Dem Leben dienen 1. Lesung: Sir 15,15-20| 2. Lesung: 1 Kor 2,6-10| Evangelium: Mt 5,17-37
Zunächst zwei Vorbemerkungen:
Die Bergpredigt, aus der der heutige Abschnitt des Evangeliums entnommen ist, ist kunstvoll aufgebaut: Da ist zunächst jede einzelne und jeder einzelne in den Seligpreisungen angesprochen, wozu sie oder er von Gott gerufen ist, den Glauben zu leben. Dann geht die Rede auf die Beziehungen zu den Mitmenschen, dann zu Gott und dann speziell zu jenen Menschen, die uns besonders herausfordern zum Beispiel die Feinde ein. In der Mitte der Bergpredigt finden wir das Vaterunser als Gebet. Ich halte dies für besonders beachtenswert. Es macht deutlich, dass das, was uns heute das Evangelium zumutet – ich werde noch auf das eine oder andere eingehen – letztlich von und aus der Kraft des Gebetes lebt, aus der lebendigen Beziehung zu Gott.
Nach dem Vaterunser sind wieder Haltungen des Einzelnen thematisiert, ehe es wieder um die Beziehungen zu Mitmenschen, dann wieder zu Gott geht. Zum Schluss stellt Jesus die Zuhörenden vor die Entscheidung wie sie sich zum Gehörten stellen: Das Haus (des Lebens) ist auf Fels bei jenen gebaut, die die Worte hören und danach handeln.
Nochmals: Das Vaterunser steht in der Mitte. Die gesamte Rede ist so angelegt, dass alles Denken, Reden und Tun beiträgt, dass der Name des Vaters geheiligt werde, dass sein Reich komme und sein Wille geschehe. Das Gelebte soll zum Gebet werden und genauso das Gebet zum Leben, zur gelebten Wirklichkeit. Wir dürfen davon ausgehen, dass Jesus darum weiß, dass der Mensch aus eigner Kraft nicht alles leben wird können, was er im Evangelium formulierte. Es bedarf der Verwurzelung in Gott. Und vieles erwächst erst aus seiner Gnade.
Zugleich macht uns das Evangelium deutlich, was mit den Bitten des Vaterunsers gebetet wird, mit: Geheiligt werde dein Name. Dein Reich komme. Dein Wille geschehe. In allen diesen Aussagen und Bitten schwingt der Geist der Bergpredigt mit, etwa die Bitte um die Kraft zur gelebten Gerechtigkeit, zur Aufrichtigkeit, zur Versöhnung, zum „rechten“ Opfer, zur Feindesliebe … Gott gebe uns die Kraft dazu, damit sein Wille geschehe, sein Reich komme.
Die zweite Vorbemerkung: Es hat eine Zeit in der Theologie gegeben, da war die Abgrenzung Jesu gegenüber dem damaligen Judentum ein großes Thema. Es wurde versucht jene Zitate als Jesusworte heraus zu filtern, in denen er sich vom Judentum abhob. Inzwischen wurde diese Theorie völlig fallen gelassen, weil sie nicht taugte. Unser Evangelium macht deutlich, dass Jesus sich nicht gegenüber dem Judentum abgrenzen will, sondern dass es ihm ganz und gar um die Erfüllung der Thora ging. „Denkt nicht, ich sei gekommen, um das Gesetz (die Thora) und die Propheten aufzuheben! Ich bin nicht gekommen, um aufzuheben, sondern um zu erfüllen.“ Oder weiter: „Wer auch eines von den kleinsten Geboten aufhebt und die Menschen entsprechend lehrt, der wird im Himmelreich der Kleinste sein“. Jesus steht zutiefst in der Tradition der Thora.
Noch einige einzelne Anmerkungen:
Jesus sagt: „Wenn eure Gerechtigkeit nicht weit größer ist als die der Schriftgelehrten und der Pharisäer, werdet ihr nicht in das Himmelreich kommen“. Im Wort „Gerechtigkeit“ schwingt im jüdischen Verständnis vieles mit. Es ist unter anderem ein anderes Wort für Glauben. Es meint das Menschen gerecht werden in den je einzelnen Situationen. Es geht um ein dynamisches Verständnis: Was dient dem Leben? Was lässt aufleben? Was trägt zur Versöhnung bei? Was stärkt das Vertrauen? Was hilft, das Wunden heilen können? Gelebte Gerechtigkeit schließt solches ein.
