Gott steht für Wahrheit 1.Lesung: Am 8,4-7| 2.Lesung: 1 Tim 2,1-8| Evangelium: Lk 16,1-13
Der Brief an Timotheus wurde gegen Ende des ersten Jahrhunderts verfasst. Es ist erkennbar, dass sich die Situation und die Herausforderungen in der wachsenden christlichen Gemeinde inzwischen verändert haben. Der Brief an Timotheus greift Themen auf, die für Christen bis heute an Aktualität nichts eingebüßt haben.
Die ersten Briefe des Paulus sind von der Naherwartung des Auferstanden bestimmt, vom baldigen Wiederkommen des Auferstandenen Jesus Christus, der sein Reich aufrichten und sein Volk retten wird. Es ist eine Hoffnung, die sich nicht in der erwarteten Form entwickelte oder erfüllte. Der Brief an die Timotheus zeugt von einer anderen Hoffnung. Sie erhält eine Neuausrichtung. Sie lautet: „Es ist recht und wohlgefällig vor Gott, unserem Retter; er will, dass alle Menschen gerettet werden und zur Erkenntnis der Wahrheit gelangen“ (1 Tim 2,3-4).
Die Rettung aller Menschen und dass alle zur Erkenntnis der Wahrheit gelangen. Diese Glaubensperspektive und Hoffnung wachsen gegen Ende des ersten Jahrhunderts und dies nicht auf dem Hintergrund, dass das Bekenntnis zum christlichen Glauben leichter und einfacher geworden wäre, im Gegenteil, sie – die Christen – erleben steigenden Druck, Ausgrenzung, Benachteiligungen bis hin zu der Gefahr des Martyriums.
Die Rettung aller Menschen und dass alle zur Erkenntnis der Wahrheit gelangen. Darauf folgt eine Feststellung, die es zu beachten gilt: „Einer ist Gott, Einer auch Mittler zwischen Gott und Menschen: der Mensch Jesus, der sich als Lösegeld hingegeben hat für alle“ (1 Tim 2,5-6).
Einer ist Gott. Es relativiert alle, die sich als größere, kleinere oder Halbgötter hochloben lassen. Alle Autoritäten, die sich weder kritisieren noch hinterfragen lassen, nehmen die Rolle eines Gottes oder Götzen ein; auch alle, die meinen, sie müssen es mit der Wahrheit nicht ernst nehmen, die Zusagen oder Versprechungen geben, selbst dann, wenn sie sie nicht halten können oder müssen. Auch alle, die wegen des eigenen Machterhaltens Menschen, Gruppen und Kulturen gegeneinander ausspielen und dabei jegliche Gewalt in Kauf nehmen.
Einer ist Gott. Er – Gott – steht für die Wahrheit. Kein Mensch kann für sich in Anspruch nehmen, die ganze Wahrheit zu besitzen. Sie ist sein Geschenk an die Gemeinschaft. Sie wächst in der Gemeinschaft, im Dialog, im Austausch, im aufeinander Hören und miteinander reden. ER will, dass alle Menschen zur Erkenntnis der Wahrheit gelangen. Der „Synodale Prozess“, den Papst Franziskus angeregt hat und von Papst Leo weitergeführt wird, steht in der Tradition der werdenden Kirche.
Die Rettung aller Menschen richtet sich gegen Tendenzen der Abschottung und Ausgrenzung. Auf dem Hintergrund des Lukasevangeliums gilt es vor allem dem „Verlorenen“ (Vgl. Lk 15,4.8.24) nachzugehen und dafür zu sorgen, dass den Menschen Würde, Recht und Gerechtigkeit zukommt.
