
Gottes Parteilichkeit 1.Lesung: Dtn 26,4-10| 2.Lesung: Röm 10,8-13| Evangelium: Lk 4,1-13
In der ersten Lesung aus dem Buch Deuternomium finden wir keine Hinweise fürs Fasten oder Warnungen vor Versuchungen, sondern sie ist eine Auseinandersetzung mit der Gottesbeziehung, vielleicht wäre noch besser gesagt, dass sie gegen die Gottvergessenheit anschreibt.
Zur Situation: Israel ist im gelobten Land angekommen, in dem Land, in dem Milch und Honig fließen. Vorbei ist die Not in Ägypten, die Unterdrückung, der Frondienst; vorbei ist auch die lange Wanderung durch die Wüste mit den Phasen von Durst, Hunger, wilden Tieren, Anfeindungen und Tod.
Israel ist inmitten anderer Völker sesshaft geworden. Nebenbei sei erwähnt, dass dieses Ankommen, wie Ausgrabungen in Palästina belegen, ohne größere Gewaltkonflikte über die Bühne ging, wohl anders als es im Buch Josua beschrieben ist. Angekommen im Land dürfen sie die ersten Früchte ernten. Mose sagt nun zum Volk, dass Erntedank gefeiert werden soll: Wenn du die ersten Früchte des Landes darbringst, dann soll der Priester den Korb aus deiner Hand entgegennehmen und ihn vor den Altar des Herrn stellen.
Hinzu kommt ein zweites, wichtiges Element: Du aber sollst von dem Herrn, deinem Gott, folgendes Bekenntnis ablegen: Mein Vater war ein heimatloser Aramäer. Er zog nach Ägypten, lebte dort als Fremder mit wenigen Leuten und wurde dort zu einem großen, mächtigen, zahlreichen Volk. Die Ägypter behandelten uns schlecht, machten uns rechtlos und legten uns harte Fronarbeit auf. Wir schrien zum Herrn. Der Herr erhörte unser Schreien und sah unsere Rechtlosigkeit, unsere Arbeitslast und unsere Bedrängnis. Der Herr führte uns mit starker Hand aus Ägypten. Er brachte uns in dieses Land, in dem Milch und Honig fließen.
Drei Anliegen entnehme ich diesem Text:
Ein erster ist die Dankbarkeit. Der erste Korb der Früchte soll vor den Altar gestellt werden, hatte Moses angeordnet. Er selbst starb ja davor und erlebte es nicht. Vermutlich im Wissen, dass der Mensch schnell vergisst, gab er diesen Auftrag mit, um zu beherzigen, dass das Leben verdankt und nichts selbstverständlich ist.
Diese Früchte vor dem Altar – sie sind also auch Zeichen einer langen Geschichte, Befreiungsgeschichte, vielleicht auch Leidensgeschichte, in der Gott manchmal sichtbar und unsichtbar wirkte. Wir dürfen ernten und davon leben. So vieles, das wir ernten und leben dürfen, verdanken wir Menschen, die in der Vergangenheit gedacht, geplant, gearbeitet und gekämpft haben.
Auffällig ist an dieser Stelle, dass kein Brand- oder Schlachtopfer verlangt wird. Wichtiger als das Opfern ist die Kultur des Dankes und der Erinnerung.
Ein zweites Anliegen verfolgt die Schriftstelle: Der Glaube an Gott, den Befreier. Es ist bemerkenswert, dass diese Schriftstelle Gott als äußerst parteilich zeichnet. Er hörte unser Schreien, das Schreien der Unterdrückten. Er sah die Rechtlosigkeit, die Arbeitslast und die Bedrängnis.
Wir haben hier nicht die Worte: Gott hat alle lieb. Er ist parteilich. Er hört und sieht jene, denen die menschliche Würde streitig gemacht wird. Der Text enthält ein wichtiges Credo – Glaubensbekenntnis – mit drei Teilen: Wir schrien zum Herrn. Er erhörte uns. Und er befreite uns.
Es ist ein Glaubensbekenntnis, das nicht allein für Juden oder Christen gilt. Es betrifft all jene, die in ihrem Elend Grund zum Schreien haben, ob gläubig oder ungläubig, ob reich oder arm, ob einheimisch oder fremd. Das Elend eines jeden Menschen rührt Gott an. Die Schriftstelle am Beginn der Fastenzeit ist die Einladung, das Vertrauen in diesen Gott zu stärken.
