Geist der Weisheit und der Einsicht 1. Lesung: Jes 11,1-10| 2. Lesung: Röm| Evangelium: Mt 3,1-12
Es sind politisch und gesellschaftlich unruhige Zeiten, in die der Prophet Jesaja spricht. Das Nordreich mit Samaria ist bereits gefallen (722 v.Chr.) Viele flohen ins Südreich. Gegen Ende des 7. Jht. v.Chr. erstarkt das Großreich Assur im Osten und übt politischen und wirtschaftlichen Druck auf das Südreich mit dem Zentrum Jerusalem aus. Der König sucht Verbündete und rüstet militärisch auf. Er versucht seine Macht zu erhalten. Es sind keine guten Zeiten für die Armen, für Kranke, Witwen, Waisen, Schwache und Alte.
Das Königtum mit dem Hofstab hat abgewirtschaftet. Es ist eine Neubesinnung notwendig, so sagt es der Prophet. Aus dem Baumstumpf Isais wächst ein Reis hervor. Isai war der Vater König Davids. Das neue Königtum kann sich nicht allein an den Königen David und Salomo und was danach kam orientieren. Es bedarf einer tieferen Wurzel. Wurden David Stärke und Salomo Weisheit zugesprochen, so sind in dieser Phase weitere Geisteshaltungen von Bedeutung.
Er zählt auf, was jetzt gefragt ist: Der Geist der Weisheit und Einsicht, der Geist des Rates und Stärke, der Geist der Erkenntnis und der Furcht des Herrn. Diese Gaben des Geistes wünschen wir vermutlich ebenso allen, die ein Amt ausfüllen oder eine Aufgabe im Volk wahrnehmen. Für den Menschen heute mag fremd sein, dass als weitere Gabe des Geistes die Furcht des Herrn auf einer solchen Person ruhen möge.
Geist der Frucht des Herrn: Es bezieht sich auf jenen Bereich des Lebens und des Agierens, der von anderen Menschen nur schwer oder gar nicht kontrolliert werden kann. Es geht um die Motive des Handels, um die Ängste, Eigeninteressen, der ausgeübte Druck von Interessensgruppen, Machterhalt, Partikularinteressen, versteckte Machenschaften u.ä. Den Herrn fürchten geschieht im Wahrnehmen eines Amtes verbunden mit Wahrhaftigkeit und Aufrichtigkeit bzw. den Menschen jene Achtung und jenen Respekt zukommen zu lassen, wie es einem jeden Menschen von Gott zugedacht ist.
Es macht verständlicher, was danach folgt. Dieser „neue König“ entscheidet nicht nach Augenschein und Hörensagen, sondern er lebt was Aufgabe eines Königs im biblischen Verständnis ist. Er richtet die Geringen in Gerechtigkeit auf. Er setzt sich ein für die Armen und sorgt dafür, dass ihnen Recht zukommt. Diesem Anliegen hat sich in den letzten beiden Jahrhunderten die Katholische Soziallehre angenommen. Sie ist stark. Allerdings ist mit Bedauern festzustellen, dass sie in der Verkündigung nicht den ihr gebührenden Platz genießt.
Der neue König agiert mit besonderen „Waffen“: Er setzt den Stock des Mundes ein. Er schlägt mit dem Stock nicht zu, sondern er argumentiert mit dem Stock seines Mundes. Er argumentiert. Er setzt alles daran, dass die Menschen die Zusammenhänge verstehen und mitgehen können.
Und die andere Waffe: Er tötet mit dem Hauch der Lippen die Frevler. Der Umgang mit den Frevlern – Verantwortungslosen, Skrupellosen, Populisten oder wie man sie umschreiben will – bleibt für jede Zeit schwierig. Jesaja sagt: Er tötet sie mit dem Hauch der Lippen. Wer Recht und Gerechtigkeit aufrichtet, nimmt den Frevlern die Grundlage ihrer Kritik, den Atem, der sie langfristig stark machen würde.
Jesaja setzt dann mit jener Vision fort, die schon viele Künstlerinnen und Künstler inspiriert hat und die eine tiefe Sehnsucht des Menschen anspricht: Der Wolf – wohlgemerkt – findet Schutz beim Lamm, der Panther liegt beim Böcklein, Kuh und Bärin nähren sich zusammen … man tut nichts Böses und begeht kein Verbrechen. Man mag einwenden, dass ein solcher Zustand eine Utopie ist. Wir werden es so nicht erleben.
Ein Prophet wie Jesaja ist nicht weltfremd. Wir stehen jedoch vor der Frage: Auf welchen Weg lassen wir uns ein? Mit welchen Haltungen versuchen wir die Krisen zu bewältigen? Lassen wir uns von (tierischen) Instinkten leiten oder verwurzeln wir uns als Menschen in Gott, im Geist Gottes. Es ist vielleicht für uns schwer, die Vision des Jesaja nachzuvollziehen. Doch zwei Gedanken dazu: Die Vision gibt die Richtung an, in die Gott mit uns als Menschen – mit allen Völkern – auf dem Weg ist und was wir einmal von ihm erwarten dürfen. Und ergänzend dazu: Es gilt immer den Satz mitzudenken, der in der Bibel zweimal vorkommt: „Für Gott ist nichts unmöglich“ (Lk 1,37; Gen 18,14).
Ein junger Trieb aus dem Baumstumpf Isais bringt Frucht, so verheißt es Jesaja. Ich habe bereits erwähnt, dass Isai der Vater von David war. Der Name „Isai“ bedeutet im Deutschen: Gott ist Seiender. Gott ist lebendig. Wir sind eingeladen aus dieser Wurzel zu leben: Gott ist lebendig. Gerade in diesen Megakrisen wird er sich als lebendig zeigen.
Es wird sich in der Welt viel verändern. Es wird sich an der bisherigen Gestalt der Kirche viel verändern. Mit dem Herbeisehnen des Gewohnten und Bisherigen können wir nicht in die Zukunft gehen. Bitten wir um den Geist der Weisheit und Einsicht, den Geist des Rates und der Stärke, den Geist der Erkenntnis und Gottesfurcht. Ich lade zugleich ein, still zu werden und sich Zeit zu nehmen, damit der Geist der Weisheit und Einsicht, der Geist des Rates und der Stärke, der Geist der Erkenntnis und Gottesfurcht in uns und bei uns Kraft gewinnt.
Wenn Sie den Text der 1. Lesung aus dem Buch Jesája anhören möchten:
Wenn Sie den Text der 2. Lesung aus dem Brief des Apostels Paulus an die Gemeinde in Rom anhören möchten:
Wenn Sie den Text aus dem heiligen Evangelium nach Matthäus anhören möchten: