Frauenschicksale 1. Lesung: Offb 11,19a;12,1-6a.10ab|2. Lesung: 1 Kor 15,20-27a|Evangelium: Lk 1,39-56
Im heutigen Evangelium begegnen sich zwei Frauen, deren Leben außerhalb traditioneller gesellschaftlicher Normen verläuft. Einerseits Elisabet, die zeitlebens auf einen Sohn gehofft hat. Der Sohn stand in der damaligen Gesellschaft für Absicherung im Alter und war Stammhalter. Er war für eine Mutter Voraussetzung gesellschaftlicher Anerkennung und Zeichen rechten Gottglaubens. Andererseits Maria, eine blutjunge Frau. Sie wird damit konfrontiert, dass sie womöglich als ledige Alleinerzieherin endet, was damals bedeutete, dass man von der Gemeinschaft und der Familie verstoßen leben musste. Elisabet und Maria, zwei Frauen am Rand der Gesellschaft, werden Geschichte schreibende Frauengestalten.
Der Evangelist Lukas beginnt seine Erzählung über die Menschwerdung Gottes mit der Verkündigung der Geburt des Johannes. Dem Zacharias erschien im Tempel ein Engel und dieser schilderte ihm den Sendungsauftrag seines Sohnes. Zacharias hätte gerne ein Erkennungszeichen, man könnte sagen einen Beweis. Er kann oder will den Worten des Engels Gabriel nicht so einfach trauen.
Maria lebt bis zum Erscheinen des Engels ein ganz gewöhnliches jüdisches Leben. Sie ist verlobt. Damit ist ihr Leben vorgezeichnet und abgesichert. Während der Engel dem Zacharchias ein großes Geschenk, nämlich Erlösung von der Schmach, verkündet und dieser daran zweifelt; wird Maria beim Besuch des Engels durchaus bewusst gewesen sein, dass die Geburt eines ledigen Kindes den gesellschaftlichen Abstieg fast bis ins Bodenlose mit sich bringen kann. Elisabet und Zacharias werden von der Schmach unter den Menschen befreit und Maria mit solcher Schmach beladen. Sie fragt nicht nach einem Zeichen, sondern reagiert sofort konstruktiver. Sie fragt nach dem „Wie“ der Zusammenarbeit mit Gott. Daraufhin erklärt ihr der Engel das Wie und liefert ein Beispiel des Wirken Gottes – die Schwangerschaft der Elisabet. Wir kennen die Motivation Marias für den Besuch bei Elisabet nicht; sie eilte jedenfalls zu ihr: vielleicht wollte sie sich doch vergewissern, ob die Verkündigung des Engels stimmte; oder wollte sich Rat holen; die Erlebnisse der Schwangerschaft und die Sorge vor der Geburt teilen; Elisabet beistehen oder einfach nur von zu Hause weglaufen, vielleicht wollte sie aber auch sehen wie Gott Unmögliches möglich macht – wir wissen es nicht.
Als Maria erkannte, dass Elisabet schwanger war und diese sie auch noch ganz im Sinne der Engelsworte begrüßte, bricht es aus ihr heraus. Nach der Zusage an den Engel: „mir geschehe, wie du gesagt hast“ stimmt sie nun trotz ihrer noch immer aussichtslosen Situation einen Lobpreis Gottes an, der überschwänglicher nicht sein konnte. Sie erkennt trotz ihrer elendiglichen Situation das Wirken Gottes und vertraut darauf. Einen ähnlichen Lobpreis hat im Ersten Testament eine Frau Namens Hanna angestimmt, nachdem sie in hohem Alter ihren Sohn Samuel geboren hatte. Maria lobt also diesen einen Gott, der in und mit seinem Volk Israel wirkt. Maria erkennt, dass dieser Gott mit jedem Menschen Großes vorhat und in jedem Menschenleben Großartiges tun kann, egal wie verfahren die Situation ist.
