Das Niedrige in das Licht Gottes stellen 1. Lesung: Offb 11,19a;12,1-6a| 2. Lesung: 1 Kor 15,20-27a| Evangelium: Lk 1,39-56
Bei unserem Fest „Mariä Aufnahme in den Himmel“ steht keine „Superfrau“ im Mittelpunkt, die Karriere gemacht hätte, die ein Leben lang auf ihre Sexualität verzichtete, die nur gehorsam gewesen wäre und nie aus der Rolle gefallen ist, die über alle Probleme des Lebens erhaben gewesen wäre und deren Leben als logische Konsequenz mit der Aufnahme in den Himmel gekrönt wurde. Eine solche entrückte – der Welt fremde – Maria ist nicht Inhalt des Festes.
Wie sehr Maria in das menschliche Leben eingebettet war, zeigt uns z.B. die Stelle aus dem Johannesevangelium, in der das Volk fragt: „Ist das nicht Jesus, der Sohn Josefs, dessen Vater und Mutter wir kennen? Wie kann er jetzt sagen: Ich bin vom Himmel herabgekommen?“ (Joh 6,42).
Josef und Maria werden von den Gegnern Jesu als Grund angeführt, um an seinem Erwählt Sein zu zweifeln. Maria, dieses einfache Mädchen (diese einfache Frau) aus dem Kaf Nazaret, bei dem sowieso fraglich ist, ob aus ihm etwas Gutes kommen kann, ist Grund für die Zweifel an der Person Jesu.
Mariä Aufnahme in den Himmel ist kein Fest, das uns einlädt oder aufträgt, Maria anzuhimmeln. Ein solches Fest würde keine Hoffnung stiften. Hinter dem Festgeheimnis verbirgt sich das Bild und die Erfahrung, von Gott ganz und gar Angenommen zu sein.
Wir feiern, dass Maria, die einfache Frau aus Nazaret, der im Leben vieles quer lief, die merkwürdig zu einem Sohn kam, die mit ihrem Mann und dem Sohn fliehen musste, der nach der Weissagung des Simeon viele Fragen blieben, die mehrmals die Welt nicht verstand, weil der Sohn aus der Rolle fiel – als 12-jähriger im Tempel oder bei der Hochzeit zu Kana -, die schließlich die Hinrichtung ihres Sohnes miterlebte. Diese einfache Frau aus Nazaret wird von Gott ganz und gar angenommen. Glaubend feiern wir, dass Gott sie mit allen ihren Erfahrungen würdigt.
Es wird an ihr deutlich, was sie nach der Begegnung mit Elisabeth selbst besungen hat: „Auf die Niedrigkeit seiner Magd hat er geschaut … Er zerstreut, die im Herzen voll Hochmut sind; er stürzt die Mächtigen vom Thron und erhöht die Niedrigen. Die Hungerenden beschenkt er mit seinen Gaben und lässt die Reichen leer ausgehen.“
Gott nimmt sich des Niedrigen, der Hungerenden und Einfachen an – die Hoffnung unseres Festes und die Hoffnung des Himmels. Es ist ein Fest der Hoffnung im Besonderen für jene, denen das Leben quer läuft, die nicht den Erwartungen der Umgebung gerecht werden können, deren Ansehen leidet, deren Leben ein Kampf ist, die in ihrer Hinfälligkeit mit Gott hadern, die nicht immer wissen, wie sie Gott buchstabieren sollen. Maria Aufnahme in den Himmel ist die Feier einer Lebensperspektive: Das voll und ganz Angenommen Sein von Gott.
Das Fest schließt ein, dass wir vom Zwang zur Verdrängung befreit sind. Vermutlich weiß jede und jeder um das Einfache, das Niedrige, um das, was ich gerne an mir abschaffen und vor anderen verstecken möchte: Komplexe, Neigungen und Haltungen, die im Zusammenleben hinderlich sind, vielleicht auch Krankheiten, geheime u. offene Süchte … – eben das Niedrige in meinem Leben.
Im „Magnificat“ singt Maria: Gott stürzt das Mächtige vom Thron und erhöht das Niedrige! Angeblich hat Gott vor dem Niedrigen keine Angst. Er kommt nicht moralisch daher: das Niedrige dürfe nicht sein, sondern Er erhöht es. Er gibt dem Niedrigen eine neue Perspektive.
Es darf bei IHM sein. Mit anderen Worten: Es gilt in unserem Leben das Niedrige anzunehmen. Vielleicht besser: Das Niedrige in das Licht Gottes zu stellen. Was ein Mensch in seinem Leben so annimmt, kann sich und wird sich wandeln. Es kann zu einer neuen Chance im Leben werden.
Vermutlich werde ich von einer Krankheit erst ganz heil, wenn ich sie angenommen habe, beziehungsweise das Annehmen einer Krankheit eröffnet neue Möglichkeiten in der Therapie oder in zwischenmenschlichen Beziehungen. Oder umgekehrt: Wie viel Krampf entsteht oft dadurch, dass sich jemand einer Krankheit verweigert, sie nicht annimmt, verdrängt oder ignoriert.
Ähnlich ist es bei Spannungen im zwischenmenschlichen Bereich. Solange sie verneint, verdrängt oder unterdrückt werden, bleiben sie zerstörerisch und trennend. Wenn Störungen, Spannungen, Differenzen sein dürfen, wenn sie an- und ausgesprochen werden können, dann wird Neues in einer Beziehung und im Leben möglich. Es wird erhöht – Gottes Wirken im Hier und Heute.
„Mariä Aufnahme in den Himmel“ – das Fest, das dem Menschen seine Lebensperspektive mit der Hoffnung vor Augen stellt: voll und ganz von Gott angenommen zu werden. Das Niedrige – Krankes, Komplexe, Verdrängtes… – verliert seine zerstörerische Kraft und Bedeutung.
Ein Kommentar zu “Das Niedrige in das Licht Gottes stellen 1. Lesung: Offb 11,19a;12,1-6a| 2. Lesung: 1 Kor 15,20-27a| Evangelium: Lk 1,39-56”
Der gestrige Text zum Marienfeiertag war sehr hilfreich und das Beste, was ich zu diesem Thema je gehört und gelesen habe