Wallfahrt der Völker hin zum Frieden 1. Lesung: Jes 66,18-21| 2. Lesung: Hebr 12,5-7.11-13| Evangelium: Lk 13,22-30
Es gilt ein wenig auszuholen, damit wir die Lesung aus dem Schlusskapitel des Jesaia einordnen können und die Relevanz und Aktualität für unsere Zeit verstehen. Er schließt mit der Vision einer Wallfahrt der Völker nach Jerusalem.
Bereits am Beginn des Jesaia, im zweiten Kapitel wird uns die Vision einer Völkerwallfahrt geschildert (Jes 2,1-5): Viele Völker ziehen nach Jerusalem hinauf. Sie sagen: Wir lassen uns von den Wegen des Herrn unterweisen. Er wird Recht schaffen zwischen den Nationen und – was dann und wann notwendig sein wird – Völker zurechtweisen. Wenn die Völker so unterwegs sind, dann werden sie ihre Schwerter in Pflugscharen um schmieden und ihre Lanzen zu Winzermessern. Es wird kein Krieg mehr sein. Wir wollen im Licht des Herrn gehen.
Wenn die Menschen zum Herrn pilgern, nach Jerusalem, zum Quell des Friedens – in Wort Jerusalem steckt das Wort „Shalom“, Frieden. Wenn Menschen einen gemeinsamen Ort der Anbetung des lebendigen Gottes pflegen und sie sich von seinem Wort führen lassen, dann kann man beginnen, das Kriegsgerät abzuschaffen; aus Schwertern Pflugscharen und aus Lanzen Winzermesser schmieden. Israel ist gerufen, dieser Wallfahrt der Völker voran zu gehen.
Aber es kam anders: Man hat diesem Wort, diesem Licht nicht getraut. Man hat sich auf andere Wahrheiten (Wahrsagerei) eingelassen. Es war verführerisch: Das Land wurde voll von Gold. Es wurde voll von Pferden, d.h. man baute auf militärische Stärke. Das Land wurde voll von Götzen. Man fiel nieder vor dem, was die Finger selbst geschaffen hatten. Der lebendige Gott jedoch, der der Anwalt des Lebens in Würde ist, der für Recht und Gerechtigkeit steht, wurde außer Acht gelassen.
Die Folgen waren bitter. Es folgte die babylonische Gefangenschaft. Israel lernte da auf neue Weise Gott kennen. Er hat sie nicht vergessen. Er war in dieser Krise zugegen und ermöglichte einen Neuanfang. Jerusalem wurde neu aufgebaut. Es wäre hier viel zusagen, was Israel in diesen Jahren der babylonischen Gefangenschaft erfuhr und lernte.
Ich darf jetzt auf das Schlusskapitel des Jesaia zurückkommen. Thema ist: Wie gehen wir jetzt in die Zukunft? Was ist der Weg nach der erlebten Katastrophe? Was wurde gelernt?
Jesaia ist zunächst konfrontiert mit dem Faktum, dass in Jerusalem ein neuer Tempel gebaut werden sollte. Er hält entgegen: Der Himmel ist mein Thron und die Erde der Schemel für meine Füße. Was wäre das für ein Haus, das ihr mir bauen wolltet? Mit anderen Worten: Um bei euch gegenwärtig zu sein, brauche ich keinen Tempel. Kein Tempel vermag meine Herrlichkeit, mein Dasein, meine Größe der Liebe und Zuwendung, meine Geduld, Verlässlichkeit und Treue wiedergeben.
Der Prophet im Auftrag des Herrn weiter: Ich blicke auf den Armen und auf den, der zerschlagenen Geistes ist und der zittert vor meinem Wort. Sucht mich in erster Linie im Antlitz der Armen, der Zerschlagenen und in meinem Wort. Da bin ich eher zu finden als im schönsten und größten Bauwerk.
Ganz am Schluss greift er nochmals das Bild der Wallfahrt aller Völker auf und konfrontiert damit Israel, wie sie nun mit ihren Nachbarvölkern auf dem Weg sein wollen? Er hat keine fromme Einzelaktion vor Augen. Es sei ein gemeinsames Pilgern mit allen Völkern durch die Zeit. Für das II. Vatikanische Konzil ist es zum Bild geworden: Die Kirche als pilgerndes Volk Gottes.
