Glaube, der keiner Wunder bedarf 1. Lesung: Jer 1,4-5.17-19 | 2. Lesung: 1Kor 12,31-12,12 | Evangelium: Lk 4,21-20
Die Evangelisten Markus und Lukas beginnen ihre Evangelien ganz unterschiedlich: Bei Markus steht am Beginn die Taufe Jesu, dann die Versuchungen und dann die Berufung der ersten Jünger. Mit ihnen zieht er in Kafarnaum ein und es folgen unmittelbar die ersten Heilungen. Bei Lukas hat der Beginn eine andere Reihenfolge. Jesus kommt nach Galiläa. Er geht zuerst in seinen Heimatort Nazaret in die Synagoge, liest daraus vor und beginnt zu verkündigen. Im folgenden Streitgespräch wird zwar Bezug genommen auf seine Tätigkeit in Kafarnaum, von seinen großen Taten, aber Lukas erzählt erst in der weiteren Folge von den Heilungen und der Verkündigung in Kafarnaum.
Bei Lukas steht also die Verkündigung Jesu am Anfang und wir können davon ausgehen, dass es kein Zufall ist. Lukas verfolgt gezielte Anliegen. Auf zwei möchte ich eingehen:
Ein erstes: Lukas hebt damit hervor, entscheidend ist das Hören auf Jesus. Er ist ein geistbegabter Lehrer. „Der Geist des Herrn ruht auf mir“, steht am Beginn des Zitats aus Jesaia, das wir letzten Sonntag hörten und von dem er sagt: „Heute hat sich das Schriftwort erfüllt“.
In der Synagoge von Nazaret kommt es im Laufe der Rede zur Spaltung, zum Tumult – vielleicht ist es noch schärfer zu formulieren – es kommt zur Hatz. Sie geraten in Wut und wollen Jesus am Ende umbringen. Die Frage, die Lukas ganz am Anfang des Evangeliums an die Hörer stellt, lautet: Traust du dem Wort Jesu? Es ist nicht nur die Frage: Glaubst du an Jesus Christus, sondern es geht darüber hinaus: Glaubst du Jesus? Glaubst du seinem Wort? Glaubst du ihm und dem, was er verkündet? Es ist die Beziehung zu Jesus eingeschlossen. Oder anders formuliert: Glauben nach Lukas ist vor allem ein Hören auf das Wort Jesu und in der Folge das Wort leben.
Die Hörer wollen Wunder und Heilungen sehen. „Wenn du in Kafarnaum so große Dinge getan hast, wie wir gehört haben, dann tu sie auch hier in deiner Heimat!“ Jesus kann hier keine Wunder tun. Im Katechismus, den die älteren Semester unter uns gelernt haben, war eine der zu lernenden Aussagen sinngemäß: Wir glauben, dass Jesus Christus Gottes Sohn ist, weil er Wunder gewirkt hat. Wenn wir allein den Lukas als Evangelisten hätten, müssten wir sagen, dieser Satz des Katechismus ist nicht zu halten. Die Wunder und Heilungen sind für Lukas nicht maßgebend für den Glauben. Jesus Christus ist „geistbegabter“ Lehrer und steht in der Tradition der großen Propheten wie Elija und Elischa, Propheten, die mit dem eigenen Volk zu kämpfen hatten, sprich: denen nicht geglaubt wurde. Diese beiden Propheten wenden sich, in der Folge der Ablehnung, an Menschen außerhalb des Volkes Israel. Sie wenden sich Heiden zu.
Glauben ist nach Lukas das Trauen Jesu, das Hören auf sein Wort. Vielleicht berührt es unser Glaubensverständnis? Es sind da Menschen, die von Gott bzw. von Jesus heute Wunder erwarten. Fragen: Warum lässt er Leid zu? Warum werde ich nicht geheilt? Warum auch andere nicht? Mit dem Leid, den Katastrophen, den Krankheiten … steht für sie Gott auf der Probe. Obwohl bei Lukas Heilungen und Wunder wichtige Themen sind und oft berichtet werden, für ihn ist Jesus mehr als nur der Heiler, der Tröster oder der Verhinderer von Not.