Ein weiterer Punkt: „Wenn du eine Opfergabe zum Altar bringst und dir dabei einfällt, dass dein Bruder etwas gegen dich hat, so lass deine Gabe dort vor dem Altar liegen; geh und versöhne dich zuerst mit deinem Bruder, dann komm und opfere deine Gabe!“ Jesus bindet es immer wieder zusammen, die Gottes- und Nächstenliebe. Die Opfergabe, die der Versöhnung mit Gott dient, sie darf nicht zum Ersatz einer ausstehenden Versöhnung mit einem Menschen werden. Wir dürfen hier auch ablesen, dass Jesus, wenn es um Versöhnung geht, die Nächstenliebe der Gottesliebe gleichstellt. Am Ende des Evangeliums werden wir daran erinnert: Was du einem meiner geringsten Brüder oder einer meiner geringsten Schwester getan hast, hast du mir getan (Mt 25,40).
Jesus stellt in der Ehefrage die Frauen den Männern gleich. Das Evangelium ist vor dem damaligen Rechtsverständnis zu lesen. Die Frau war Besitz des Mannes. Der Mann konnte die eigene Ehe gar nicht brechen. Wohlgemerkt: nach damaligen Rechtsverständnis. Er hatte das Recht der Frau eine Scheidungsurkunde auszustellen, dann war sie frei. Das bedeutete damals, dass die Frau in den meisten Fällen rechtlos und ohne Schutz war, angewiesen auf das Betteln oder Prostitution. Dieser „Ungerechtigkeit“ schiebt Jesus einen Riegel vor. Diesen Geist der Bergpredigt gilt es auch in anderen Fragen weiter denken?
Sehr harsch kommen uns die Worte vor: „Wenn dich dein rechtes Auge zum Bösen verführt, dann reiß es aus“ … oder: „Wenn dich deine rechte Hand zum Bösen verführt, dann hau sie ab …“ Die Frage ist: Wer hat sich je schon eine Auge herausgerissen oder selbst eine Hand abgehackt? Es geht hier Jesus nicht um Selbstzerstörung und -verstümmelung. Es ist Anderes beabsichtigt: Wie sehr sind Menschen versucht, am Zeug anderer zu flicken d.h. die Fehler, das Versagen, die Unzulänglichkeiten bei den anderen zu sehen, zu kritisieren bis hin, dass immenser Druck ausgeübt oder sie fertig gemacht werden. Gerade das soll nicht geschehen. Schau bei dir selbst genau nach und prüfe, was bei dir nicht in Ordnung ist. Daran arbeite konsequent und versuch dich zu bessern.
Ich lade ein, diesen Gedanken mitzunehmen: Das Evangelium zusammen mit dem Vaterunser zu lesen und zu verstehen– vor allem geistlich diese beiden zu verbinden.
Ein Kommentar zu “Dem Leben dienen 1. Lesung: Sir 15,15-20| 2. Lesung: 1 Kor 2,6-10| Evangelium: Mt 5,17-37”
Lieber Erich!
Dein heutiger Kommentar zum 6. Sonntag im JK macht mir wieder “überdeutlich”, wie wichtig das Erkennen und Beachten von Perikopen der Evangelien für das rechte Verstehen sind. Die Predigtzeit bleibt meist zu kurz, um ausreichend darauf einzugehen. Für das Nachfragen zu den Kommentaren im Kirchenblatt oder auf die Predigt in den Radiomessen werden Möglichkeiten angeboten. Mir scheint, dass in unseren Gemeinden durchaus Frauen und Männer mit so profunden biblischen Kenntnissen leben, dass sie eine Nachbesprechung (Erweiterung) des Sonntagsevangeliums und der Sonntagspredigt leiten könnten. Ich denke, dass das Angebot auch Interesse dafür wecken würde. Die Aufforderung dazu für die Gemeinden wäre vielleicht eine Aufgabe für dich als Bibelverantwortlicher der Diözese. Es braucht, wie überall, Anstöße zur Umsetzung.
Danke für deine Kommntare!