Als Jüngerin und Jünger unterwegs sein 1. Lesung: Jer 20,10-13| 2. Lesung: Röm 5,12-15| Evangelium: Mt 10,26-33
Jesus wandert gemeinsam mit seinen Jüngern durch das Gebiet rund um den See Genezareth. Er sieht das Leid der Menschen und heilt. Auf der einen Seite kann man die Heilungsgeschichten so lesen, dass Jesus von körperlichen Gebrechen heilt, auf der anderen Seite kann man darin auch Heilungen von psychosomatischen Krankheiten sehen. Bei diesen können zum Beispiel seelische Belastungen, Lebenskrisen oder traumatische Erfahrungen körperliche Beschwerden auslösen. Zur Zeit Jesu kannte man dieses Krankheitsbild noch nicht. Jesus scheint allerdings einen Zusammenhang erkannt zu haben. Damals herrschten in diesem Gebiet furchtbare Zustände. Es gab immer wieder kriegerische Auseinandersetzungen, landesinnere Konflikte, Hunger, Armut und durch das Grenzgebiet zur Dekapolis (hellenistische Städte) ein kulturelles Hin- und Hergerissensein. Bei dieser Überfülle an Anforderungen kann einem das Leben schon zuviel werden. Da zeigt dann der Körper Reaktionen. Das war damals so wie heute. Durch die Erfahrungen während der Pandemie, den Veränderungen am Arbeitsmarkt, dem Leistungsdruck durch Arbeitskräftemangel, die Teuerung bei Lebensmitteln etc. machen auch wir die Erfahrung, dass sich körperliche Folgewirkungen zeigen oder dass wir müder und weniger leistungsfähig sind als sonst.
Jesus sieht zwar die körperlichen Stressfaktoren, aber darin nicht das Grundübel. Einen Teil der Ursache sieht er in der spirituellen Notlage dieser Menschen. „Als er die vielen Menschen sah, hatte er Mitleid mit ihnen; denn sie waren müde und erschöpft wie Schafe, die keinen Hirten haben“ (Mt 9,36). Die Menschen haben nicht nur materielle Bedürfnisse, sie sind spirituell ausgehungert und verlassen. „Da sagte er zu seinen Jüngern: Die Ernte ist groß, aber es gibt nur wenig Arbeiter. Bittet also den Herrn der Ernte, Arbeiter für seine Ernte auszusenden!“ (Mt 9, 37-38). Das Bitt-Gebet soll den Jüngern Erkenntnis, Kraft und Mut schenken, es soll eine Gemeinschaft entstehen können – eine Weg- und Austauschgemeinschaft – wie uns von den Emmaus-Jüngern erzählt wird, die Schweres leichter tragen lässt.
„Dann rief er seine zwölf Jünger zu sich und gab ihnen die Vollmacht, die unreinen Geister auszutreiben und alle Krankheiten und Leiden zu heilen“ (Mt 10,1). Jesus ist pragmatisch. Er kennt seine Jünger, er weiß, dass sie nicht perfekt sind, aber er traut allen zu, den Menschen Beistand leisten zu können. Er beruft selbst Judas Iskariot, der ihn dann ausgeliefert hat. Die Apostelgeschichte beschreibt ehrlich den Eindruck, den die Jünger machten: Als die Schriftgelehrten „den Freimut des Petrus und des Johannes sahen und merkten, dass es ungebildete und einfache Leute waren, wunderten sie sich. Sie erkannten sie als Jünger Jesu (…)“ (APG 4, 13-14). Es waren keine Theologen, keine Preisträger, keine Spitzenarbeitskräfte und keine VIP (verry important people), es waren Menschen aus der Mitte der Gesellschaft.
Der Text des heutigen Evangeliums ist Teil einer kleinen Vorbereitungs- und Einschulungsansprache Jesu. Unvorbereitet will er sie – uns – nicht auf den Weg schicken. Am Beginn gibt er Anleitung, in welcher Haltung den Menschen begegnet werden soll:
- „Umsonst habt ihr empfangen, umsonst sollt ihr geben“ (Mt 9,9) – Geld ist ein schlechter Gegenwert für die Verkündigung der frohen Botschaft.
- Nicht unnötig an Orten aufhalten, wo man „nicht aufnimmt und eure Worte nicht hören will“ (Mt 9, 14) – das Ziel nicht aus den Augen verlieren und sich nicht verzetteln.