Die wenigen Zeilen des Briefes an Timotheus bergen einen Hinweis, den viele in der gegenwärtigen Situation ähnlich erleben: Ohnmacht. Wie schon erwähnt, die Christen standen unter politischem und wirtschaftlichem Druck. Dafür waren Personen wie Politiker, Stadthalter, Sklavenhalter, Herren und andere zuständig. Die fremden Soldaten sorgten in ihrem Namen für Ruhe im Land – oft verbunden mit Gewalt. Die Bewohner, die Christen des Landes waren dem Treiben und den Machenschaften der Mächtigen in den meisten Fällen hilflos ausgeliefert. Sie erlebten sich ohnmächtig und klein. Man kann als einzelne*r nichts ausrichten.
Es fällt auf, dass im Schreiben nicht gegen diese Menschen „oben“ gewettert oder geklagt wird, oder sie gar diffamiert werden. Es gibt auch keine Forderung gegen sie vorzugehen. Vermutlich wären solche Versuche lächerlich versandet. Der Autor fordert vielmehr auf, gerade für diese Menschen zu bitten und zu beten, ausdrücklich für die Herrscher, die Macht ausüben.
Der Autor verbindet das Gebet mit Haltungen. Er sagt nicht: Bete und überlasse die Sache Gott. Das Gebet kann und wird dann alle Probleme entsprechend den Erwartungen lösen oder richten. Er sagt: „Bete, damit wir in aller Frömmigkeit und Rechtschaffenheit ungestört und ruhig leben können“ (Vgl. 1 Tim 2,2). Mit der Frömmigkeit ist die Gottverbundenheit angesprochen. Das Gebet trage dazu bei, dass du selbst in und mit Gott verbunden bleibst. Krisen, Not und Gewalt sind Versuchungen, in denen man gleich wie die möglichen Peiniger zu handeln beginnt. Es wird das Gebet sein, dass davor bewahrt.
Nicht anders ist es mit der zweiten, erwähnten Haltung: der Rechtschaffenheit. Das Gebet, das Leben aus der inneren Mitte, aus Gott ermöglicht in schwierigen, herausfordernden Situationen, dass ich den Menschen um mich weiter gerecht werde, das heißt, „Unschuldige“ nicht zu Leidtragenden werden und jemand den Rachegedanken erliegt.
Das Gebet, damit wir in aller Frömmigkeit und Rechtschaffenheit leben können. Es ist das Gebet, das eine Gemeinschaft stark, resilient, widerstandsfähig und lebendig macht. Dazu nochmals der letzte Satz von Paulus aus der Lesung: „Ich will, dass die Männer und Frauen überall beim Gebet ihre Hände in Reinheit erheben, frei von Zorn und Streit“ (Vgl. 1 Tim 2,8a).
Dank sei allen, die sich mit Gebet in die Gemeinschaft einbringen.
Wenn Sie den Text der 1. Lesung aus dem Buch Amos anhören möchten:
Wenn Sie den Text der 2. Lesung aus dem ersten Brief des Apostels Paulus an Timótheos anhören möchten:
Wenn Sie den Text aus dem heiligen Evangelium nach Lukas anhören möchten:
In unseren Gedanken zu den Texten der Sonntage haben wir schon öfter auf die Problematik von Textauslassungen hingewiesen. Wir wollen einen Versuch starten und werden ab dem Beginn des neuen Lesejahres die Texte in der Länge der biblischen Verfasser lesen.
Seit Jahrhunderten beeindruckt die Bibel Menschen mit ihren Formulierungen. In der Zeit ihrer Entstehung für jeden verständlich brauchen Leserinnen und Leser von heute eine Übersetzung dieser Texte. Jede Übersetzung ist in gewisser Weise auch eine Deutung der Schrift. Die Einheitsübersetzung ist uns bereits vertraut. Wir wollen bewusst mit Beginn des neuen Kirchenjahres eine andere Übersetzung verwenden, um uns neu von den Texten überraschen zu lassen. Wir haben uns für die Übersetzung der BasisBibel entschieden, die seit Januar 2021 vollständig vorliegt. Die BasisBibel ist die Bibelübersetzung für das 21. Jahrhundert: klare Sprache, kurze Sätze und verständliche Sprache.