Anvertraute Kinder 1. Lesung: 1 Joh 1,5-2,2|Evangelium: Mt 2,13-18
Der sogenannte Kindermord von Betlehem ist historisch betrachtet nicht gesichert. König Herodes litt allerdings unter einem Verfolgungswahn. Sogar die liebsten Menschen in seinem familiären Umfeld ließ er ermorden: seine Lieblingsfrau Marianne, dazu einen Bruder und einen Sohn. Eine Tragik dabei: diesen Menschen widmete er jeweils einen Turm in der Zitadelle in Jerusalem. Die Reste dieser Türme sind heute noch zu sehen. Im Wissen, wenn er stirbt, wird niemand trauern, ordnete er mit Befehl an, dass bei seinem Tod 20 000 Menschen zu ermorden seien, damit im Land Trauer herrsche. Dieser Befehl kam nicht zur Ausführung.
Matthäus dürfte mit der Ermordung der Kinder diesen atmosphärischen Hintergrund aufgegriffen und zum Thema von unschuldigem Leid und Tod gemacht haben. Solch sinnloses Leiden und Morden wirft viele Fragen auf. Wirft auch Fragen zum Gottesverständnis auf: Was lässt Gott zu? Was hat es auf sich, dass Kinder unschuldig wegen Jesus sterben müssen?
Diese hoch aktuellen, menschlichen Fragen können wir nicht bis ins letzte verstehen oder beantworten. Mit seinem Evangelium schreibt Matthäus, wie wir sehen werden, gegen dieses sinnlose Leid an.
Was sind denn die möglichen Motive für diesen Kindermord? Ohne Vollständigkeit zu beanspruchen, möchte ich auf einige hinweisen:
Herodes fürchtet um seine Macht. Die Sterndeuter haben von einem neugeborenen König gesprochen. Er leidet unter Verfolgungswahn und er fürchtet, mit dem Kind wächst ein Kontrahent heran und wird ihm das Königtum streitig machen. Menschenleben – Kinder – werden skrupellos aufs Spiel gesetzt, um eine mögliche Konkurrenz zu verhindern.
Ein neuer, fremder König verändert nicht nur die Machtverhältnisse, er bringt auch seine Religion mit eigenen Göttern mit. Beim König und beim Volk löst es die Alarmglocken aus. Die Furcht vor einer anderen Religion ist auch ein Thema unserer Zeit, im Besonderen die Furcht vor dem Islam. Vor dem politischen Islam ist Vorsicht geboten und ihm ist entgegen zu treten. Es wäre aber fatal, würde der Islam als Glaube grundsätzlich abgelehnt oder verächtlich gemacht. Glaubende Menschen tragen eine Gesellschaft auf Dauer anders mit als Menschen, die ihr Leben Gott-los gestalten.
Es ist in dieser Szene nicht offensichtlich gegeben, spielt aber immer wieder eine Rolle, nämlich das Motiv: Ein Fremder stört unser gewohntes Leben und es ist nicht genug für uns alle da. Es leitet z.B. auch die europäische Flüchtlingspolitik. Der erarbeitete Wohlstand soll gesichert bleiben.
Und dann gibt es immer wieder Menschen, die meinen, die Welt gehöre ihnen. Sie sei ihr Besitz. Sie sind versucht zu bestimmen, wer ein Lebensrecht hat oder nicht. Glaubende wissen, die Welt ist uns als Gabe anvertraut. Alle Menschen haben auf sie das gleiche Anrecht.
Matthäus thematisiert es gleich am Beginn seines Evangeliums, wen diese Haltungen gefährden? Es sind Kinder, eine verletzliche Gruppe, die sich selbst nicht wehren können. Sie werden zu unschuldigen Opfern einer unmenschlichen Welt.
Um politische Ziele durchsetzen zu können, werden sie entführt. Staaten rüsten hoch und lassen ihre Kinder verhungern. Meistens sind es die reichen Länder, die von den Exporten profitieren. Europa schaut zu, wie Kinder in den Lagern griechischer Inseln von Ratten gebissen werden und im nasskalten Wetter frieren. Mögliche weitere Flüchtlinge sollen gewarnt und abgeschreckt sein.
Kinder, Jugendliche tragen nicht Schuld an dieser Situation. Sie sind unschuldig, sollte von Schuld gesprochen werden.
Es sei die Frage erlaubt: Was ist Nachfolge? Wann beginnt christliche Politik? Bei Matthäus hören wir Jesus in der letzten Rede sagen: Was ihr einer meiner geringsten Brüder oder Schwester getan habt, das habt ihr mir getan (Mt 25). Oder: Und wer ein solches Kind in meinem Namen aufnimmt, der nimmt mich auf (Mt 18,5).
Christliche Politik wird dann beginnen, wenn ich (als einfacher Mensch oder Politiker) zu fragen beginne: Was würde ich tun, wenn mein eigenes Kind in einem solchen Lager leben würde? Was würde ich tun, wenn meine Mutter, meine Schwester oder mein Bruder Bewohner/in eines solchen Zeltes wären?
Als Christen sind wir in diese Empathie gerufen. Sie vermag den Tod unschuldiger Kinder zu verhindern.
Wenn Sie den Text der 1. Lesung aus dem ersten Johannesbrief anhören möchten:
Wenn Sie den Text aus dem heiligen Evangelium nach Matthäus anhören möchten:
Ein Kommentar zu “Anvertraute Kinder 1. Lesung: 1 Joh 1,5-2,2|Evangelium: Mt 2,13-18”
Lieber Erich,
wir danken dir für deine sehr aktuellen und praktischen
Auslegungen der Schriften und wünschen dir und deinem
Team alles Gute für 2021 und weiterhin das Mitgehen und
Getragensein des liebenden Gottes in Freuden und Leiden.