Lukas will die Leser und Hörer dahin führen, sich von diesem geistbegabten Lehrer und seinem Wort herausfordern zu lassen, vertrauensvoll sein Wort als Richtschnur des Lebens zu nehmen, selbst mit dem Risiko, dass es das Leben erschwert, dass es Anfeindungen gibt, dass es Leidensbereitschaft erfordert.
Und damit sind wir bei einem zweiten Punkt: Lukas greift die Propheten Elija und Elischa als Vorbilder für Jesus auch in dem Punkt auf, dass er Jesu Hinwendung zu den anderen als Konsequenz aus der Ablehnung durch seinen Heimatort darstellt. Diese anderen sind für Lukas die aus der Gesellschaft ausgegrenzten Armen, Kranken und auch Nicht-Israeliten – als Heiden bezeichnete. Niemand kann über Gott verfügen. Er ist in seiner Hin- und Zuwendung frei und „erhaben“. Er ist nicht einfach der Erfüller von Wünschen, Sehnsüchten und Erwartungen.
Es sind Elija und Elischa, durch deren Wirken gerade sogenannte Ungläubige die Zuwendung Gottes erfahren durften und bei denen Wunder geschahen. Von Israel dagegen – dem erwählten Volk – war nichts Ähnliches zu vernehmen. Diese Unverfügbarkeit Gottes anzuerkennen ist eine entscheidende Voraussetzung, dass uns der Zugang zum biblischen Gott bleibt. Wunder, so hilfreich sie sein mögen und so sehr man sie manchmal wünscht: für den Glauben sind sie nicht entscheidend. Bei Lukas finden wir den Zugang: lerne ohne Wunder glauben. Lerne von Jesus und seinem Wort den Glauben, vielleicht entdeckst du dann die Wunder, die Gott bei dir und in deinem Umfeld wirkt.
Die Wut im Volk entbrannte endgültig, als Jesus sagte: „Heute hat sich das Schriftwort, das ihr soeben gehört habt, erfüllt’“. Es bezog sich auf das „Gnadenjahr“ (oder auch Jobeljahr – Erlassjahr – genannt). Diese Einrichtung des Jobeljahres, ist ein Gebot Gottes und sollte alle fünfzig Jahre vollzogen werden. Es bedeutet: die Neuordnung der Verhältnisse; die Freilassung der Sklaven, Knechte und Mägde; das Neuaufteilen des Besitzes, damit allen die Chance zum Neuanfang gegeben ist; das Erlassen der Schulden; das Teilen von Grund und Boden. Jesu Botschaft: Fangen wir heute damit an! Lasst euch auf diesen Prozess ein! Die Gegenwehr wird von Lukas als Unglaube beschrieben. Es sind keine Wunder möglich, weil sie es beim Alten belassen wollten.
Vielleicht ist das die Herausforderung für die Kirche, für die Pfarrgemeinden, sich voll und ganz auf dieses „Heute“ einzulassen? Heute mit dem Wort Gottes neu zu beginnen? Heute den ausgegrenzten Menschen und jenen, die nichts haben, einen Neubeginn zu ermöglichen? Heute Kirche neu zu denken? Schulden erlassen – gleich ob moralisch oder finanziell? Ziel ist: Wir bereiten ein Fest vor, auf dem gerade jene Grund zum Feiern haben, denen es bisher nicht zum Feiern war.
Lukas begleitet uns durch dieses Kirchenjahr. Sein Zugang, der uns bewusst bleiben möge – etwas zugespitzt: Warte nicht auf Wunder, damit du glauben kannst, sondern glaube dem Wort (Jesu) und du wirst Wunder erfahren.
2 Kommentare zu “Glaube, der keiner Wunder bedarf 1. Lesung: Jer 1,4-5.17-19 | 2. Lesung: 1Kor 12,31-12,12 | Evangelium: Lk 4,21-20”
Der Gedanke des letzten Absatzes finde ich treffend für mein Glaubensverständnis: weg von den Wundern – hin zu den Worten und dem Auftrag Jesu!
Dass wir in Österreich leben darf man bei bei all den Wirren auf unserer Erde als Geschenk ja als ein Wunder betrachten. Der Gedanke hiezu wie oben beschrieben
ist für den echten Christen die logische Konsequenz.