Ausgesendet den Menschen Frieden zu bringen 1. Lesung: Jes 66,10-14c| 2. Lesung: Gal 6,14-18| Evangelium: Lk 10,1-12.17-20
Dieses Evangelium berührt viele Themen. Auf einige wenige möchte ich ordnend eingehen:
Jesus macht sich auf den Weg in Richtung Jerusalem und ahnt die bevorstehende Konfrontation. Es ist in meinen Augen beachtenswert, wie er sich auf den Weg macht? Er ist nicht so sehr auf sein Schicksal bedacht, sondern er hat trotz allem die Menschen im Blick. Er sendet 72 Jüngerinnen und Jünger aus in die Orte und Städte, in die er selbst gehen wollte. Vor nicht allzu langer Zeit hatte er die Zwölf mit nahezu demselben Auftrag ausgesandt (Lk 9,1-6). Er hat den Kreis auf 72 ausgeweitet. Die Betroffenheit über die Not der Menschen und ihr zu begegnen hat bei ihm zugenommen.
Es sollte uns bewusst bleiben, dass Jesus nicht durch eine Wohlstandsgesellschaft wandert, sondern er diese Jüngerinnen und Jünger zu Menschen sendet, von denen über 90% am Existenzminimum leben, entweder knapp darüber oder auch viele darunter. Es gibt also viel Not, Elend, Hunger, Krankheiten, Konflikte, schlicht den Kampf ums tägliche Überleben. Mag sein, dass vor diesem Hintergrund das Wort eine besondere Farbe erhält: Ich sende euch wie Schafe mitten unter die Wölfe.
Wenn Jesus davon spricht, dass die Ernte groß ist, aber es nur wenig Arbeiter gibt, dann hat er in erster Linie diese Not vor Augen, die es zu bearbeiten gilt. Die Gefahr ist groß, wenn die Not so massig, so übermächtig und unüberschaubar wird, dass sich die Menschen an die Not gewöhnen, apathisch werden oder völlig resignieren. Ein Mensch allein ist überfordert. Jesus sendet viele aus: 72, oder 6 mal 12, einfach sehr, sehr viele. Ein Faktum ist, dass sich Jesus von der Not der Menschen berühren lässt und er Gegenmaßnahmen organisiert. Vielleicht hat die Kirche in unseren Breiten, bzw. in unseren Pfarren diesbezüglich eine Neuorientierung notwendig? Außer dem persönlichen Engagement einzelner spielen die Nöte und Herausforderungen der Menschen in den pastoralen Überlegungen oftmals kaum eine Rolle. Die Sorge ums Geld mit dem Finanzieren der Pfarre drängt sich vor.
Jesus sendet die Jüngerinnen und Jünger aus mit dem Auftrag: Sie sollen in die Häuser gehen und den Frieden – den Shalom – bringen. Das Deutsche Wort Frieden kann nicht annähernd wiedergeben, was mit „Schalom“ gemeint ist. Es ist ein Wort des Grußes, aber ebenso des Trostes. Es ist der Friede mit Gott, mit anderen, mit der Gemeinschaft und mit sich selbst. Es ist der Friede mit der Umwelt und der Schöpfung.
In der Absicht, dass dieser Friede erstehe, sollen sie in die Häuser gehen.
Sie sollen ferner die Kranken heilen. Es bedeutet nicht nur die Hände auflegen, sondern Hand anlegen und zupacken, damit Krankheiten heilen können.
Und schließlich der Auftrag Jesu, sie sollen zu den Leuten sagen: Das Reich Gottes ist euch nahe. Selbst zu jenen sollen sie es sagen, von denen sie nicht aufgenommen werden: Das Reich Gottes ist euch nahe.
Diese Menschen, die oft selbst für das Elend verantwortlich gemacht werden und es ihnen als Strafe Gottes gedeutet wird, sollen es hören: Gott ist euch nicht fern und ihr seid Gott nicht fern. Ihr dürft mit seiner Zuwendung rechnen. Lasst ihn „Herr“ sein. Lebt eine Gemeinschaft, in der ihr euch gegenseitig trägt, einander Lasten abnehmt und füreinander Sorge walten lässt. Lebt im Reich Gottes: Lasst euch nicht gegeneinander aufhetzen und als Konkurrenten ausspielen.
