Eingetaucht in Recht und Gerechtigkeit 1. Lesung: Jes 40,1-5.9-11| 2. Lesung: Tit 2,11-14;3,4-7| Evangelium: Lk 3,15-16.21-22
Als diese beiden „Lichtgestalten“ Johannes der Täufer und Jesus auftreten, befinden sie sich in einer äußerst angespannten politischen und gesellschaftlichen Situation. Pontius Pilatus regiert als Statthalter mit eiserner Faust. Er geht schlussendlich selbst den Römern zu weit und wird später abgesetzt. Der äußere politische Druck erzeugt im Volk innere Spannungen. Die unterschiedlichen Gruppen streiten an der Frage: Wie sollen wir auf diese Unterdrückung reagieren? Manche wünschen sich eine Revolution, Gewalt nicht ausgenommen. Es gibt Personen bzw. Gruppen, die kooperieren mit den Römern, andere verhalten sich möglichst unauffällig und wieder andere flüchten sich ins Religiöse.
Um Johannes und Jesus zu verstehen, gilt es diesen Hintergrund zu beachten. Wirkliche Hoffnung kann nur wachsen, wenn sie von einer fundierten, glaubwürdigen Antwort auf diese politische und gesellschaftliche Realität getragen ist.
Johannes tauft im Jordan. Für Israel ist es nicht irgendein Wasser. Jordan meint von „Dan herab“. Im Norden Israels lebte der Stamm Dan, der Stamm der Richter. Der Fluss „Jordan“ ist der Fluss des Rechts und der Gerechtigkeit. Israel ist durch diesen Fluss in das „gelobte Land“ eingezogen. Gelobtes Land als Gebiet in dem jedem und jeder Recht und Gerechtigkeit zukommt und zugestanden wird.
Johannes ruft Menschen zur Umkehr – zum „Umdenken“ – auf und tauft im Jordan. Wenn Menschen darauf achten, dass Recht und Gerechtigkeit das Zusammenleben prägen, dann ist ein Volk auf dem Weg ins gelobte Land. Mit der Taufe will Johannes Menschen auf diesen Weg bringen.
Jesus stellt sich in die Reihe der Menschen. Lukas spricht davon, dass sich Jesus zusammen mit dem ganzen Volk taufen lies. Es ist nach Lukas kein privates Ereignis, eine Begebenheit zwischen Johannes und Jesus. Es steht im Zusammenhang mit dem Volk. Jesus taucht auch in die Lebensrealität der Menschen ein, er teilt mit der breiten Masse das Leben. Er nimmt am Schicksal derer Anteil, denen weder Recht noch Gerechtigkeit zukommt.
Jesus begeht nach Lukas keine private Feier. Lukas hat nicht die Rettung des einzelnen im Blick, sondern Rettung wird erst dann zur Realität, wenn alle gerettet sind. Diesen Gedanken formuliert Lukas am Ende seines Werkes in der Apostelgeschichte als Paulus auf der Fahrt nach Rom mit den Gefährten Schiffbruch erleidet. Wir sind nur gerettet, wenn alle gerettet werden (Apg 27,30; 44). Die Taufe ist jenes Sakrament, das uns bewusst werden lässt, dass wir Teil des Volkes sind, dass wir mit der Solidarität rechnen dürfen, dass wir auch zur Solidarität gerufen sind. Ich meine, dass dieser Aspekt des Taufverständnisses stark unterbelichtet ist. Um Lukas richtig verstanden zu haben: Er hat mit Volk nicht das Kirchenvolk – die Gemeinde – vor Augen, sondern das Volk als Ganzes. Dies ist unter anderem auch zu bedenken, wenn jemand über das Verständnis von christlich sozial spricht.
Bei Lukas findet sich bei der Taufszene ein Unterschied zu den Synoptikern, zu Markus und Matthäus. Es macht zugleich das Ereignis intim. Lukas erwähnt eigens, dass Jesus betet: „Während er (Jesus) betete, öffnete sich der Himmel …“ Er steht bei der Taufe im Dialog mit Gott. Er führt mit IHM ein Taufgespräch, bei dem ihm eine Erkenntnis zuwächst.
Aus diesem Gebet heraus hört er die Stimme aus dem Himmel: Du bist mein geliebter Sohn, an dir habe ich Gefallen gefunden. Dieses Wort wird für Jesus zur tragenden Erfahrung. Dieses Geliebt Sein von Gott wird zum wesentlichen Inhalt seiner Botschaft und lässt ihn in der angespannten Situation sagen: Die Zeit ist erfüllt, das Reich Gottes ist nahe.
Aus dieser Liebe heraus heilt er Menschen. Dieses Geliebt Sein trägt er zu den Menschen am Rande, zu Zöllnern und Dirnen. Dieses Geliebt Sein macht ihn davon frei, zwanghaft religiöse Gebote und Vorschriften zu halten. Wenn sie nicht der Menschlichkeit oder dem Menschwerden dienen, erlaubt er es sich und seinen MitstreiterInnen, sie zu übertreten. Dieses Geliebt Sein befreit ihn davon, einem Menschen gegenüber im Hass oder in der Feindschaft zu sein bzw. zu bleiben. Zacharias hat in seinem Lobpreis das prophetische Wort: „Er (Gott) hat uns geschenkt, dass wir, aus Feindeshand befreit, ihm furchtlos dienen in Heiligkeit und Gerechtigkeit“ (Lk 1,74). Es zählt zu den wesentlichen Haltungen Jesu, dass er sich in den Beziehungen nicht von der Feindschaft oder vom Hass vereinnahmen lässt. Selbst Menschen, mit denen er heftigste Auseinandersetzungen hat, werden von ihm nicht verflucht. Er lässt sie vielleicht zurück, geht weiter, aber sie werden weder verdammt noch verflucht. Schließlich: Seinen letzten Weg ins Leiden geht er im Vertrauen, dass dieses Geliebt Sein von Gott über den Tod hinaus halten und stärker sein wird als der Tod.
