Ein erfülltes Leben finden 1. Lesung: Apg 5,12-16 | 2. Lesung: Off 1,9-11a.12-13.17-19| Evangelium: Lk 20,19-31
Um sich immer mehr an die Tiefen des Johannesevangeliums heranzutasten, bedarf es die Zusammenhänge zu beachten, die sich oft erst im mehrfachen Lesen erschließen.
Am Beginn des Evangeliums sieht Johannes der Täufer Jesus auf sich zukommen und sagt: Seht das Lamm Gottes, das die Sünde der Welt hinwegnimmt (Joh 1,29). Und ebenso bezeugt Johannes der Täufer, dass er den Geist auf ihn herab kommen sah (Joh 1,33). Er ist es, der mit Heiligem Geist tauft.
Johannes der Täufer stellt Jesus vor als das Lamm, das die Sünde der Welt hinwegnimmt. Im weiteren Evangelium wird dann ausgeführt, womit Jesus die Sünde der Welt hinwegnimmt. Es beginnt mit dem Zeichen in Kana als das Fest des Lebens gefährdet ist. Er sorgt dafür, dass es mit „besserem Wein“ zu Ende gefeiert werden kann. Es folgt die Vertreibung der Händler aus dem Tempel. Gott braucht keine Opfer, sondern der IHM gemäße Gottesdienst zeigt sich im Lob, in der Dankbarkeit und Bitte.
Es folgt das nächtliche Gespräch mit Nikodemus. Gott hat seinen Sohn nicht in die Welt gesandt, damit er die Welt richtet, sondern damit die Welt durch ihn gerettet wird (Joh 3,17). Rettung aus jeglicher Not ist jenen verheißen, die sich ihm anvertrauen. Er will, dass die Menschen im Licht leben und nicht von der Sünde, d.h. der Dunkelheit, Angst und dunklen Machenschaften beherrscht werden.
Jesus begegnet der Samariterin am Brunnen und stillt ihren Durst, der die „Männer“ – die Gottheiten Samarias – nicht zu stillen vermögen. Genauso wenig können die Götzen unserer Tage den tiefen Durst nach Leben stillen. Er erschließt ihr eine Quelle des Lebens, die in ihr selbst liegt (Joh 4,14). Er heilt im Weiteren einen Gelähmten und trägt ihm auf, das in die Hand zu nehmen, was ihn lähmt, was ihn hindert selbst zu gehen (Joh 5,11).
Sünde der Welt hinwegnehmen, in diesem Dienst steht die Brotvermehrung (Joh 6,1-13). Es ist Sünde, wenn Menschen hungernd leben müssen. Sünde hinwegnehmen geschieht schließlich in der Begegnung mit jener Frau, die auf frischer Tat beim Ehebruch ertappt und von der Meute zur Steinigung herangeschleppt wurde. Hat dich niemand verurteilt? Dann verurteile auch ich dich nicht (Joh 8,10f).
Im Dienste die Sünde der Welt hinweg zu nehmen stehen die Blindenheilung (Joh 9) und die Auferweckung des Lazarus (Joh 11). Jesus stellt sich gegen jeglichen Tod, so auch gegen den Beziehungs- und Liebestod. Und schließlich ist sein gewaltloses Agieren in seinem Hinrichtungsprozess dieser Sendung geschuldet: die Sünde der Welt hinweg zu nehmen. Er nimmt weg, was sich gegen das Leben stellt, bzw. was Leben zerstört, beeinträchtigt oder verhindert.
Bis zuletzt spricht Jesus Menschen Leben zu. Eindrücklich wie er zur Mutter und zum Lieblingsjünger sagt: Siehe dein Sohn. Siehe deine Mutter. Das erste Wort, das Gott an die Menschen richtet, lautet: Es ist nicht gut, dass der Mensch allein bleibt (Gen 2,18).
Der Auferstandene haucht im Abendmahlssaal die Seinen mit seinem Geist an und trägt ihnen auf: Denen ihr die Sünden erlasst, denen sind sie erlassen (Joh 20,23). Bisher galt die Vorstellung, es ist allein Gott, der Sünden erlässt. Jesus überträgt diese Aufgabe den Seinen – im Abendmahlssaal befinden sich Frauen und Männer, Jünger und Jüngerinnen. Sie sollen in seinem Geist weiter machen, was er begonnen hat. Sie sollen von den Menschen wegnehmen, was ihr Leben beeinträchtigt oder zerstört, sie sollen ihr Möglichstes tun, damit die Lebenskraft und Lebensfreude wachsen kann.
Der Auferstandene haucht sie gleichsam an wie es Gott bei der Erschaffung des Menschen tut. Er haucht das Leben ein (Gen 2,7). Sünden vergeben ist ein schöpferisches, umfassendes Tun.
Es seien zwei Anmerkungen erlaubt:
- Wenn wir nach dem Johannesevangelium gehen, überträgt er viele „priesterliche“ Dienste jenen, die ihm nachfolgen. Mit Johannes als Maßgabe ergeben sich viele Freiheiten im Umgang mit den verschiedenen Aufgaben und Diensten in der Kirche, die im Moment nur bestimmten Personen zugedacht sind.
