Das Werk seiner Hände 1. Lesung: Jes 63,16b-17.19b; 64,3-7| 2. Lesung: 1 Kor 1,3-9| Evangelium: Mk 13,24-37
„Mit dir gehe ich alle meine Wege“ – das Lied gedichtet und komponiert von Kathi Stimmer-Salzeder, begleitet uns in Hard als Motto durch den Advent. Wir feiern den Beginn eines neuen Kirchenjahres. Das Lied und die biblischen Texte weisen auf Haltungen hin, die für den Übergang sehr hilfreich sein können:
Es beginnt ein neues Kirchenjahr. Wenn wir im Evangelium von Jesus die mehrmalige Aufforderung hören, seid wachsam, bzw. seid wach, dann gilt es solche Übergänge bewusst zu begehen. Wir befinden uns in größeren Wandlungs- und Veränderungsprozessen. Man kann nicht davon ausgehen, dass es im kommenden Jahr wie im vergangenen sein wird. Es wird Überraschungen geben, die uns erfreuen. Es können Ereignisse eintreten, die uns noch mehr als bisher fordern.
Es gibt dunkle Wolken über der Wirtschaft. Für einen Teil der Bevölkerung wird es finanziell knapper werden. Die Kriege kosten Geld, viel Geld. Das Thema der Erderwärmung mit allen ihren Begleiterscheinungen – Katastrophen, Proteste –wird bleiben. Vorbehalte gegen Menschengruppen und Religionen werden verstärkt an die Oberfläche kommen. Nicht zu unterschätzen ist die Macht der sozialen Netzwerke. Sie bewirken viel Positives. Sie bergen aber auch die Gefahr der Hatz, der Manipulation, beeinflussen Wahlen und Abstimmungen, können Menschen unter großen Druck setzen.
Die großen Kirchen werden weiter mit dem Vertrauensverlust zu kämpfen haben. Sie verlieren an Bedeutung. Und wir wissen, dass im Laufe eines Jahres so viel Unerwartetes und Überraschendes passieren kann, das uns heute einfach noch nicht bekannt ist. Was ebenso zu denken gibt: Es nehmen die Begegnungen zu, in denen Menschen Thesen und Theorien vertreten, die völlig absurd sind. Es ist eine Frage: Wer hat die Wahrheit?
Ist da nicht Angst angebracht? Angst vor dem Kommenden?
Es lohnt sich, einen Blick auf den Propheten Jesaja zu werfen, der mit ähnlichen Fragen konfrontiert ist. Das Volk Israel ist zerstreut. Es darf zwar wieder in die alte Heimat zurückkehren, aber es gibt praktisch kein Volk mehr. Jerusalem liegt in Trümmern. Es fehlt dem Volk an Identität, Perspektive und Hoffnung.
Der Prophet geht zunächst einmal mit Gott ins Gericht: Warum lässt du uns, Herr, von deinen Wegen abirren und machst unser Herz hart, sodass wir dich nicht fürchten? Der Vorwurf: Weshalb hast du das zugelassen: die Abwege des Volkes? Die harten Herzen?
Er schließt dann die Bitte an: Kehre zurück – Gott – um deiner Knechte willen. Er ergänzt mit einem starken Bild: „Hättest du doch den Himmel zerrissen und wärest herabgestiegen, sodass die Berge vor dir erzittern“. Etwas frei übersetzt: Gott, du bist so harmlos geblieben, dass du vergessen wurdest. Niemand erzittert vor dir. Manchmal würden sich Prediger*innen wünschen, dass die Menschen vor Gott erzittern.
Jesaja ringt mit Gott und macht ihn teilweise mitverantwortlich für die Situation, in der sich das Volk befindet. Er hält zwar fest, dass sie wie Unreine, Ungläubige geworden, wie Laub verwelkt ohne Leben sind, und die Schuld sie wie der Wind fortträgt, aber er sieht in den Menschen alles andere als hoffnungslose Fälle.
