Höre Israel 1.Lesung: Dtn 6,2-6| 2.Lesung: Hebr 7,23-28| Evangelium: Mk 12,28b-34
Als Evangelium haben wir heute das jüdische Glaubensbekenntnis gehört. Jesus ergänzt es mit dem Gebot der Nächstenliebe: Du sollst deinen Nächsten lieben wie dich selbst. Letzteres bildet die Mitte der Tora, der fünf Bücher Mose. Jesus steht voll und ganz in der jüdischen Tradition.
Ich widme mich heute den ersten beiden Worten des Bekenntnisses: „Höre Israel!“
Mit „Höre Israel“ beginnt das jüdische Glaubensbekenntnis, nicht wie bei uns mit: „Ich glaube“. Der Glaube Jesu ist von diesen Worten geprägt: „Höre Israel!“ Viele der Christen verbinden mit Glauben etwas für wahr halten oder die Vorstellung haben, dass Gott ein höheres Wesen ist. Das Judentum und damit auch Jesus verbindet zunächst mit Glauben ein Hören. Glaube wächst aus dem Hören. Der Hl. Benedikt, der Begründer der Ordenstradition, beginnt seine Ordensregel mit den Worten: Kultiviere das Hören.
Kultiviere das Hören: das Hören auf Gott, auf die Mitmenschen, auf die Vorgänge um dich herum, auf dich und dein Gewissen. In diesem Hören wächst der Glaube.
Kultiviere das Hören auf Gott! Gott begegnet uns in der Schrift, im Gebet, im Gottesdienst. Er spricht allerdings auch zu uns durch die täglichen Erfahrungen, durch die Freuden und das Glück, aber auch durch die Herausforderungen des Lebens: durch Krankheiten, Enttäuschungen, Niederlagen, Rückschläge …In all dem spricht er zu uns. Glaubende sehen in den Ereignissen keine Zufälle, sondern in den Ereignissen fällt uns von Gott etwas zu. Im Hören können wir seine Absichten erkennen. Manchmal kann dieses Hören ein jahrelanger Prozess sein.
Gott spricht auch durch Not zu uns. Viele der Berufungserzählungen der Bibel stehen in Verbindung mit einer Notsituation. Die Berufung des Abraham folgt auf die Turmbauerzählung zu Babel. Es fehlt eine gemeinsame Sprache. Das Volk ist zerstreut. Gott ruft Abraham, um mit ihm eine neue Geschichte zu beginnen. Oder bei Moses: Die Notschreie des Volkes sind an das Ohr Gottes gelangt. Er ruft Mose, um der Not eine Wende zu geben. Die Not als ein Ruf Gottes, dazu gehört auch die Not von Tieren, oder die Not der Schöpfung. Menschen hören den Ruf (Gottes).
Kultiviere das Hören in Bezug auf Mitmenschen. Für Glaubende gilt: Durch jeden Menschen spricht Gott. Jede und jeder ist Ebenbild Gottes. Es sind oft gerade jene Menschen, mit denen man Mühe hat, die uns am meisten über Versöhntes und Unversöhntes uns selbst spiegeln.
Das Hören kultivieren, weil der Glaube darauf angewiesen ist. Es ist bekannt, dass allein ein gutes Hinhören schon viel eines Konfliktes lösen kann. Gutes Hinhören schafft Vertrauen. Es ist ein anderes Wort für Glauben.
„Höre Israel“, so heißt es. Zu beachten ist, dass mit Israel nicht der gegenwärtige Staat zu verstehen ist. Es erinnert vielmehr an die Geschichte des Jakob. Aus dem Jakob – „Fersenhalter“ – wird im nächtlichen Kampf am Jabok Israel – ein „Gottesstreiter“, eine „Gottesstreiterin“.
Höre Israel! Dieses Hören ist kein geduldiges Hinnehmen aller Geschehnisse, kein passives Verhalten oder Erleiden. Das Hören ist vor allem ein Ringen, Hadern und Kämpfen mit Gott. Von Jakob heißt es, dass er Gott nicht losließ, bis er ihn segnete. Gott im Ringen mit dem Leben und am Leben nicht loslassen, bis Segen erwächst, beziehungsweise bis man jemandem gut sein kann.