Sie bestätigt nochmals ihre Zusage und wird zur ersten Verkündigerin der frohen Botschaft im Zweiten Testament. Gott und sie sind sich einig, wie sie das Kind erziehen wollen, er soll einmal im Sinne dieses Lopreises in der Bergpredigt verkündigen, dass die Armen und Kleinen, die Trauernden und Verfolgten selig sind – er soll zum Retter werden, zum Erlöser aller Menschen am Rande.
Heute feiern wir die leibliche Himmelfahrt dieser Partnerin Gottes. Mit der Frage was Leib und Auferstehung zu bedeuten haben beschäftigt sich Paulus in seinem Brief an die Korinther sehr ausführlich. Die heutige Lesung ist einem langen Text entnommen. Paulus versucht auszulegen, dass es nicht um unseren rein irdischen Körper geht. Unter Leib versteht man die Einheit von Körper, Seele und Geist, das was mich als Menschen ausmacht.
Die Kirche kennt bei Jesus und Maria die Himmelfahrt. Diese beiden Leben zeichnen sich durch den Gleichklang mit Gott aus. Beide stellen ihr Leben ganz dem Wirken Gottes zur Verfügung. Ihre irdische Lebensführung entspricht dem Wort Gottes. Sie zeichnet sich durch einen Zusammenklang von Körper, Seele und Geist Gottes aus. Unser Leben mit unseren Brüchen, Fehlern, Gelungenem und Unvollendetem bedarf noch der Verwandlung (1 Kor 15,51). Unser Körper stirbt und bedarf zur Auferweckung des Leibes der Barmherzigkeit Gottes. Bei Lebendigmachung nach dem Tod gibt es laut Paulus „eine bestimmte Reihenfolge: Erster ist Christus; dann folgen, wenn Christus kommt, alle, die zu ihm gehören“. Der Kirche war es wichtig deutlich zu machen, dass dies zuallererst die Mutter Jesu ist und für diese einfache junge Frau aus einfachen Verhältnissen das gleiche gilt wie für ihren Sohn – sie sind Inbegriff eines gottgefälligen Lebens.
Der heutige Feiertag will uns Maria als Vorbild dieser Einheit von Körper, Seele, Geist Gottes näher bringen. Die Heilige Schrift will uns im Wechselspiel der Schilderungen über Zacharias und Maria verdeutlichen, dass Gott in jedes erdenkliche Leben auf ganz unterschiedliche Weise einbrechen kann: Im Tempel oder zu Hause. Bei alt und jung. Als lang ersehnte Erlösung oder als Auftrag. Bei Mann und Frau. Bei Verheirateten und Alleinstehenden. Beim Tempeldiener oder bei der Laiin. Der Unterschied zwischen der Auferstehung der Toten als endzeitliche Neuschöpfung ( 1 Kor 15,34) und der Himmelfahrt Marias liegt darin, dass Zacharias zaudert, einen Beweis haben möchte und eben nur unter Vorbehalten dem Wirken Gottes traut und vertraut, Maria aber vorbehaltlos ja sagt und den Auftrag Gottes ganz praktisch, aber auch inhaltlich austrägt.
Wenn Sie den Text der 1. Lesung aus der Offenbarung des Johannes anhören möchten:
Wenn Sie den Text der 2. Lesung aus dem Brief des Apostel Paulus an die Gemeinde in Korínth anhören möchten:
Wenn Sie den Text aus dem heiligen Evangelium nach Lukas anhören möchten:
Ein Kommentar zu “Frauenschicksale 1. Lesung: Offb 11,19a;12,1-6a.10ab|2. Lesung: 1 Kor 15,20-27a|Evangelium: Lk 1,39-56”
Durch „Zufall“ begegnete mir dieser Tage ein Gebets-Gedicht von Gertrud von le Fort (1876-1971).
Schreibstil und katholisches Frauenbild passen zwar nur bedingt in unsere Zeit, aber die tiefe Frömmigkeit finde ich im Hinblick auf die Bibelstelle ansprechend:
„Lass unser Leben, o Mutter mein,
Weg übers Gebirge nach Hebron sein.
Dienen und Lieben und Schweigen wie du,
den Herrn im Herzen in Arbeit und Ruh.
Als Magd des Herrn zur Hilfe bereit,
dünkt auch die Straße uns schwer und weit.“