- Sünden erlassen hat wesentlich damit zu tun, einem Menschen ein gutes Leben zu ermöglichen und davon sei niemand ausgenommen. Richte nicht, breche keinen Stab über einem Menschen, sondern hauche Leben ein, mit: Ermutigung, Lob, Zuwendung, … eben mit deinen Möglichkeiten je nach Situation.
Ein letzter Gedanke: Das Grundanliegen des Evangelisten Johannes ist: die Menschen sollen das Leben haben, sollen zum Leben finden. Am Schluss sagt er: Die Zeichen sind aufgeschrieben, damit ihr glaubt, dass Jesus der Messias ist, der Sohn Gottes, und damit ihr durch den Glauben das Leben habt in seinem Namen (Joh 20,30f).
In der Mitte – als Höhepunkt – des Evangeliums schreibt er: damit ihr das Leben habt und es in Fülle habt. Am Ende kommt er eben nochmals darauf zurück. Lebend tot sein, am Leben vorbei leben, sein Wesen und seine Einmaligkeit nicht finden, dagegen schreibt Johannes. Es ist sein Anliegen, dass wir das Leben finden – eine neue Qualität von Leben – erfülltes Leben. Und: Von ihm angehaucht sind wir berufen oder auch gesandt, den Menschen Zeugnis von diesem einmaligem, wertvollem, erfülltem Leben zu geben.
5 Kommentare zu “Ein erfülltes Leben finden 1. Lesung: Apg 5,12-16 | 2. Lesung: Off 1,9-11a.12-13.17-19| Evangelium: Lk 20,19-31”
Ein besonderer Dank für die zwei Anmerkungen.
Die 2. Lesung ist ein Text aus der Offenbarung des Johannes. Der Versuch einer Annäherung: Die Menora war im Bundeszelt, aber auch später im Tempel jener Leuchter, der leuchtend vor dem Allerheiligsten stand. Mose selbst erhielt am Berg Sinai eine genaue Beschreibung für diesen Leuchter und es wurde ihm sogar ein himmlisches Modell gezeigt. Auch im Buch Sacharja ist der siebenarmige Leuchter Teil einer Vision.
Die sieben Gemeinden an die Johannes schreiben soll sind großteils keine unbekannten. Paulus war bereits auf seinen Missionsreisen in Ephesus, Laodizea, Smyrna und Pergamon gewesen. Eine der ersten Christinnen Lydia die Purpurhändlerin kam aus Thyatira. Lediglich von Sardes und Philadelphia können wir nur vermuten, dass es dort schon frühzeitig christliche Gemeinden gab.
In seiner Vision sieht Johannes einen gleich einem Menschensohn mitten unter sieben Leuchtern. In seiner rechten hält dieser sieben Sterne. Einige Zeilen später gibt es die Auflösung: „Das Geheimnis der sieben Sterne, die du auf meiner rechten Hand gesehen hast, und der sieben goldenen Leuchter ist: Die sieben Sterne sind die Engel der sieben Gemeinden und die sieben Leuchter sind die sieben Gemeinden“ (Offb 1,20). Zuvor wird davon gesprochen, dass Jesus Christus diese sieben Gemeinden zu einem Königreich gemacht hat und zu Priestern vor Gott. Diese sieben Gemeinden erhalten damit die Aufgabe, die ursprünglich dem siebenarmigen Leuchter im Tempel zukam: sie sollen auf das Allerheiligste leuchten. Dieser ursprüngliche Auftrag kann uns auch heute hilfreich sein. Als Gemeinden, als zu Priesterinnen und Priestern getaufte Menschen sollen wir immer wieder durch unser Wirken in den Gemeinden, durch unser soziales Engagement in der Welt, durch unsere Verkündigung des Wortes Gottes in unseren Familien als Eltern und Großeltern auf das Allerheiligste auf die Präsenz Gottes in dieser Welt hinleuchten. Die Grundvoraussetzung dafür wird in jedem einzelnen Brief an die sieben Gemeinden so formuliert: „ Wer Ohren hat, der höre, was der Geist der Gemeinden sagt“.
Ich möchte mich heute einmal recht herzlich bedanken für die im Bibellabor veröffentlichten Predigten, Gedanken, Kommentare.
Sie sind für mich sehr wertvoll; die Möglichkeit, die Predigten zuhause in aller Ruhe nochmals nachlesen zu können und immer zur Verfügung zu haben, schätze ich sehr.
Besonders die heutigen Gedanken zum Ev. und die Anmerkungen finde ich für das Sich-Befassen mit dem Johannes-Ev. sehr wichtig . Oft fehlen uns Laien nämlich der größere Über-Blick und die Zusammenhänge innerhalb der Hl. Schrift.
Nochmals herzlichen Dank!
Durch die heutige Predigt habe ich zum ersten Mal einen Überblick über das ganze Joh.-Evangelium erhalten. Dabei wurde jeweils sehr klar darauf hingewiesen, was Jesus bei seinem Tun bewirken wollte/will.
Danke, Erich, dafür!
Danke, Erich.
Es ist erfrischend und tut sooo gut, deine Kommentare zu lesen. Sie verweisen uns immer wieder auf einen Gott, der auf der Seite des Lebens, auf der Seite der Menschen, der Armen, Leidenden und Unterdrückten steht. Diese entschiedene “Option für die Armen” ist prophetisches Reden, not-wendiges Reden in der heutigen Welt.
Danke, Erich.