Höre Israel! Papst Franziskus will diesem Hören in der Kirche ein neues Gewicht geben. Im Oktober erfolgte im Vatikan eine weitere Sitzung im Rahmen des Synodalen Prozesses. Es geht ihm um eine neue Kultur des Dialoges, des Hörens und Redens in der Kirche und darüber hinaus.
Wir haben heute eine Masse an Informationen, die Menschen zur Verfügung stehen. Die Fragen: Was ist wichtig? Was ist wahr? Wir haben die KI – künstliche Intelligenz, die noch mehr fragen lassen: Was ist echt und wahr? Auf Grund der sozialen Medien schwinden außerdem die sozialen Kontakte. Es sind Gründe dem Dialog neues Gewicht zu geben. Die Menschlichkeit ist angewiesen auf das Hören und dem miteinander Reden.
Mit dem synodalen Prozess will der Papst ein neues miteinander auf dem Weg sein begründen, um kommende Herausforderungen und Entscheidungen möglichst breit und gut zu lösen.
Wenn Sie den Text der 1. Lesung aus dem Buch Deuteronómium anhören möchten:
Wenn Sie den Text der 2. Lesung aus dem Hebräerbrief anhören möchten:
Wenn Sie den Text aus dem heiligen Evangelium nach Markus anhören möchten:
In unseren Gedanken zu den Texten der Sonntage haben wir schon öfter auf die Problematik von Textauslassungen hingewiesen. Wir wollen einen Versuch starten und werden ab dem Beginn des neuen Lesejahres die Texte in der Länge der biblischen Verfasser lesen.
Seit Jahrhunderten beeindruckt die Bibel Menschen mit ihren Formulierungen. In der Zeit ihrer Entstehung für jeden verständlich brauchen Leserinnen und Leser von heute eine Übersetzung dieser Texte. Jede Übersetzung ist in gewisser Weise auch eine Deutung der Schrift. Die Einheitsübersetzung ist uns bereits vertraut. Wir wollen bewusst mit Beginn des neuen Kirchenjahres eine andere Übersetzung verwenden, um uns neu von den Texten überraschen zu lassen. Wir haben uns für die Übersetzung der BasisBibel entschieden, die seit Januar 2021 vollständig vorliegt. Die BasisBibel ist die Bibelübersetzung für das 21. Jahrhundert: klare Sprache, kurze Sätze und verständliche Sprache.
2 Kommentare zu “Höre Israel 1.Lesung: Dtn 6,2-6| 2.Lesung: Hebr 7,23-28| Evangelium: Mk 12,28b-34”
Ein Danke und eine Anmerkung!
Zu diesen tiefschürfenden Ausführungen passt, was Soren Kierkegaard (1813-1855), dänischer Philosoph und ev. Theologe, von sich sagt:
“Als mein Gebet immer andächtiger und innerlicher wurde, da hatte ich immer weniger und weniger zu sagen. Zuletzt wurde ich ganz still.
Ich wurde still, ja, und was womöglich ein größerer Gegensatz zum Reden ist, ich wurde ein Hörender.
Erst meinte ich, beten sei reden.
Ich lernte, dass beten nicht bloß ist schweigen, sondern hören.
Und so ist es: Beten heißt nicht, sich selber reden hören.
Beten heißt, stille werden und stille sein und harren, bis der Betende Gott hört.“
Welchen Sender höre ich?
Vor ein paar Wochen war ich gerade mit meiner Frau auf einer Urlaubsreise nach Kroatien. Im Bus saßen 3 Personen in unserer Nähe, jeder davon hatte ein Smartphone in der Hand. Wichtig für die Menschen waren die Weltnachrichten, Sportnachrichten, Aktienwerte usw.. Nebenbei hörte ich, dass alle Drei wegen einem Burnout frühzeitig in Ruhestand gingen. Ich dachte für mich, wenn die
KJ
über die Menschen bestimmt führt es zu einer Reizüberflutung und kann krank machen.
Meine Frau und ich haben jeweils nur ein einfaches Handy und leben mehr mit den Mitmenschen und der Natur.
Wir danken Gott, dass er uns seine Liebe geschenkt hat und wir uns dadurch selber lieben können und unseren Nachbarn unsere Liebe weitergeben können.
Gesegnete Grüße