Es folgt ein Gedanke, den es eingehender zu beleuchten gilt. Jesaja hält fest: „Doch nun, Herr, du bist unser Vater. Wir sind der Ton und du bist unser Töpfer, wir alles sind das Werk deiner Hände“.
Jesaja trägt den Menschen auf, sich in die Hand Gottes zu begeben. Er ist der Töpfer, nicht wir. Sich in die Hand Gottes zu begeben, hat viel mit Loslassen zu tun. Bei Abraham ist die Grundgestalt des Glaubens das Loslassen, nicht etwa Gott für wahr oder existent halten. Zieh weg aus deinem Vaterhaus, aus deiner Verwandtschaft, aus deinem Vaterland …(Gen 12,1-5). Die Zusage, dass Gott die Wege mitgeht, hilft uns loszulassen. Zugleich werden wir erfahren, dass im Loslassen seine Macht und Kraft zu wirken beginnt.
Wie kann dieses Loslassen heute in all den Herausforderungen ansatzweise verstanden werden?
Es bedarf des Loslassens des Gedankens, dass die Lösungen schnell erfolgen werden und dass alle mittun. Es genügt, wenn ich das mir mögliche tue.
Auch was die Kirche angeht, braucht es ein Loslassen. Loslassen die Bilder von Kirche wie sie vor der Corona-Pandemie, vor zwanzig, dreißig oder vierzig Jahren bestanden hat. Sie wird eine andere. Sie bekommt andere Aufgaben und eine neue Sendung. Auch wenn niemand das Wie genau kennt, sie hat eine Zukunft.
Gott ist der Töpfer. Wir sind nicht in der Rolle des Machens oder der Macher. Gott ist der Töpfer. Nicht wir haben Gott zu formen, sondern Gott formt uns. ER gibt uns Gestalt. Sich formen lassen vom Wort Gottes, vom Geist des Evangeliums. Der Geist Gottes richtet auf, schenkt Rückgrat und ist voll Hoffnung.
Sich formen lassen von den Nöten, die es um uns herumgibt. Sie sind ein Ruf Gottes. Sich formen lassen auch von den Grenzen und Begrenzungen, die wir erleben. Sich formen lassen vom Vertrauen, dass Gott die Wege mitgeht, die wir noch nicht kennen und deren Ausgang offen ist.
Gott ist der Töpfer. Er ist nicht nur mein Töpfer, er ist auch der Töpfer der Mitmenschen. Ich darf loslassen, dass ich andere erziehen oder gar umerziehen müsste. Vermutlich ist die wohlwollende Bitte an Gott, er möge die Mitmenschen „töpfern“ weit dienlicher.
Wenn Sie den Text der 1. Lesung aus dem Buch Jesája anhören möchten:
Wenn Sie den Text der 2. Lesung aus dem Brief des Apostels Paulus an die Gemeinde in Korínth anhören möchten:
Wenn Sie den Text aus dem heiligen Evangelium nach Markus anhören möchten:
In unseren Gedanken zu den Texten der Sonntage haben wir schon öfter auf die Problematik von Textauslassungen hingewiesen. Wir wollen einen Versuch starten und werden ab dem Beginn des neuen Lesejahres die Texte in der Länge der biblischen Verfasser lesen.
Seit Jahrhunderten beeindruckt die Bibel Menschen mit ihren Formulierungen. In der Zeit ihrer Entstehung für jeden verständlich brauchen Leserinnen und Leser von heute eine Übersetzung dieser Texte. Jede Übersetzung ist in gewisser Weise auch eine Deutung der Schrift. Die Einheitsübersetzung ist uns bereits vertraut. Wir wollen bewusst mit Beginn des neuen Kirchenjahres eine andere Übersetzung verwenden, um uns neu von den Texten überraschen zu lassen. Wir haben uns für die Übersetzung der BasisBibel entschieden, die seit Januar 2021 vollständig vorliegt. Die BasisBibel ist die Bibelübersetzung für das 21. Jahrhundert: klare Sprache, kurze Sätze und verständliche Sprache.