftritt, liest er aus dem Propheten Jesaja vor: „Der Geist des Herrn ruht auf mir; denn er hat mich gesalbt. Er hat mich gesandt, … damit ich den Gefangenen die Entlassung verkünde … und ein Gnadenjahr des Herrn ausrufe“ (Vgl. Lk 4,18f). Im Gnadenjahr war unter anderem vorgesehen, dass die Versklavten zu freien Bürgerinnen und Bürgern freikamen.
Im Johannesevangelium hören wir Jesus sogar zu den Jüngerinnen und Jüngern sagen: „Ich nenne euch nicht mehr Knechte; denn der Knecht weiß nicht, was sein Herr tut. Vielmehr habe ich euch Freunde genannt“ (Joh 15,15).
Ein weiteres Indiz, dass sich das Evangelium gegen die Versklavung richtet, finden wir im Evangelium selbst. Es lautet da: „Eure Hüften sollen gegürtet sein und eure Lampen brennen! Seid wie Menschen, die auf ihren Herrn warten, der von einer Hochzeit zurückkehrt, damit sie ihm sogleich öffnen, wenn er kommt und anklopft!“ (Lk 12,35-36). Es erinnert an die Pessachnacht im Buch Exodus. Israel wird von Gott aufgefordert, dass sie mit den „Hüften gegürtet“ essen sollen (Vgl. Ex 12,11). Es ist die Nacht vor dem Aufbruch aus der Sklaverei in die Freiheit. Die brennenden Lampen sind eine weitere Anspielung an das Geschehen der Pessachnacht. Sie sollen bis zum Morgen alles aufgegessen haben und sich für den Aufbruch am Morgen bereithalten. Die Nacht bedarf des Lichtes.
Werfen wir einen Blick auf Jesus. Er hat sich zum Sklaven gemacht. Er stirbt den Tod eines Sklaven. Im Hymnus des Philipperbriefes heißt es: „Er war Gott gleich, hielt aber nicht daran fest, Gott gleich zu sein, sondern er entäußerte sich und wurde wie ein Sklave und den Menschen gleich“ (Vgl. Phil 2,6f). Jesus lebt die Solidarität mit versklavten Menschen. Er ist vertraut mit den Erniedrigungen und Demütigungen. Er lebt zugleich als „Knecht Gottes“ (Hebräisch: Ebed). Der Knecht Gottes zeichnet sich im Hören auf die Tora aus, im Hören auf das Wort Gottes. Dieses Hören macht ihn innerlich frei von jenen, die in anderen Menschen nur Mägde, Knechte und Sklaven sehen.
Wir haben jetzt einige Umstände und Hintergründe zum Evangelium gehört (gelesen). Welche Schlüsse dürfen wir ziehen?
Lukas nimmt die versklavten Menschen ins Blickfeld und schenkt ihnen in der Gemeinde besondere Aufmerksamkeit. Er verleiht Anerkennung jenen, die oft ausgegrenzt und der Willkür ihrer Herren ausgesetzt sind. Er erinnert sie zugleich an die Solidarität des Herrn. Jesus Christus teilt ihr Schicksal und zugleich ist er jener, der gegen die Versklavung eingetreten ist und eintreten wird. Von ihm – Jesus Christus – hat niemand zu erwarten, dass er die Seinen schlägt und zerstückelt. Er ist auch kein Dieb, der unberechenbar die Seinen überfällt und „aus säckelt“.
Lukas formuliert im Abschnitt zugleich ein Anliegen, das sich aus dem Ausbleiben der Naherwartung ergibt. Die ersten Christen waren der Überzeugung, dass Jesus Christus bald wiederkommen wird. Diese Hoffnung trug dazu bei, dass sie mit großer Konsequenz eine große Solidarität untereinander lebten und im Widerstand gegen die unmenschlichen Machenschaften der Besatzer Nachteile auf sich nahmen. Diese Hoffnung auf die Wiederkunft verzögert sich. Einher geht damit in der Gemeinde der schwindende Widerstand und die Resignation.
Lukas tritt dagegen auf: Esst mit gegürteten Hüften. Lasst das Licht brennen. Wir wissen nicht um den Zeitpunkt des Eingreifen Gottes, aber der Zeitpunkt wird kommen. Seit wachsam, damit ihr die Chance, wenn sie kommt, nützen könnt.
Und ein letzter Gedanke: Seid Knechte Gottes. Als solche hört auf sein Wort, auf seine Verheißungen und Zusagen, damit ihr Kraft habt gegen das gegenwärtige Sklaventum der Herren aufzutreten.
(Das Christsein besteht wesentlich darin, die innere Freiheit zu wahren, um sich jenen Dingen entgegenzustellen, die Menschen niederdrücken, versklaven oder unmenschlich machen. Es können Süchte, der Mainstream, Privilegien, auch technische Geräte u.v.a. sein.)
