Chancen sehen 1.Lesung: Bar 5,1-9| 2.Lesung: Phil 1,4-6.8-11| Evangelium: Lk 3,1-6
Paulus hatte eine besondere Beziehung zur Gemeinde in Philippi. Es war die erste Gemeinde auf europäischem Boden. So nahm er etwa nur von ihr eine finanzielle Unterstützung an. Paulus legte großen Wert darauf, für den eigenen Unterhalt zu sorgen, d.h. zu arbeiten.
Paulus schreibt den Brief an die Gemeinde (von Philippi) aus dem Gefängnis. Dieser Hintergrund wirft ein besonderes Licht auf den Glauben des Paulus und gleichzeitig darauf, wie Paulus die Verkündigung des Evangeliums versteht.
Zunächst ist bei Paulus festzuhalten, dass er jede Situation unabhängig von den Umständen als Chance betrachtet, das Evangelium zu verkünden: sei er im Gefängnis, auf einer Reise, in Prozessen, im Unterwegssein, im Ertragen von Peitschenhieben, bei Schiffbruch oder bei Steinigungen. Er hat solche überlebt. Keine äußeren Umstände können ihn daran hindern, Zeuge des Evangeliums von Jesus Christus – seinem Tod und seiner Auferstehung – zu sein.
Paulus erlebt Beleidigungen und das Vorgehen gegen seine Person. Es wird ihm aus Philippi berichtet, dass es dort Irrlehrer gibt, die ihn verleumden (Vgl. Phil 1,15). Paulus nimmt es nicht als persönlichen Angriff auf seine Person. Er hält zwar argumentativ dagegen, aber nicht um zurück zu schlagen oder Rache zu üben. Vielmehr erträgt er es im Vertrauen, dass die Art und Weise seines Umgangs mit dem Konflikt der Verkündigung dient.
Paulus sitzt im Gefängnis. Vielleicht hofften manche, er könne nichts mehr tun und sei da für niemanden gefährlich. Man könnte ebenso vermuten, dass es ihn in eine depressive Stimmung versetzt. Nichts von dem ist bei Paulus zu erkennen. So schreibt Paulus: Immer, wenn ich für euch alle bete, bete ich mit Freude. Und weiter: Ich danke für eure Gemeinschaft im Dienst am Evangelium vom ersten Tag an bis jetzt. Ich vertraue darauf, dass er, der bei euch das gute Werk begonnen hat, es auch vollenden wird bis zum Tag Christi Jesu.
Wenn man scheinbar nach außen hin nichts mehr tun kann, bleibt für Glaubende die Möglichkeit des Gebetes. Paulus fügt hinzu: Ein Beten mit Freude. Es ist das Gebet, das Paulus hilft, den Blick über den persönlichen Erfahrungshorizont hinaus zu bewahren. Sein tun hat schon Früchte getragen und sein gegenwärtiger Einsatz – jetzt im Gefängnis – ermutigt wiederum die Glaubenden in Philippi zu ihrem Durchhalten. Dieses sich gegenseitig im Gebet tragen, das füreinander Beten gewährt eine besondere Kraft.
Paulus schreibt aus dem Gefängnis. Es ist für ihn der Ort des Gebetes mit Freude. Es wird nur wenige unter uns geben, die ähnlich dem Paulus ein Gefängnis von innen erlebt haben. Und dennoch sind wir auch manchmal Gefangene: gefangen von einer Krankheit, gefangen in Strukturen, gefangen in Vorurteilen, gefangen in einer Außenseiterrolle, gefangen in Ohnmachtssituationen.
Manche Menschen schlüpfen in der Folge in eine Opferrolle. Sie suchen Schuldige, bemitleiden sich selbst und können damit keine Perspektive einer Hoffnung wie Paulus entwickeln. Wir kennen weitere Beispiele, die ähnlich wie Paulus handelten. Für uns vertraut sind ein Provikar Carl Lampert oder Dietrich Bonhoeffer, dem wir das hoffnungsstiftende Lied verdanken: „Von guten Mächten treu und still umgeben, behütet und getröstet wunderbar, … erwarten wir getrost, was kommen mag“.
Beten. Beten mit Freude. Paulus hat diesen Weg in den schwierigsten Phasen seines Lebens gewählt, auf Wegen der Ohnmacht und Gewalt gegen seine Person.
Er hat damit auch die Gemeinde in Philippi gestärkt. Ein Blick auf diese Gemeinde lohnt sich. Paulus hatte einen besonderen Bezug zu den Menschen in Philippi. In den Briefzeilen ist dennoch erkennbar, dass er auch Defizite feststellte. Gott hat das Werk begonnen, aber es ist noch nicht vollendet. Die Liebe ist sichtbar, sie darf aber noch reicher an Einsicht und Verständnis werden. Paulus formuliert die Mängel auf vornehme Weise. Vermutlich wäre er gerne vor Ort gewesen, um die Probleme ansprechen zu können.
Aber auch in diesem Thema wird der Glaube des Paulus sichtbar. Er vertraut Gott, dass dieser dem guten Anfang Wachstum schenkt, dass das Evangelium in den Herzen der Menschen und ebenso im Zusammenleben der Gemeinde Früchte tragen wird.
Paulus ist im Gefängnis. Er wird dadurch kein Getriebener der Angst. Er lässt sich weder gehen noch gleichgültig werden. Vielmehr begleitet Paulus aufmerksam, vertrauend und hoffend seine Freundinnen und Freunde in Philippi. Betend. Mit Freude.
Wenn Sie den Text der 1. Lesung aus dem Buch Baruch anhören möchten:
Wenn Sie den Text der 2. Lesung aus dem Brief des Apostels Paulus an die Gemeinde in Philíppi anhören möchten:
Wenn Sie den Text aus dem heiligen Evangelium nach Lukas anhören möchten:
In unseren Gedanken zu den Texten der Sonntage haben wir schon öfter auf die Problematik von Textauslassungen hingewiesen. Wir wollen einen Versuch starten und werden ab dem Beginn des neuen Lesejahres die Texte in der Länge der biblischen Verfasser lesen.
Seit Jahrhunderten beeindruckt die Bibel Menschen mit ihren Formulierungen. In der Zeit ihrer Entstehung für jeden verständlich brauchen Leserinnen und Leser von heute eine Übersetzung dieser Texte. Jede Übersetzung ist in gewisser Weise auch eine Deutung der Schrift. Die Einheitsübersetzung ist uns bereits vertraut. Wir wollen bewusst mit Beginn des neuen Kirchenjahres eine andere Übersetzung verwenden, um uns neu von den Texten überraschen zu lassen. Wir haben uns für die Übersetzung der BasisBibel entschieden, die seit Januar 2021 vollständig vorliegt. Die BasisBibel ist die Bibelübersetzung für das 21. Jahrhundert: klare Sprache, kurze Sätze und verständliche Sprache.