Im Hier und Heute leben 1. Lesung: Dtn 4,32-34.39-40| 2. Lesung: Röm 8,14-17| Evangelium: Mt 28,16-20
Der heutige Sonntag wird als Dreifaltigkeitssonntag bezeichnet. Das Fest ist vermutlich um die erste Jahrtausendwende in französischen Benediktinerklöstern aufgekommen. Eine wesentliche Bedeutung hat bei den Benediktinern der Gehorsam als einfühlsames Hinhören auf Gott und die Menschen.
Die heutigen biblischen Texte nehmen vermeintlich keinen Bezug auf die Dreifaltigkeit. Vielleicht will man damit einen Fluchtpunkt bieten, denn der eigentliche Festinhalt ist und bleibt irgendwie rätselhaft.
Der Dreifaltigkeitssonntag zählt zu den „Ideenfesten“. Dies sind Festtage, die keine konkreten Heilsereignisse feiern, sondern eine abgeleitete Idee. Ihre Festinhalte sind Glaubenswahrheiten, Aspekte christlicher Lehre und Frömmigkeit.
Die Beziehung Vater, Sohn und Heiliger Geist war schon immer etwas fragenbehaftet. Juden und Muslime vermeinen in der Dreifaltigkeit eine Abkehr vom monotheistischen Gott zu erkennen. Darum wird sie vermutlich auch als Dreieinigkeit bezeichnet. Gibt es nun nur den EINEN Gott oder ist Gott per se Vielfalt? Er ist alles in einem und der Dreifaltigkeitssonntag ist eine Annäherungsform, davon zu erzählen.
Bereits der Gott der Schöpfung ist EINS und doch nicht alleine. „Lasst uns Menschen machen – unser Ebenbild, uns gleich sollen sie sein“ (Gen 1, 26). Offensichtlich konnten die Verfasser der Tora diese Gestaltungsfülle des Schöpfungsaktes nicht in EINEM vermuten. Hier schwingt schon die Vielfalt Gottes mit. Gott will nicht allein bleiben, er hat Sehnsucht nach Beziehung nach einem Ebenbild. Gott will Kommunikation, Austausch und Diskurs. Gott ist kein Autokrat. Er will Beteiligung mit dem Risiko, Enttäuschungen erleben zu müssen. Auch zu seinen menschlichen Ebenbildern sucht er die Beziehung einerseits zum Individuum (z.B. Sarah, David etc) und andererseits zu einem Volk, wie uns in der ersten Lesung beschrieben wird: „hat je ein Gott ebenso versucht, zu einer Nation zu kommen“. Seine Beziehung zu den Menschen gipfelt darin, dass er mit Jesus ein Sinnbild seiner selbst unter die Menschen sendet, der uns Inbegriff eines gottgefälligen Lebens sein soll. Jesus macht die Worte der Tora durch sein Leben konkret. Die Evangelien weisen uns immer wieder auf die von Jesus gepflegte Rückbindung an Gott hin, durch das Aufsuchen von stillen Orten oder durch das Gebet wie etwa im Garten Getsemani.
„HEUTE sollst du erkennen und zuinnerst begreifen: Der Herr ist der Gott im Himmel droben und auf der Erde unten, keiner sonst. (Dtn 4,39)“ Genau das Wort HEUTE ist der Kristallationspunkt der Dreieinigkeit. Gott im Himmel bleibt uns unerkenn- und unbegreifbar. Schatten seiner selbst können wir aber erkennen:
- in der Schrift, die gute Beziehungen unter den Menschen über Generationen hinaus ermöglichen will. „Daher sollst du seine Gesetze und seine Gebote, auf die ich dich heute verpflichte, bewahren, damit es dir und später deinen Nachkommen gut geht und du lange lebst in dem Land, das der Herr, dein Gott, dir gibt für alle Zeit“ (Dtn 4,40).
- und in der gelebten Auslegung der Tora durch das Leben Jesu.
Dieser EINE Gott will keinen Kadavergehorsam. Er will ein selbstbewusstes Vis-A-Vis. Es ist ein Gott der sein Volk in die Freiheit geführt und aus jeglicher Form von Sklaverei befreit hat, damit der Mensch frei entscheiden kann. Mose empfiehlt dazu bereits Geschichtsforschung, Empirie (Erfahrungen sammeln und auswerten) und Geografie zu betreiben, wie wir dem heutigen Text entnehmen können. Dazu formuliert er gleich selbst einige Forschungsfragen. Der Mensch auf der Suche nach Gott, soll prüfen, Belege sammeln und nicht einfach blindlings glauben. Er soll und darf Fragen stellen und hinterfragen.
