Spurensuche des Glaubens 1. Lesung: Ijob 7,1-4.6-7 | 2. Lesung: 1 Kor 9,16-19.22-23 | Evangelium: Mk 1,29-39
Der Evangelist Mk gibt gleich am Beginn des Evangeliums Einblick in den Tagesablauf Jesu, Einblick in sein Wirken. Er wendet sich seinem Vater zu, er wendet sich den Menschen zu. Er betet, heilt und lehrt. Er ist auf dem Weg, hält sich in Häusern auf, nimmt sich Zeit für Kranke, sucht aber auch die Stille und Einsamkeit. Er redet, legt Hände auf. Er erfüllt aber keineswegs alle Wünsche. Den Dämonen, die ihn zu kennen meinen, gebietet er zu schweigen. Lasst uns anderswohin gehen, sagt er zu jenen, die ihn bereits suchen.
Einigen Details dieser Vielfalt möchte ich mich widmen:
Jesus ist auf dem Weg, nicht um den Menschen den Glauben zu bringen, er ist auf dem Weg, um Menschen zu helfen ihren Glauben zu entdecken. Er hat ihren Glauben entdeckt. Wie oft hören wir aus seinem Mund: Dein Glaube hat dir geholfen. Jesus hört aufmerksam zu. Er wendet sich aufmerksam, achtsam Menschen zu.
Es ist ein anderer Blickwinkel: Nicht ich bringe die Ermutigung, den Trost, das Evangelium, sondern es ist im anderen und in mir schon da. Ich brauche es ihm oder ihr weder einhämmern noch eintrichtern. Denn es ist immer schon da. Aber ich habe mein Gehör zu üben, meinen Blick zu schärfen, mein Gespür zu pflegen für die Regungen des Glaubens im anderen und in mir selber: „Ich glaube, hilf meinem Unglauben.“ Oder Bischof Hemmerle hat einmal formuliert: „Lass mich dich lernen, dein Denken und Sprechen, dein Fragen und Dasein, damit ich daran die Botschaft neu lernen kann, die ich dir zu überliefern habe“ (Klaus Hemmerle, Spielräume Gottes und der Menschen, 329.) Der Glaube ist auf ein Visasvis angewiesen. Er braucht den Dialog, das Gespräch, die Auseinandersetzung. Wenn wir uns nochmals den Tag Jesu vor Augen halten, dann entdecken wir, wie Jesus in seinem vielfältigen Tun mit den Menschen den Glauben lernte, suchte und entdeckte.
Jesus ist in Galiläa unterwegs. Damals galt Galiläa als Missionsland. Bei Jesus haben wir den Eindruck, dass er viel Glauben entdeckt und dadurch viel Heilsames geschehen kann.
Liebe Gläubige, es ist Verkündigung heute, den Menschen helfen ihren Glauben zu entdecken, mit ihnen den Glauben zu suchen und zu feiern. Es fehlt nicht an der Zuwendung Gottes. Sie ist allgegenwärtig. Aber es gilt das Gehör zu üben, den Blick zu schärfen, das Gespür zu pflegen für die Regungen des Glaubens im anderen und in mir. Jene Stimmen, die sagen, es fehle an Glauben, die darf man zum Schweigen bringen.
Es gilt das Gehör zu üben, den Blick zu schärfen, das Gespür zu pflegen für die Regungen des Glaubens in den Veränderungen, in den wir heute als Gesellschaft und Kirche stehen. Es ist immer Grundvoraussetzung: Hätte Gott etwas nicht gewollt, dann wäre dasjenige nicht so, wie es ist. Der Glaube mutet uns die Schulung zu, in den Veränderungen die Spuren der Zuwendung Gottes zu sehen und zu lesen.
Vielleicht wird aus dieser Perspektive deutlicher, warum Jesus jenen dämonischen Mächten und Kräften zu schweigen auftrug, die vorgaben zu wissen, wer ER sei? Es ist dämonisch, wenn jemand meint, die ganze Wahrheit zu kennen; genau zu wissen, wer Gott, wer Jesus ist; zu wissen meint, was Gott erwartet und was andere zu tun oder zu glauben haben. Es ist dämonisch, wenn jemand den Glauben als Besitz ansieht, als Berechtigung sich über andere zu erheben. Es ist dämonisch, wenn jemand unter dem Vorwand des wahren Glaubens, den Dialog verweigert oder sich nicht der Dynamik des Glaubens stellt, nicht wahrhaben will, dass der Glaube dem Gesetz der Veränderung und des Wachsens unterliegt. Diesen dämonischen Stimmen hat Jesus das Schweigen geboten. Im Tod ist das Leben. Es darf oder muss manches sterben, damit Gott neu entdeckt werden kann.
Ein weiterer Aspekt verdient Beachtung: Als Simon und seine Begleiter zu Jesus kommen, sagen sie: Alle suchen dich. Die Reaktion Jesu ist doch etwas überraschend, weil es doch sehr erfolgversprechend erscheint, wenn ihn doch alle suchen. Er antwortet: Lasst uns anderswohin gehen, in die benachbarten Dörfer, damit ich auch dort predige; denn dazu bin ich gekommen.
Jesus kommt ihrem Wunsch nicht nach. Es genügt ihm, dass sie Suchende, zu Jesus-Suchenden geworden sind. Es ist als Priester tröstlich zu wissen, selbst Jesus kam nicht allen pastoralen Wünschen der Menschen nach, tröstlich zu wissen gerade auch in dieser Zeit der Veränderung, in der viele den Eindruck haben, sie bleiben vieles schuldig. Jesus hatte für sich Ziele und Schwerpunkte. Sein Ziel war die Verkündigung des Reiches Gottes an die Bedrängten, Kranken, Leidenden in allen Dörfern. Er hat es sich nicht bequem gemacht, sich kein behütetes Nest in Kafarnaum geschaffen.
Was bedeutet dieses Verhalten Jesu auch für eine Pfarrgemeinde, für Bewegungen oder Gruppen? Ich kann mir schwer vorstellen, dass es im Sinne Jesu wäre, wenn eine Gemeinde oder Gruppe nur das Eigene im Blick hätte, ohne die Fragen zu stellen: Was ist der Beitrag, dass auch in der Umgebung das Reich Gottes verkündet wird, dass die Menschen auch da zu Suchenden, zu Jesus-Suchenden werden. Es ist eine Antwort Jesu: Lasst uns anderswohin gehen, damit ich auch dort predige. Eine Gemeinde oder Gruppe, die nur das Eigene im Blick hätte, verliert die Spur Jesu.
Um die Spuren Gottes zu entdecken, kann eine Hilfe sein, sich einmal bewusst zu werden, was an einem Tag so alles geschieht, das nicht selbstverständlich ist und dafür zu danken. Angefangen vom Dach über dem Kopf, bis hin zu den funktionierenden Körperfunktionen und weiter zum entgegengebrachten Vertrauen vieler Menschen bis hin zu den vielen Diensten, die es gibt, damit das Miteinander möglich ist. In allem zeigt sich dem Glaubenden Gottes Zuwendung.