
Mit Staub an den Füßen 1.Lesung: Ex 12,1-8.11-14| 2.Lesung: 1 Kor 11,23-26| Evangelium: Joh 13,1-15
In meiner Nachbarschaft lebt eine syrische Familie. Bei größeren Feiern mit Gästen sitzen sie im Kreis am Boden, die Speisen sind in der Mitte. Sie verwenden meist Brotfladen, um Salate, Saucen, Reis, Humus, Fleisch u.a. zu essen. Es ist auch das Bild des letzten Abendmahles. Jesus mit den Jüngern, Frauen und Kindern befinden sich auf Polstern oder Teppichen am Boden und begehen das gemeinsame Mahl.
Für Menschen, die an einem solchen Mahl teilnehmen und einen langen Fußmarsch hinter sich haben, womöglich über Stock und Stein durch Wüste und Gestrüpp, ist es eine Wohltat, die Füße gewaschen zu bekommen. Der Sand heißt im Hebräischen „chol“. Es ist ein Wort, das aus derselben Familie wie Krankheit „machalah“ stammt. Kranksein bedeutet, dass etwas sandig geworden, mit Staub bedeckt ist und damit den ursprünglichen Glanz verloren hat.
Jesus steht auf und beginnt den Seinen die Füße zu waschen, sie vom Sand zu befreien. Er setzt eine Zeichenhandlung, in der sein Evangelium, seine Verkündigung und sein Glaube verdichtet zum Tragen kommt. Er wäscht den Jüngern die Füße, die am heutigen Tag für die vielen Menschen stehen, die krank sind, die leiden und auf Heilung warten. Sie werden heil, auf neuhebräisch „bari“. Als Gott die Welt erschuf, wird ein Wort aus demselben Stamm verwendet, nämlich „bara“. Gott schafft die Welt. Jesus schafft Heil. Jene, die sich darauf einlassen, dass er ihnen die Füße wäscht, werden heil.
Der Papst hat das Jahr 2025 zum Heiligen Jahr erklärt und steht unter dem Thema: Pilgerinnen und Pilger der der Hoffnung sein. Wir sind Pilger in dieser Welt und viele von uns haben bereits einen weiten Weg – vielleicht auch mit einigem Sand an den Füßen – hinter sich: Enttäuschungen, Verletzungen, Ängste, Zweifel, Konflikte, Unversöhnliches, Verbitterung u.a. was schmerzt. Jesus wäscht den Sand von den Füßen. Er wäscht uns nicht den Kopf. Er geht vor uns in die Knie wie ein Knecht und schafft Heil und will, dass wir uns als Neuschöpfung erfahren; als Menschen, die mit all den Verletzungen und Krankheiten wieder gut leben können.
Es soll hier keine falsche Hoffnung aufgerichtet werden. Vermutlich werden wir heute noch nicht viel von dieser Neuschöpfung oder einem völligen Heilwerden erfahren. Es ist allerdings von Jesus der Raum geöffnet, in dem die Schöpfung und das Heilwerden geschehen kann. Die Schöpfung und das Heilwerden brauchen Zeit. Jesus nimmt uns in diesen Raum hinein. Er lässt uns mit leben. Er teilt Leben mit uns: seinen Leib. In seiner Liebe können wir gesunden.
Das Verhalten des Petrus macht deutlich, dass auch den Jüngern das Tun Jesu beim Abendmahl unverständlich bleibt. Diese Geste Jesu wird für sie allerdings eine große Hilfe im Umgang mit den Erfahrungen des Karfreitags. Sie hilft ihnen, neu anzufangen, trotz ihres Versagens seiner bleibenden Liebe zu trauen. Der Glaube an die Auferstehung ist für sie eine erneute Fußwaschung – für jene, die flohen oder ihn sogar verleugneten.
Wenn Sie den Text der 1. Lesung aus dem Buch Éxodus anhören möchten:
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Wenn Sie den Text der 2. Lesung aus dem Brief des Apostels Paulus an die Gemeinde in Korínth anhören möchten:
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Wenn Sie den Text aus dem heiligen Evangelium nach Johannes anhören möchten:
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In unseren Gedanken zu den Texten der Sonntage haben wir schon öfter auf die Problematik von Textauslassungen hingewiesen. Wir wollen einen Versuch starten und werden ab dem Beginn des neuen Lesejahres die Texte in der Länge der biblischen Verfasser lesen.
Seit Jahrhunderten beeindruckt die Bibel Menschen mit ihren Formulierungen. In der Zeit ihrer Entstehung für jeden verständlich brauchen Leserinnen und Leser von heute eine Übersetzung dieser Texte. Jede Übersetzung ist in gewisser Weise auch eine Deutung der Schrift. Die Einheitsübersetzung ist uns bereits vertraut. Wir wollen bewusst mit Beginn des neuen Kirchenjahres eine andere Übersetzung verwenden, um uns neu von den Texten überraschen zu lassen. Wir haben uns für die Übersetzung der BasisBibel entschieden, die seit Januar 2021 vollständig vorliegt. Die BasisBibel ist die Bibelübersetzung für das 21. Jahrhundert: klare Sprache, kurze Sätze und verständliche Sprache.