Wenn Sie den Text der 1. Lesung aus dem Buch der Weisheit anhören möchten:
Wenn Sie den Text der 2. Lesung aus dem Hebräerbrief anhören möchten:
Wenn Sie den Text aus dem heiligen Evangelium nach Lukas anhören möchten:
In unseren Gedanken zu den Texten der Sonntage haben wir schon öfter auf die Problematik von Textauslassungen hingewiesen. Wir wollen einen Versuch starten und werden ab dem Beginn des neuen Lesejahres die Texte in der Länge der biblischen Verfasser lesen.
Seit Jahrhunderten beeindruckt die Bibel Menschen mit ihren Formulierungen. In der Zeit ihrer Entstehung für jeden verständlich brauchen Leserinnen und Leser von heute eine Übersetzung dieser Texte. Jede Übersetzung ist in gewisser Weise auch eine Deutung der Schrift. Die Einheitsübersetzung ist uns bereits vertraut. Wir wollen bewusst mit Beginn des neuen Kirchenjahres eine andere Übersetzung verwenden, um uns neu von den Texten überraschen zu lassen. Wir haben uns für die Übersetzung der BasisBibel entschieden, die seit Januar 2021 vollständig vorliegt. Die BasisBibel ist die Bibelübersetzung für das 21. Jahrhundert: klare Sprache, kurze Sätze und verständliche Sprache.
3 Kommentare zu “Lasst das Licht brennen 1.Lesung: Weish 18,6-9| 2.Lesung: Hebr 11,1-2.8-19| Evangelium: Lk 12,32-48”
In der Vergangenheit habe ich gerne Feste gefeiert, weil ich meinte, ich würde was versäumen, wenn ich nicht dabei bin. Erst als ich vor 20 Jahren die Diabetes geschenkt bekam, begann mein Weg zur Umkehr. Ich merkte, wie wichtig es war, auf das zu verzichten oder das zu meiden, wo ich meinte, ohne diese Produkte wäre mein Leben weniger wert – üppiges Essen oder zu viel Alkohol -.
Ich gestalte jetzt mein Leben bewusster und mehr auf Gott orientiert. Der Glaube und das Gebet wurde eine wichtige Säule in meinem Leben. Ich hatte wieder die Hoffnung gesund zu werden. Ich bin sehr dankbar, dass mir das Licht rechtzeitig aufgegangen ist.
Gesegnete Grüße
Ich habe Deinen “letzten Gedanken” jetzt schon ein paar Tage nahe bei mir gehalten, weil er mich “gestört” hat und immer noch (ziemlich heftig) stört. Das Gegenteil finde ich im Johannes-Zitat (15,15), wo “wir” nicht mehr als Knechte sondern als Freunde bezeichnet sind, allerdings im Zeichen des Kreuzes. Besteht nicht im Gedanken der Freundschaft (mit Gott und Menschen) der einzigartige (radikal christliche) Kern des Christentums und damit einer unerschütterlichen Maßgabe für “christliche” Denk- und Lebensweisen … denen jede Weise von Unterdrückung und damit auch Gewalt fremd – und zwar wesentlich fremd – ist? Oder können Knechtschaft und/oder Freundschaft nebeneinander, miteinander bestehen oder bestehen sie sogar in der o.a. “inneren Freiheit” zur Wahl?
Lieber Walter, du nimmst in deinem Kommentar Bezug auf den Absatz: „Seid Knechte Gottes. Als solche hört auf sein Wort, auf seine Verheißungen und Zusagen, damit ihr Kraft habt gegen das gegenwärtige Sklaventum der Herren aufzutreten.“
Es wäre vermutlich hilfreich gewesen, den Begriff „Knecht Gottes“ (Hebräisch: Ebed Jahwe) in Anführungszeichen zu setzen, weil ihm ein besonderes Verständnis zugrunde liegt.
Es zeichnet in der Bibel den „Ebed“ aus, dass er ein inniges Verhältnis zu Gott hat. Er ist ein Hörender, ein mit Gott Ringender und was in den Gottesknechtsliedern beim Propheten Jesaja zum Ausdruck kommt, ein „Mensch“ dem Gott in jeder Hinsicht seine Menschenwürde bewahrt. Sich in die Hände Gottes geben – als „Knecht“ – bedeutet nicht Unterwürfigkeit, Aufgabe der Person oder Willenlosigkeit, sondern das aufrechte Gehen, Stehen und Dasein als Mensch. In den Psalmen wird er öfters als der selbstbestimmende Mensch gepriesen in der Umschreibung mit „König“.
Es ist meine Überzeugung, dass von Gott her das Verhältnis zum Menschen mehr als eine Freundschaft ist. Er ist es, „der unsere Namen großmachen will“ (Vgl. Gen 12,2).
Erich Baldauf