Johannes tauft zur Umkehr im Sinne eines Umdenkens, dass Menschen ihr Leben zu verstehen lernen als ein von Gott geliebt Sein. Es gibt immer Gründe, die an diesem Grundverständnis zweifeln lassen. Jeder Mensch wird schuldig und hat Defizite. Jede und jeder macht Erfahrungen, die am Selbstwertgefühl kratzen. Im Vergleich mit anderen sieht man sich benachteiligt, wie es auch Kain ergeht, der sich von Gott übersehen oder zurückgesetzt sieht (Gen 4,5). Er erschlägt seinen Bruder Abel. Menschen, die am von Gott Geliebt Sein (massiv) zweifeln, sind gefährdet, Bruder- oder Schwestermörder zu werden.
Dieses Geliebt sein von Gott wäre missverstanden, würde jemand es als Selbstgefälligkeit deuten und sich jeglicher Kritik verschließen. Es kann nur in diesen Bezügen recht verstanden werden, in diesen Bezügen zum Jordan und dem Eintauchen in die Lebenswirklichkeit des Volkes. Wer sich für Recht und Gerechtigkeit bzw. die Würde von Menschen einsetzt, muss mit Widerstand, Feindschaft und Ablehnung rechnen. Wer sich dabei von Gott geliebt weiß, wird vieles durchtragen können – selbst in widrigen Zeiten und Umständen. Jesus wird Zeuge dafür und wohl auch viele Märtyrerinnen und Märtyrer und Menschen, die bewusst aus diesem Taufverständnis heraus leben.
3 Kommentare zu “Eingetaucht in Recht und Gerechtigkeit 1. Lesung: Jes 40,1-5.9-11| 2. Lesung: Tit 2,11-14;3,4-7| Evangelium: Lk 3,15-16.21-22”
Geliebt zu sein in diesem Sinne, birgt für mich das Selbstverständnis auf einem Weg sein zu dürfen, welcher über die Brücke vom Diesseits zum Jenseits führt. Ein Weg, der mit dieser Liebe Halt und Zuversicht bietet.
Nix für ungut, aber das ist wirklich ‘starker Tobak’: “Menschen, die am von Gott Geliebt Sein (massiv) zweifeln, sind gefährdet, Bruder- oder Schwestermörder zu werden.” Dieser Satz ist meines Erachtens angesichts der jesuanischen “Interpretation” von “Gottesliebe” nicht nur nicht aufrecht zu erhalten sondern widerspricht zutiefst und zuinnerst dem Leben und der Botschaft Jesu.
Herzlichen Dank für die Rückmeldung, bzw. für die Rückfrage. Ich darf diesen Gedanken ein wenig ausführlicher erläutern: Bei dieser Bemerkung: „Menschen, die am von Gott Geliebt Sein (massiv) zweifeln, sind gefährdet, Bruder- oder Schwestermörder zu werden“, beziehe ich mich auf die Erzählung von Kain und Abel (Gen 4). Hier wird davon ausgegangen, dass grundsätzlich jeder Mensch ein potentieller Bruder- oder Schwestermörder ist. Und es trifft wohl zu, dass im Extremfall niemand für sich garantieren kann, nicht zum Mörder oder zur Mörderin zu werden. Selbst die großen Gestalten der Bibel sind davon nicht ausgenommen, wie Mose oder David.
In der Erzählung von Kain und Abel heißt es: „Der Herr schaute auf Abel und seine Gabe, aber auf Kain und seine Gabe schaute er nicht. Da überlief es Kain ganz heiß und sein Blick senkte sich …“ (Gen 4,5). Kain, so dürfen wir es deuten, sah sich gegenüber dem Abel vom Herrn nicht in gleicher Weise angeschaut, bzw. er sah sich weniger geliebt oder vielleicht gar nicht geliebt. Es werden die Gründe für diesen Unterschied nicht angeführt, sie können vielfältig sein. Die Aggression allerdings richtet sich gegen den Bruder, den er erschlägt. Es ist eine Herausforderung des Glaubens, in Erfahrungen von Benachteiligung, von Schicksalsschlägen, von Krisen, von Enttäuschungen … der Liebe Gottes weiter zu trauen. Die Botschaft der Bibel will dazu hinführen. Es ist auch so, dass Gott mit Kain die Geschichte weiter schreibt. Er macht ihm ein Zeichen (Kainsmal) zum Schutz auf die Stirn. Übrigens sei erwähnt: Die Erzählung von Kain und Abel ist in einer Zeit entstanden, in der die Blutrache im Umfeld Israels herrschte. Die Erzählung durchbricht dieses „Gesetz“.