Geduld, Mut und Redlichkeit 1.Lesung: Jes 35,1-6b.10| 2.Lesung: Jak 5,7-10| Evangelium: Mt 11,2-11
Geduld, Mut und Redlichkeit scheinen die zentralen Begriffe der Texte des heutigen Sonntages zu sein – offensichtlich schon damals und nicht nur heute mit Herausforderungen verbunden.
Der Jakobusbrief lässt sich nicht so leicht einordnen. Gewöhnlich richtet sich die Briefliteratur des Zweiten Testaments an eine örtliche Gemeinde, Gruppe oder Einzelperson. Der Jakobusbrief greift aber das Bild der zwölf Stämme Israels auf. Nicht zu Unrecht, denn nach dem Tod Jesu entstehen unterschiedliche Gruppen. Er entsteht in einer speziellen Brückenzeit, in jener Phase, als sich erste Abnabelungstendenzen des Christentums vom Judentum abzeichnen. Hauptthema ist im Unterschied zu den Briefen des Paulus weniger das Glaubensleben an sich, sondern das christliche Leben im Alltag. Es ist der Brief eines Hirten bzw. eines Seelsorgers, der Menschen in den Zerklüftungen des Lebens, in ihrem Sein unterstützen möchte.
Der Glaube an die nahe Wiederkunft des Herrn war damals vorherrschend. Jakobus mahnt aber zur Geduld. Er verweist auf die Geduld, die der Natur innewohnt. Die Schöpfungswoche hat sieben Tage und nicht jeder Tag ist Ruhetag, sondern die Krönung der sechs Tage. Hier gilt es durchzuhalten. Schwangerschaften bei Menschen und Trächtigkeit bei Tieren sind, ob sie mühsam oder gut verlaufen, mit einem bestimmten Zeithorizont hinterlegt. Die Jahreszeiten haben ihre Abfolge und sind nicht beliebig austauschbar. Leben erfordert Geduld, aber auch manchmal das Warten auf den Tod.
Auch gute Entscheidungen erfordern Zeit und Geduld. Hier das rechte Maß zu finden, ist für uns aktuell eine Herausforderung. Die Klimaveränderung fordert uns zum Handeln auf, deshalb sollen aber rechtsstaatliche Mechanismen nicht übergangen werden. Im Sozial- und Gesundheitsbereich sind Adaptierungen notwendig, aber dennoch gilt es sie mit Bedacht und im guten Gespräch zu entwickeln. Das Schimpfen und Schuldzuweisen helfen heute so wenig, wie damals die Klage über die Brüder und Schwestern. Jakobus verweist auf die Geduld der Propheten, die zwar ohne Nachlass und durchaus mit Druck ihre Anliegen verfolgt haben, aber oftmals mühsame Geduldsproben ertragen mussten und darunter auch gelitten haben. Für Jakobus sind sie Vorbilder im Leiden und in der Geduld, als wären es manchmal zwei Seiten einer Medaille. Ich denke wir spüren derzeit dieses mühsame Wechselspiel auch und wie schwierig es ist, das rechte Maß auszuloten.
Jesaja glaubt daran, dass nach düsterer Zeit trockenes Land wieder erblühen kann. Er begreift Gott nicht nur als Zuseher, sondern als Retter. Eindrücklich ist aber, dass diese Rettung nicht einfach durch magische Hand erfolgen wird, sondern Engagement und Einsatz der Menschen erfordert. Ich spüre es derzeit selbst: all die Nachrichten über Kriege und Konflikte, die Schwere, die sich durch steigende Arbeitslosenzahlen, Inflation und Budgetdefizit breit macht, lässt meine Hände erschlaffen. Ich war schon schneller in den Dingen, die ich zu erledigen hatte und bereitwilliger in der Übernahme neuer Aufgaben, engagierter im Entwickeln neuer Ideen. Ja genau darum geht es: „Stärkt die schlaffen Hände und festigt die wankenden Knie! Sagt den Verzagten: Seid stark, fürchtet euch nicht!“ (Jes 35,3-4). Ohne unser eigenes Aufraffen und größere Zuversicht wird sich an der aktuellen Situation nicht viel ändern. Mit der Erwartung an „Hokuspokus“-Sätze von starken Führern werden wir Schiffbruch erleiden.