Schließlich das dritte Anliegen des Textes: Die Erinnerung an die Geschichte soll der Gewissenserforschung dienen. Manche haben Mühe mit dem Verständnis, dass „Israel“ ein von Gott erwähltes Volk ist. In dieser Frage, so sei angemerkt, ist der biblische Begriff „Israel“ und der heutige Staat „Israel“ auseinanderzuhalten. Israel meint: „Gottesstreiter“, „Gottesstreiterin“; ein Mensch oder ein Volk, das mit Gott ringt, kämpft oder sich mit IHM auseinandersetzt. Jede und jeder kann zu Israel werden, beziehungsweise ist gerufen, wie einst Jakob nach dem nächtlichen Kampf, „Israel“ zu sein (Vgl. Gen 32,23-33).
Nochmals: Die Erinnerung an die Vergangenheit soll der Gewissenserforschung dienen. Diese Erinnerung soll uns davor bewahren wie Ägypten zu werden. Die Erwählung von Gott ist mit der Verantwortung verbunden, den Menschen Würde, Recht und Gerechtigkeit zukommen zu lassen. Jene, die dagegenhandeln, werden seine Parteilichkeit erfahren.
Wenn Sie den Text der 1. Lesung aus dem Buch Deuteronómium anhören möchten:
Audio-Player
Wenn Sie den Text der 2. Lesung aus dem Brief des Apostels Paulus an die Gemeinde in Rom anhören möchten:
Audio-Player
Wenn Sie den Text aus dem heiligen Evangelium nach Lukas anhören möchten:
Audio-Player
In unseren Gedanken zu den Texten der Sonntage haben wir schon öfter auf die Problematik von Textauslassungen hingewiesen. Wir wollen einen Versuch starten und werden ab dem Beginn des neuen Lesejahres die Texte in der Länge der biblischen Verfasser lesen.
Seit Jahrhunderten beeindruckt die Bibel Menschen mit ihren Formulierungen. In der Zeit ihrer Entstehung für jeden verständlich brauchen Leserinnen und Leser von heute eine Übersetzung dieser Texte. Jede Übersetzung ist in gewisser Weise auch eine Deutung der Schrift. Die Einheitsübersetzung ist uns bereits vertraut. Wir wollen bewusst mit Beginn des neuen Kirchenjahres eine andere Übersetzung verwenden, um uns neu von den Texten überraschen zu lassen. Wir haben uns für die Übersetzung der BasisBibel entschieden, die seit Januar 2021 vollständig vorliegt. Die BasisBibel ist die Bibelübersetzung für das 21. Jahrhundert: klare Sprache, kurze Sätze und verständliche Sprache.
Ein Kommentar zu “Gottes Parteilichkeit 1.Lesung: Dtn 26,4-10| 2.Lesung: Röm 10,8-13| Evangelium: Lk 4,1-13”
Was bewirkt Bewusstsein?
Ich verstehe diesen Text so, dass Gott jeden Menschen und jedes Volk liebt. Die Ukraine lebt die Einstellung des Dankes und kann dadurch die Unterdrückung durch die Russen, für mich fast nicht nachvollziehbar, aushalten.
Gott sieht, wie die Bedrängnis des ukrainischen Volkes immer mehr zunimmt, durch den starken Glauben an den Herrn -durch das ukrainische Volk- wird ihre Hoffnung an die Befreiung nicht nachlassen.
In der Vergangenheit hat Gott schon manches -es wurde von Menschen als unmöglich gehalten- geändert.
Der verstorbene Altkanzler Kohl hat regelmäßig am Wolfgangsee meditiert, das zeigt mir seine Gottesnähe. Er gilt als Kanzler der Wiedervereinigung Deutschlands und hat zusammen mit Gorbatschow viel für die Menschheit erreicht. Ich würde mir wünschen, dass Putin und Trump auch mal ins Schweigen kommen und sich an Jesus orientieren würden. Das Gebet der Gläubigen wäre dabei sehr hilfreich.
Gesegnete Grüße