Ein Freiheit liebender Gott 1. Lesung: Sir 15,16-21| 2. Lesung: 1 Kor 2,6-10| Evangelium: Mt 5,17-37
Mit dem Evangelium von den Thesen, beziehungsweise Antithesen hörten wir einen weiteren Abschnitt aus der Bergpredigt. Sie begann mit den Seligpreisungen. Es folgten letzten Sonntag die Worte: Ihr seid das Salz der Erde. Ihr seid das Licht der Welt. Dann setzt Jesus mit den Thesen oder Antithesen fort. Inhaltlich führen sie die Seligpreisungen fort. Wobei sich die Frage stellt: Ist da nicht ein Widerspruch zwischen dem, was Jesus fordert, nämlich, dass kein Jota oder Häkchen des Gesetzes verändert werden soll und dem, was er selbst tut, nämlich mit seinen Thesen das eine oder andere Gesetz auszuhebeln? Oder anders gefragt: Was erlaubt Jesus seine Kritik?
Zum Verständnis ist da eines vorweg zu sagen: Wir kennen die zehn Gebote. Wir Christen beginnen die Aufzählung mit: 1. Du sollst an einen Gott glauben. 2. Du sollst den Namen Gottes nicht verunehren. 3. Du sollst den Tag des Herrn heiligen. Ab dem vierten Gebot beziehen sie sich auf die Mitmenschen und Mitwelt.
Im Judentum sind es vier Gebote, die sich auf Gott beziehen. Unseren Geboten vorangestellt lautet das erste: „Ich bin der Herr, dein Gott, der dich aus dem Land Ägypten geführt hat, aus dem Sklavenhaus. Du sollst neben mir keine anderen Götter haben“ (Dt 5,6) Was bei uns als 9. und 10. Gebot gezählt wird, ist im Judentum zu einem, zum 10. Gebot zusammengefasst.
Für Jesus ist das jüdische Verständnis maßgebend. Das erste Gebot betrifft den in die Freiheit führenden und die Freiheit liebenden Gott, beziehungsweise das Festhalten an einem Gott, der für Gerechtigkeit und Würde des Menschen steht. Wenn ein Gebot in einer Situation nicht mehr der Freiheit, der Gerechtigkeit und der Würde der Menschen dient, dann wird das Gebot für ihn obsolet, dann stellt er ein Gebot in Frage.
Ein weiteres Anliegen verfolgt Jesus mit den Thesen – oder auch Antithesen genannt. Es betrifft die Gesinnung, die innere Haltung, die von anderen nicht kontrolliert werden kann. Wie gehe ich mit Regeln, Geboten oder Gesetzen um? Regeln, Gebote und Gesetze können nie alle Lücken und Schlupflöcher abdecken. Nütze ich sie zu meinem Vorteil oder zum Nachteil von anderen aus? Überschreite ich Regeln, Gesetze oder Gebote, weil ich keine unmittelbaren Konsequenzen, etwa keine Strafen zu fürchten habe?
Wir dürfen nicht vergessen, dass die Bergpredigt in eine Welt gesprochen ist, in der es viel Elend, Korruption und den Staatsterror gibt. Wir wissen um Hinrichtungen. Aus den vielen sind uns Johannes d. T., Jesus, Stephanus als beredte Beispiele bekannt. Jesus entwickelt mit der Bergpredigt ein besonderes Gesellschafts- und Menschenbild. Wenn eure Gerechtigkeit nicht weit größer ist, als die der Schriftgelehrten und Pharisäer, werdet ihr nicht in das Himmelreich kommen.
Ich darf auf zwei der Thesen Jesu näher eingehen:
Wenn dich dein rechtes Auge zum Bösen verführt, dann reiß es aus und wirf es weg! Denn es ist besser für dich, dass eines deiner Glieder verloren geht, als dass dein ganzer Leib in die Hölle geworfen wird. Und wenn dich deiner rechte Hand zum Bösen verführt, dann hau sie ab und wirf sie weg! Denn es ist besser für dich, dass eines deiner Glieder verloren geht, als dass dein ganzer Leib in die Hölle kommt.
Niemand wird hergehen und sich ein Auge ausreißen oder sich eine Hand abhacken. Was von Jesus hier eingemahnt wird, ist: Bekämpfe das Böse bei dir selbst und nicht bei anderen. Du bist nicht gerufen am Zeug des oder der anderen zu flicken, sondern sei selbstkritisch und bearbeitete gründlich an dir die bösen Absichten, Fallen, Möglichkeiten, die sich bieten.
Eine andere These Jesu lautet: Ihr habt gehört, dass zu den Alten gesagt worden ist: Du sollst nicht töten; wer aber jemanden tötet, soll dem Gericht verfallen sein. Ich aber sage euch: Jeder, der seinem Bruder auch nur zürnt, soll dem Gericht verfallen sein; und wer zu seinem Bruder sagt: Du Dummkopf!, soll dem Spruch des Hohen Rates verfallen sein; wer aber zu ihm sagt: Du Narr!, soll dem Feuer der Hölle verfallen sein.
Die Bezeichnung „Narr“ richtet sich gegen die Würde eines Menschen. Es ist die Verweigerung von Integrität, Achtung und Respekt. In dieser Bezeichnung Narr ist zusammengefasst, was wir mit Mobbing, Stalking, Missbrauch, Abwertung u.Ä. verbinden.
Jesus sagt, so ein Mensch soll dem Feuer der Hölle verfallen sein. Nicht ewige Verdammnis ist das Thema, sondern mit Feuer der Hölle ist ein tiefgehender Reinigungsprozess verbunden. Die Infragestellung der Würde von Menschen ist dazu angetan, dass den Menschen das Leben zur Hölle wird. Da ist die Gemeinde, die Gemeinschaft gefragt, die so etwas nicht duldet, die gegen solches Verhalten mit aller Entschiedenheit – mit Feuer – vorgeht. Menschen, die die Würde anderer nicht achten, taugen nicht für Leitungsämter, auch nicht für Regierungsämter. Es kann sein, dass bestehende Regeln, Gebote oder Gesetze solches nicht verhindern können, dann ist ein anderes Feuer notwendig: Das Feuer des Protestes, der Verweigerung der Autorität.
Ich bin der Herr, dein Gott, der dich aus dem Land Ägypten geführt hat, aus dem Sklavenhaus. Du sollst neben mir keine anderen Götter haben.
Wenn Sie den Text der 1. Lesung aus dem Buch Jesus Sirach anhören möchten:
Wenn Sie den Text der 2. Lesung aus dem ersten Brief des Apostel Paulus an die Gemeine in Korínth anhören möchten:
Wenn Sie den Text aus dem heiligen Evangelium nach Matthäus anhören möchten: