Von der Schönheit Gottes Gedanken zu Psalm 19 von Karin Hintersteiner
Joseph Haydn hat in seinem Werk „Die Schöpfung“ Psalm 19 vertont. In „Die Himmel erzählen“ drückt Haydn für mich musikalisch das aus, wovon der Psalm in so unvergleichlicher Weise spricht und wofür Worte einfach nicht ausreichen. Vielleicht hat ihn der Psalmist – der Psalm wird David zugesprochen – auch deshalb „für die musikalische Aufführung“ (v1) bestimmt. Die Musik drückt ein begeistertes Staunen aus, die sich mir erst beim Lesen des Psalms in der Übersetzung der „Bibel in gerechter Sprache“ erschlossen hat. Dieser wunderschöne poetische Text lässt mich seither nicht mehr los.
In der „Bibel in gerechter Sprache“ setzt der Psalm in Vers 2 ein mit: „Die Himmel erzählen von der Schönheit Gottes.“ Um dann fortzusetzen: „Vom Tun seiner Hände kündet das Firmament.“ (v2) Das hebräische Wort „kabod“, das hier mit Schönheit übersetzt wird, wird im Deutschen sonst einhellig mit Herrlichkeit übersetzt. Da aber das Wort „kabod“ auch Glanz, Gewicht oder Schwere (im Sinne von Bedeutsamkeit) bezeichnet, ist im Zusammenhang mit der Schöpfung die Übersetzung gut gewählt. Der Psalm nimmt uns mit hinein in die Schöpfung, und hier vor allem in die Ordnung von Tag und Nacht und den Lauf der Sonne. In immer neuen Wendungen wird ausgedrückt, wie ein – unhörbares – Wort von der Schöpfung bis an die Enden der Erde weitergegeben wird. Es bleibt ein Geheimnis, wie dieses Wort lautet, das ein „Tag dem anderen Tag zusprudelt“ (v3). Unhörbar – und doch bis ans Ende der Welt weitergegeben: Vielleicht lässt sich nur so angemessen von Gott sprechen.
Nach dem Lob der Schöpfung (v2–7) setzt ein Lob auf die Weisungen Gottes für den Menschen (v8–12) ein. Auffallend ist hier, wie das Wort „Tora“ auf vielfältige Weise wiedergegeben wird: von Weisung und Verpflichtung, Anordnung und Gebot oder Urteil ist die Rede. Schön ist auch, dass die „Bibel in gerechter Sprache“ das Tetragramm JHWH, den Namen Gottes, konsequent mit „der Lebendige“ übersetzt. Damit unterstreicht schon der Name Gottes, was die Tora bewirken will. Sie bringt Lebendigkeit zurück und macht weise, sie erfreut das Herz und lässt die Augen leuchten, die Urteile sind gerecht und mehr begehrt wie Gold und Bienenhonig, die für das Wertvollste stehen, das die Welt kennt. Die Tora galt immer als lebensfördernder Mittelpunkt im Leben der Gläubigen. Das wird hier wunderbar ausformuliert. Es geht nicht um Einhaltung von Gesetzen und Geboten um ihrer selbst willen. Sie wollen helfen, dass das von Gott geschenkte Leben zur vollen Entfaltung kommt.
In wenigen Sätzen fängt der Psalmist die Parallelität zwischen Schöpfung und Weisung ein: So wie die ganze Welt von der Schönheit Gottes kündet, so auch die Tora: Sie lässt die Augen leuchten und erfreut das Herz. So wie die Sonne zur zeitlichen Orientierung dient und der Wechsel von Tag und Nacht den Lebensrhythmus vorgibt, so dient die Weisung, die Tora, zur Orientierung in Lebensfragen.
Im dritten Teil (v13–15) steht der/die Betende vor Gott. Zweifel und Ängste werden vor Gott getragen. Es ist ja nicht so, dass im Leben immer alles glatt geht. Erlebe ich nicht jeden Tag, hinter meinen eigenen Ansprüchen zurückzubleiben? Oder – aus welchen Gründen auch immer – schuldig an anderen zu werden? Aus Überheblichkeit nicht auf meine innere Stimme zu hören und damit meine eigene Lebendigkeit und die anderer Menschen einzuschränken? Doch größer als alle Zweifel und Ängste ist das Vertrauen in Gott: Er, dem nichts verborgen bleibt, möge mich von dem Verborgenen freisprechen. „Das Murmeln meines Herzens komme vor dein Angesicht, Lebendiger, mein Fels und mein Erlöser.“ Auch wenn mein Gebet nur ein Murmeln ist, weil meine Worte immer zu klein und zu ungenau sind, sieh mich trotzdem an, dann finde ich Halt und Trost und Freiheit vor dir!
Karin Hintersteiner, Referentin für Bibelpastoral in der Diözese St. Pölten
Dieser Artikel ist erstmals in der Zeitschrift „Dein Wort – Mein Weg“ – Alltägliche Begegnung mit der Bibel in der Ausgabe 1/19 publiziert worden.