Die Vision des Jesaia enthält Themen, die beachtenswert sind: Er hält zunächst fest, dass der Herr die Taten und Gedanken aller Nationen und Sprachen kennt, sie sammelt und sie werden seine Herrlichkeit sehen (Jes 66,18). Er kennt die Taten und Gedanken der Völker und weiß auch darum, dass sie sich sammeln lassen und vermögen, seine Herrlichkeit zu sehen. Die Frage, die sich stellt: Was trauen wir Fremden, Migranten, Asylsuchenden und Andersgläubigen zu? Wallfahrt heißt, man ist auf dem Weg. Einzelne beginnen Aspekte dieser Herrlichkeit Gottes auch aus den anderen Völkern zu schätzen, d.h. wir dürfen darunter für uns wichtige Errungenschaften verstehen, wie: die Menschenrechte, Gleichberechtigung, Nächstenliebe bis hin zur Feindesliebe …
In der Vision heißt es weiter: Der Herr sendet einzelne aus in entlegene Gebiete und ferne Inseln, damit sie die Herrlichkeit Gottes künden. Die Herrlichkeit Gottes: der freie, aufrechte Mensch; ein Leben in Gerechtigkeit und Würde; ein Zusammenleben in Solidarität und Achtung; ein Leben in Dankbarkeit, Freude und Frieden. Künden ist einerseits das Verankert Sein im Herrn, der mit uns solches plant und andererseits ist es die Arbeit daran. Es ist politische, gesellschaftliche, kulturelle und auch religiöse Arbeit. In Jesaia ist das Künden in diesem umfassenden Sinn zu verstehen.
Heute die Herrlichkeit Gottes künden. Ich meine, dass wir als Kirche teilweise weit davon entfernt sind. Ich schließe mich mit ein. Es geht uns zu sehr um uns selbst und zu wenig um jene Menschen, die von Armut, Ungerechtigkeiten oder Not betroffen sind. Auch unser Umgang mit den Veränderungen wirkt eigenartig, wenig professionell und beispielgebend, zu sehr stehen etwa persönliche Befindlichkeiten im Vordergrund.
Die Vision des Propheten Jesaia hat als Anliegen einen gemeinsamen Weg der Völker in Frieden. Man kann einen Weg einschlagen, auf dem man möglichst viel Gold – sprich: Kapital – ins Land holt. Nicht zuletzt verdanken wir unseren Wohlstand in unserem Raum den Waffenexporten. Um den Bodensee gibt es 42 Rüstungsbetriebe. Dass diese Waffen auch einmal gegen uns gerichtet sein können, ist bislang kaum Thema. Dass es für manche Länder Armut bedeutet und der Aushebelung von Menschenrechten dient, möge uns auch klar sein. Wie pilgern wir mit den Völkern durch die Zeit? Manche Länder setzen wieder auf starke Pferde, füllen die Länder mit Atomwaffen.
Ehrlich gesagt: Ich bin froh, dass sich auch anderes entwickelt, Dinge, die im Sinne einer Völkerwallfahrt sind: Es gibt viele junge Menschen, die in aller Welt und an vielen Brennpunkten ein Sozialjahr oder ihren Zivildienst absolvieren. Es gibt viele junge Menschen, die in fremde Länder gehen, um Menschen kennen zu lernen, um mit ihnen zu studieren, um gemeinsame Projekte zu entwickeln. Es sind Formen des gemeinsamen Pilgerns. Spirituell mag es noch Luft nach oben haben, aber es verdient gewürdigt zu werden.
Der Prophet Jesaia spricht im Namen des Herrn: Auch aus den fremden Völkern werde ich Priester und Leviten auswählen. Es geht nicht um Bekehrungen, sondern um Menschen, die in den verschieden Völkern, Kulturen und Religionen eine wahre und aufrichtige Gottverbundenheit leben und das Gemeinsame über das Trennende stellen. Priester und Leviten, die in ihren Reihen dem religiösen Extremismus entgegen treten.
Amen.