- Misserfolge sollen nicht weiter belasten „geht weg aus jenem Haus oder aus jener Stadt und schüttelt den Staub von euren Füßen“ (Mt 9,14)
Dann folgen strategische Tipps:
- „seid daher klug wie die Schlangen und arglos wie die Tauben“ (Mt 9,16) – Strategie und Taktik soll nicht unterschätzt werden.
- „Nehmt euch aber vor den Menschen in Acht“ (Mt 9,17) – nach dem Motto: zeige mir deine Freunde und ich sage dir, wer du bist
- „Wenn sie euch aber ausliefern, macht euch keine Sorgen, wie und was ihr reden sollt; denn es wird euch in jener Stunde eingegeben, was ihr sagen sollt“ (Mt, 9,19) – auch in schwierigen Fällen einen kühlen Kopf bewahren.
Jesus ist ehrlich zu ihnen, er schildert realistisch, was sie/uns ereilen wird:
- „ich sende euch wie Schafe mitten unter die Wölfe“ (Mt 9,16)
- „ihr werdet um meines Namens willen von allen gehasst werden“ (Mt 9,22)
Wer so gefordert wird, soll den Rückhalt vor Augen haben: „Jeder, der sich vor den Menschen zu mir bekennt, zu dem werde auch ich mich vor meinem Vater im Himmel bekennen“ (Mt 9,32).
Das Leben als Anhänger des „neuen Weges“ ist kein Zuckerschlecken. Jesus macht aus der Mühe kein Geheimnis. Wir stehen an einem Scheitelpunkt von Kirche und Gesellschaft. Papst Franziskus wünscht sich dafür eine Kirche als Feldlazarett für jene Menschen, die aus dem Tritt kommen, umherirren wie Schafe ohne Hirten, ausgelaugt und ausgebrannt sind. Herausfordernde Themen stehen an. Tomáš Halík meint: „Die Kirche als Krankenhaus sollte Diagnose, Therapie, Prävention und Rehabilitation für die Übel unserer Zeit, wie Populismus, Nationalismus, Fundamentalismus, bieten“. Tomáš Halík in der Tschechoslowakei geboren, studierte im Untergrund Theologie und musste im Geheimen zum Priester geweiht werden. Er weiß, was es bedeuten kann, in schwierigen Zeiten ein Christenleben zu leben und er kennt die Zusammenhänge von Krankheit, Isolation und Verlassenheit, nicht umsonst studierte er auch Soziologie und Psychologie. Zur aktuellen Situation von Gesellschaft und Kirche meint er: „Das Spannendste liegt noch vor uns“.
Es ist unsere Zusage bzw. die Zusage unserer Paten bei der Taufe, dass wir bereit sind uns auf die Anforderungen des Christ-Seins in unserem Leben einzulassen. Wir dürfen mitmischen, uns einbringen, kreativ und mutig sein, mitgestalten, entdecken, Jüngerinnen und Jünger sein. Mit Tipps und Tricks, Themen und Schwerpunkten sind wir ausgerüstet.
Die Zusage „fürchtet euch nicht“ zieht sich wie ein roter Faden durch die Bücher der Bibel und wir werden auch im heutigen Evangelium dazu ermutigt. Darin schwingt eine alte Lebensweisheit mit: Angst ist ein schlechter Ratgeber.
Wenn Sie den Text der 1. Lesung aus dem Buch Jeremia anhören möchten:
Wenn Sie den Text der 2. Lesung aus dem Brief des Apostels Paulus an die Gemeinde in Rom anhören möchten:
Wenn Sie den Text aus dem heiligen Evangelium nach Matthäus anhören möchten:
Ein Kommentar zu “Als Jüngerin und Jünger unterwegs sein 1. Lesung: Jer 20,10-13| 2. Lesung: Röm 5,12-15| Evangelium: Mt 10,26-33”
… da sagte er zu seinenJüngern: die Ernte ist groß, aber es gibt nur wenig Arbeiter. Bittet also den Herrn der Ernte, Arbeiter für seine Ernte auszusenden
Gebet zu Bibelstelle
Arbeiterinnen stehen vor den Toren, Herr
aber sie dürfen nicht hinein
verstockte Torhüter halten sie zurück
sortieren
wer würdig ist und wer nicht
lassen Arbeiter durch
die sich selber im Weg stehen
blind sind für ein gutes Gedeihen der Ernte
lassen sie vertrocknen
verschimmeln
verkümmern
reissen die falschen Halme aus
erhöre unser Gebet, oh Herr
wir bitten schon so lange
Maria Etlinger Nenzing-Roßnis