Einsatz ist immer auch mit Risiko verbunden, das ist im Sport so, aber eben auch im Einsatz für gesellschaftliche Veränderungen. Johannes hat hier ein bitteres Schicksal erfahren. Das Evangelium erzählt vom seinem Schicksal, dass er auf Grund seines Mutes, Dinge direkt anzusprechen, im Gefängnis gelandet ist. Er ist aber von der Zuversicht getragen, dass sein Einsatz fortgesetzt wird und möglicherweise sogar von einem Menschen, der noch mehr bewegen kann als er selbst.
Jesus selbst berichtet über Johannes von einem mutigen Menschen, keinem der sich nach dem Wind dreht und einer der ein Kontrastprogramm zum Establishment vorlebt. Dieses Leben, diese Botschaft, dieses Gegenangebot hat die Menschen zu ihm in die Wüste gezogen. Sie wollten einen Propheten sehen, der einen anderen Weg geht, der Vorschläge macht, wie zufriedenes Leben gelingen und nach dessen Beispiel man sich ausrichten kann. Ein Mensch, der vorlebt, wie Veränderung gelingt. Ein vierter Begriff wird hier noch wesentlich, nämlich authentisch zu sein. Die Jünger des Johannes bekommen keine direkte Antwort auf ihre Frage, sondern sie sollen sich ein eigenes Bild machen, sie sollten selbst nach Gesehenem und Gehörtem urteilen bzw. Johannes mit ihren Erzählungen eine Grundlage zur eigenen Entscheidung liefern. Daran können auch wir die zahlreichen Heilsbringer der Gegenwart messen. Worte und Taten müssen übereinstimmen und die Absicht des Handels darf die Armen und Ausgestoßenen nicht übersehen.
Jesus wusste, dass Herodes Anstoß am Verhalten von Johannes genommen hat, er erkannte, wie schmal der Grat sein wird, den er begehen möchte. „Selig ist, wer an mir keinen Anstoß nimmt“ (Mt 11,6). Seine Bitte ist einfach. Die Menschen sollen keine Vorurteile gegenüber ihm haben und ihm ein Grundvertrauen entgegenbringen. Das ist auch heute vermutlich noch ein guter Grundzugang beim Lesen der guten Nachricht.
Wenn Sie den Text der 1. Lesung aus dem Buch Jesája anhören möchten:
Wenn Sie den Text der 2. Lesung aus dem Jakobusbrief anhören möchten:
Wenn Sie den Text aus dem heiligen Evangelium nach Matthäus anhören möchten:
In unseren Gedanken zu den Texten der Sonntage haben wir schon öfter auf die Problematik von Textauslassungen hingewiesen. Wir wollen einen Versuch starten und werden ab dem Beginn des neuen Lesejahres die Texte in der Länge der biblischen Verfasser lesen.
Seit Jahrhunderten beeindruckt die Bibel Menschen mit ihren Formulierungen. In der Zeit ihrer Entstehung für jeden verständlich brauchen Leserinnen und Leser von heute eine Übersetzung dieser Texte. Jede Übersetzung ist in gewisser Weise auch eine Deutung der Schrift. Die Einheitsübersetzung ist uns bereits vertraut. Wir wollen bewusst mit Beginn des neuen Kirchenjahres eine andere Übersetzung verwenden, um uns neu von den Texten überraschen zu lassen. Wir haben uns für die Übersetzung der BasisBibel entschieden, die seit Januar 2021 vollständig vorliegt. Die BasisBibel ist die Bibelübersetzung für das 21. Jahrhundert: klare Sprache, kurze Sätze und verständliche Sprache.