Das Reich Gottes ist keine von Menschen zu machende Größe oder Einrichtung. Die Ausgesandten sollen es künden, dass diese Einladung von Gott her kommt und steht. Es bleibt, auch wenn die Menschen nicht darauf reagieren, sprich wenn sie als Gesandte nach menschlichem Ermessen erfolglos bleiben. Das nahe Reich Gottes als Einladung und Ruf Gottes bleibt bestehen, trotz aller Veränderungen in der Gesellschaft und Kirche und mögen da nur noch Ruinen übrig bleiben.
Es kommen dann Sätze bei Lukas, die die Leseordnung ausgelassen hat. Es sind Weherufe Jesu über jene Städte, in denen er bisher hauptsächlich gewirkt hat und die seine Botschaft mehr oder weniger nicht angenommen haben: Kafarnaum, Betsaida und Chorazin. Es steht um Menschen und Orte nicht gut, die sich der Botschaft verschließen. Es steht um Gesellschaften nicht gut, wenn Menschlichkeit, Verantwortung füreinander, Gerechtigkeit, Vertrauen und ähnliches klein geschrieben werden, wenn jene Menschen kriminalisiert werden, die Leben retten (Menschen aus der Seenot). Insofern dieses „Wehe euch!“. Es hat die unmittelbare Zukunft vor Augen, die alles andere als Reich Gottes ist, aber nicht die „ewige Verdammnis“.
Ein letzter Gedanke zu einem Bild des Evangeliums, das vielleicht für manche unverständlich ist: Zu den zurück kehrenden Jüngerinnen und Jünger sagt Jesus: Ich sah den Satan wie einen Blitz vom Himmel fallen. Mit Satan ist jene Stimme gemeint, die einem Menschen weismachen will, dass sie oder er vor Gott nicht bestehen kann. Es ist diese anklagende Stimme, du bist zu wenig, zu unwürdig, zu klein, zu gering, zu schuldig… Diese Stimme, wie sie im Buch Hiob ertönt, ist vom Himmel gefallen. Es gibt sie im Himmel nicht mehr.
Jesus sieht den Himmel frei von jeder Anklage. Es ist die Würde, die in jedem Menschen seit der Schöpfung als Eben- oder Abbild Gottes grundgelegt ist. Es wird bereits himmlisch, wenn die Menschen einander als Abbilder Gottes begegnen unabhängig vom Herkunft, Geschlecht, Kultur, Sosein, Alter… einander begegnen mit Respekt und Achtung.
Jesus ist auf dem Weg nach Jerusalem. Das Reich Gottes kündend und lebend, dazu einladend und dafür auch alles gebend. Seine Jüngerinnen und Jünger ruft er nicht in einen Wohlfühlkreis ein, sondern sendet sie hinaus zu den Menschen. Es zeigt das Programm einer Geh-Hin-Kirche.
2 Kommentare zu “Ausgesendet den Menschen Frieden zu bringen 1. Lesung: Jes 66,10-14c| 2. Lesung: Gal 6,14-18| Evangelium: Lk 10,1-12.17-20”
Frage: in Vers 4 fordert Jesus seine Jünger auf: “Grüßt niemanden auf dem Weg!”
Wieso diese Unfreundlichkeit? Oder geht es darum, sich nicht vom Weg abbringen zu lassen und schnellstmöglich an den Zielort zu gelangen?
Das würde mich durchaus interessieren, ob es diesbezüglich einen “logischen” Grund gibt.
Liebe Grüße, Konrad
Antwort zu Konrad Müller, zu: “Grüßt niemand unterwegs!” Nach meinen Erkenntnissen richtet sich dieser Hinweis gegen ein Verzetteln. Unter Grüßen hat man damals ein längeres Gespräch mit Fragen und Gegenfragen verstanden, ein gemeinsames Essen nicht ausgeschlossen. Die Ernsthaftigkeit des Reiches Gottes ist mehr als Höflichkeit, Zeitvertreib oder oberflächliches Gerede. Die Begegnungen zielen auf Veränderung, Umdenken, Zupacken und Heilung. Es ist mehr als ein Grüßen.