Pilger der Hoffnung 1.Lesung: Jes 11,1-10| 2.Lesung: Röm 15,4-9| Evangelium: Mt 3,1-12
Papst Franziskus hat dieses Jahr 2025 als Heiliges Jahr ausgerufen und die Gläubigen eingeladen, sich als Pilger der Hoffnung auf den Weg zu machen. Als einen Pilger der Hoffnung können wir Johannes den Täufer verstehen, der uns im Evangelium begegnet ist. Die Frage: Was können wir möglicherweise von ihm lernen?
Es wirkt wie eine Randbemerkung und ist dennoch zentral. Johannes tritt in der Wüste auf. Es ist kein Auftritt aus einer gefestigten, sicheren und satten Situation oder Position. Mit Wüste ist eine Lebenswirklichkeit umschrieben. Johannes der Täufer und viele andere erfahren das Leben als Wüste, als fordernd mit Entbehrungen, Unsicherheiten und vielen offenen Fragen. Er ruft die Menschen auf: Kehrt um! Denkt um! Denn das Himmelreich ist nahe. Bei Matthäus können wir feststellen, dass Jesus mit derselben Botschaft auf die Menschen zugeht: Kehrt um! Denkt um! Denn das Himmelreich ist nahe (Vgl. Mt 3,2 und 4,17). Es gibt einen Unterschied zwischen den beiden, Jesus verkündet die Botschaft nicht in der Wüste, sondern im fruchtbaren Galiläa. Er kam allerdings aus der Wüste und erlebte Versuchungen, die er, wie wir wissen, hinter sich ließ.
Das Auftreten Johannes des Täufers wirft ein besonders Licht auf das Pilger der Hoffnung sein. Zunächst die Wüste als Ort der Gotteserfahrung. Das Gesicht einer Wüstenerfahrung kann sehr unterschiedlich sein: Es kann eine Krankheit, ein Schicksalsschlag, ein Konflikt, eine Trennung, ein Trauerfall u.a. sein. Wir erleben Wüste auch als gesellschaftliche Erfahrung: Wir stehen inmitten verschiedener Krisen, auf die die Menschen, die Gesellschaft unterschiedlich reagieren will. Es ist ein mühsamer Diskurs. Manche wünschen sich schnelle und einfache Antworten. Es gibt sie nicht. Dies auszuhalten ist für manche unerträglich. Ich gestehe, es fällt auch mir manchmal schwer.
Wir Glaubende sind eingeladen, darauf zu vertrauen, selbst wenn die Umstände widrig sind, das heißt, einer Wüste gleichen, dass Gott nahe bleibt, dass wir mit seiner Zuwendung rechnen können, dass ER den Himmel offen hält.
Johannes selbst gibt ein Beispiel dafür. Er geht zu den Menschen in die Wüste. Er lebt mit ihnen. Er lebt von Heuschrecken und wildem Honig. Er teilt das karge Leben. Und: Er redet. Er kritisiert auch solche, die ihm wie Herodes gefährlich werden.
Beim Evangelisten Lukas hören wir, wie Johannes den zu ihm kommenden Menschen Anweisungen gibt, wie sie die Umkehr, das Umdenken leben können: Wer zwei Gewänder hat, der gebe eines davon dem, der keines hat, und wer zu essen hat, handle ebenso. Zu den Soldaten sagte er: Misshandelt niemanden, erpresst niemanden, begnügt euch mit eurem Sold (Vgl. Lk 3,10-13).
Hier bei Matthäus erhebt Johannes das Wort gegen religiöse Gruppen, die sich im Glauben sicher wähnten: Pharisäer und Sadduzäer. Zu ihnen sagt er nochmals wörtlich: „Ihr Schlangenbrut, wer hat euch denn gelehrt, dass ihr dem kommenden Zorngericht entrinnen könnt?“ Die Pharisäer suchten mit der römischen Besatzung einen Weg, bei dem sie möglichst nicht anstießen. In der Konsequenz: zu Unrecht schweigen. Die Sadduzäer dagegen „packelten“ immer wieder mit der römischen Autorität. Sie erhielten Privilegien auf Kosten anderer.
Johannes der Täufer, ein Pilger der Hoffnung. Er lebt in der Wüste und tritt in der Wüste auf.
Johannes taufte im Jordan. Die Menschen, die zu ihm hinauskamen, bekannten ihre Sünden und ließen sich im Jordan taufen. Matthäus gibt an, dass es die Menschen von Jerusalem und Judäa sind, die zu ihm kamen. Üblicherweise pilgerten die Menschen nach Jerusalem hinauf und brachten im Tempel Opfer dar, um die Vergebung von Sünden zu erwirken. Eine andere Form, sich von den Sünden zu befreien, bestand am Versöhnungstag – an Jom Kippur. Es wurde symbolhaft ein „Sündenbock“ – beladen mit den Sünden der Menschen – in die Wüste getrieben. Man kann beides als Ritus ohne innere Anteilnahme, ohne Glauben vollziehen.
Die Menschen kommen zu Johannes an den Jordan. Er lässt die Menschen eintauchen in den Fluss des Rechts und der Gerechtigkeit. Der Glaube wird hier mit Recht und Gerechtigkeit verbunden. Als Glaubender Mensch ist es die Sorge, den Menschen Recht zukommen zu lassen, den Menschen gerecht zu werden. Dies ist nur möglich, wenn jemand mit Menschen in Beziehung tritt, sie wirklich kennenlernt und sich mit ihnen auseinandersetzt. Den Menschen gerecht werden reicht bis zur Feindesliebe, wie es dann später in der Bergpredigt von Jesus formuliert ist.
Pilger der Hoffnung sein. Vielleicht ergibt sich für die Kirche eine neue Chance oder eine neue Aufgabe, nämlich die Pflege menschlicher Beziehungen. Die sozialen Medien tragen die Gefahr in sich, dass die Begegnungen unter den Menschen flüchtig und oberflächlich werden oder sind. Martin Buber sagt: Der Mensch wird am Du zum Ich.
Die digitale Welt bietet viele Möglichkeiten und Chancen. Sie kann aber auch zur gähnenden Wüste werden. Der Mensch ist angewiesen auf lebendige, gute Beziehungen – als Pilger der Hoffnung.
Wenn Sie den Text der 1. Lesung aus dem Buch Jesája anhören möchten:
Wenn Sie den Text der 2. Lesung aus dem Brief des Apostels Paulus an die Gemeinde in Rom anhören möchten:
Wenn Sie den Text aus dem heiligen Evangelium nach Matthäus anhören möchten:
In unseren Gedanken zu den Texten der Sonntage haben wir schon öfter auf die Problematik von Textauslassungen hingewiesen. Wir wollen einen Versuch starten und werden ab dem Beginn des neuen Lesejahres die Texte in der Länge der biblischen Verfasser lesen.
Seit Jahrhunderten beeindruckt die Bibel Menschen mit ihren Formulierungen. In der Zeit ihrer Entstehung für jeden verständlich brauchen Leserinnen und Leser von heute eine Übersetzung dieser Texte. Jede Übersetzung ist in gewisser Weise auch eine Deutung der Schrift. Die Einheitsübersetzung ist uns bereits vertraut. Wir wollen bewusst mit Beginn des neuen Kirchenjahres eine andere Übersetzung verwenden, um uns neu von den Texten überraschen zu lassen. Wir haben uns für die Übersetzung der BasisBibel entschieden, die seit Januar 2021 vollständig vorliegt. Die BasisBibel ist die Bibelübersetzung für das 21. Jahrhundert: klare Sprache, kurze Sätze und verständliche Sprache.