„HEUTE sollst du erkennen und zuinnerst begreifen“. Das Wort HEUTE steht im Zentrum der jährlichen Feier des Pessach Festes bei den Juden. Es geht nicht nur darum eine Erinnerungskultur zu pflegen, sondern der Frage nachzugehen: Von was oder aus was will ich HEUTE von Gott befreit werden? Was versklavt mich HEUTE und welchen Beitrag kann ich zur Befreiung aus meiner Versklavung leisten? Unser Weihnachtsfest steht auch ganz im Zeichen des HEUTE. „HEUTE ist euch in der Stadt Davids der Retter geboren; er ist der Christus, der Herr“ (Lk 2,11). Suchen Sie einmal in einer Onlinebibel das Wort HEUTE. Sie werden überrascht sein. Das Ergebnis lässt erkennen, dass es sich bei den biblischen Texten nicht um „es war einmal“ Geschichten handelt, sondern um eine stetige Verheutigung. Und genau dafür lässt uns Jesus den Heiligen Geist zurück. Er kennt die Herausforderung, im Hier und Heute einer Epoche zu leben. Die Befreiung Israels fand zu einer bestimmten Epoche statt und wird mit den Worten und Bildern dieser Zeit erzählt, ebenso in den Evangelien. Was bedeuten aber diese Worte HEUTE, welche Wirkmacht können und sollen sie HEUTE entfachen. Genau dafür benötigen wir den Heiligen Geist, denn das ist eine Denksportaufgabe besonderer Art.
Im Römerbrief versucht Paulus es mit seinen Worten weiterzugeben: „Denn ihr habt nicht einen Geist der Knechtschaft empfangen, sodass ihr immer noch Furcht haben müsstet, sondern ihr habt den Geist der Kindschaft empfangen, in dem wir rufen: Abba, Vater! Der Geist selber bezeugt unserem Geist, dass wir Kinder Gottes sind. Sind wir aber Kinder, dann auch Erben; Erben Gottes und Miterben Christi (Röm 8, 15-17). Paulus will uns vermitteln, dass sich der Gott der Freiheit nicht so versteht, dass wir auf uns allein gestellt sind, sondern er ein Beziehungsgott ist und bleibt, der seine Fürsorge so eng lebt, wie sie von fürsorglichen Eltern gepflegt wird. Eine Form von Liebe schenkt, aus der man gar nicht herausfallen kann, wie im Gleichnis des Barmherzigen Vaters erzählt wird. Jesus will uns eben in den Fragen des HEUTE nicht alleine lassen. „Und siehe, ich bin mit euch alle Tage bis zum Ende der Welt“ (Mt 28,20), wissend, dass es bei einem Freiheit schenkenden Gott keine Stehsätze geben kann, dass es immer neue Fragen zu stellen gilt, dass es den Austausch, den Diskurs mit Gott und den Menschen braucht.
Mit dem Dreifaltigkeitssonntag, wollten benediktinische Mönche ihr Anliegen des Gehorsams im Sinne des einfühlsamen Hinhörens auf Gott und die Menschen darlegen.
Das Ideenfest soll uns helfen, in einer Welt zunehmender Sorgen voll Hoffnung und Zuversicht den Fragen nachzudenken: Welche Kraft gibt mir das biblische Wort HEUTE, welche Zuversicht kann ich darin erkennen und was bedeutet das für mein Handeln morgen.
Wenn Sie den Text der 1. Lesung aus dem Buch Deuternonómium anhören möchten:
Wenn Sie den Text der 2. Lesung aus dem zweiten Brief des Apostels Paulus an die Gemeinde in Rom anhören möchten:
Wenn Sie den Text aus dem heiligen Evangelium nach Matthäus anhören möchten:
In unseren Gedanken zu den Texten der Sonntage haben wir schon öfter auf die Problematik von Textauslassungen hingewiesen. Wir wollen einen Versuch starten und werden ab dem Beginn des neuen Lesejahres die Texte in der Länge der biblischen Verfasser lesen.
Seit Jahrhunderten beeindruckt die Bibel Menschen mit ihren Formulierungen. In der Zeit ihrer Entstehung für jeden verständlich brauchen Leserinnen und Leser von heute eine Übersetzung dieser Texte. Jede Übersetzung ist in gewisser Weise auch eine Deutung der Schrift. Die Einheitsübersetzung ist uns bereits vertraut. Wir wollen bewusst mit Beginn des neuen Kirchenjahres eine andere Übersetzung verwenden, um uns neu von den Texten überraschen zu lassen. Wir haben uns für die Übersetzung der BasisBibel entschieden, die seit Januar 2021 vollständig vorliegt. Die BasisBibel ist die Bibelübersetzung für das 21. Jahrhundert: klare Sprache, kurze Sätze und verständliche Sprache.