Der springende Punkt in der Nachfolge 1. Lesung: Weish 2,1a.12.17-20| 2. Lesung: Jak 3,16-4,3| Evangelium: Mk 9,30-37
Das Evangelium gibt uns einen tiefen Einblick in das Verhältnis Jesu mit den Jüngern. Er nimmt sie an die Brust. Er gibt ihnen einen gesonderten Unterricht, doch das Verstehen bleibt zunächst auf der Strecke. Es gibt bei ihnen die Scheu, nachzufragen. Das Warum ist offen. Was uns da berichtet wird, betrifft nicht allein die Jünger und Jüngerinnen, sondern es richtet sich auch an uns Leser, Leserinnen, bzw. Hörer, Hörerinnen. Es ist die Frage: Hast Du als Leser, bzw. als Hörer verstanden, was Jesus sagen will? Was Nachfolge bedeutet? Es ist vor allem eine Frage an jene, die Jesus nahe zu sein meinen.
Jesus sieht sich veranlasst, seine Unterweisung zu vertiefen. Es ist zunächst einmal festzustellen, dass der Abschnitt in Heilungen eingebettet ist. Anliegen Jesu ist es zu heilen, die körperlichen, geistigen und seelischen Krankheiten der Menschen, aber ebenso ihre Beziehungen. Er ist angetreten, in einer gespaltenen Gesellschaft eine Gemeinschaft von Schwestern und Brüdern zu sammeln. Es gibt die Herren und Sklaven, Fromme und die religiös Ausgegrenzten. Es gibt Gewalt, viele Arme und Notleidende, tiefe religiöse und gesellschaftliche Feindschaften. Jesus – nochmals – hat das Heilen der Beziehungen vor Augen, als Menschensohn Menschlichkeit zu leben und zu bringen.
Er sieht sich in diesem Dienst. Es ist seine Erkenntnis – und diese versucht er den Jüngern nahe zu bringen -, das Heilwerden der Beziehungen braucht Demut und schließt die Bereitschaft des Leidens mit ein. Es lässt sich nicht mit Gewalt oder von oben herab lösen. Die Jünger dagegen unterhalten sich darüber, wer der Größte sei?
Jesus greift diese Frage auf und gibt ihr eine völlig neue Richtung: „Wer der Erste sein will, soll der Letzte von allen und der Diener aller sein.“ Er stellt damit das landläufige Denken über Erste auf den Kopf. Nicht die Erfolgreichen, die Mächtigen, die Reichen oder jene, die Karriere gemacht haben, seien für euch die Ersten, sondern die euch Dienenden und die als Letzte angesehen werden. Sie haltet für die Ersten.
Jesus stellt damit auch klar, dass es nicht darum geht, mit geheuchelter Demut diese erste Stelle für sich selbst in Anspruch nehmen zu wollen. Wagt das Dienen und wagt euch als Letzte zu sehen, ohne Anspruch dadurch eine Sonderstellung zu haben oder als die Größten angesehen zu werden.
Dienende und Letzte sollen an die erste Stelle deiner Aufmerksamkeit und Achtung treten: Es mag da jede und jeder eine andere Hierarchie haben, ich denke aber an Menschen der Müllabfuhr, Reinigungskräfte, Menschen in den verschiedenen Pflegediensten, Sozialarbeiter, Menschen in der Suchtbegleitung, … Die Dienenden, die Letzten reiht an die erste Stelle eurer Achtung? Ja, sie seien für Menschen, die Jesus nachfolgen, die Ersten.
Es schließt nicht aus, dass es auch ein Firmenchef, ein Politiker oder gar eine reiche Person sein kann, die diese erste Stelle verdient. Kriterium ist für Jesus: es steht jenen zu, die sich in den Dienst aller stellen, nicht nur einem ausgewählten Kreis oder Kreisen.
Jesus nimmt ein Kind in die Mitte und erklärt: Wer ein solches Kind aufnimmt, nimmt mich auf, ja nicht nur mich, sondern den, der mich gesandt hat. Es ist eine Zeichenhandlung, mit der er sein Anliegen vertieft und eine besondere Sinnspitze gibt. In der damaligen Gesellschaft – außer dem ältesten Sohn – waren Kinder oft die Letzten. Ihnen galt nicht die Aufmerksamkeit, wie es heute üblich ist. Wir können von dieser Zeichenhandlung einiges ablesen: Jesus nimmt ein Kind in die Arme und deutet an, dass dieses dienende Potential unter euch weit verbreitet ist. Es gibt ja viele Mütter und Väter, die es tun. Es geht nicht um ein Dienen, das nur wenigen möglich ist, sondern es ist ein Dienen, wie es in jedem Menschen faktisch grundgelegt ist. Dieses Dienen gelte aber nicht nur für das eigene Kind, sondern eben für alle, besonders für jene, die als Letzte angesehen werden.
Von Kindern wird zugleich gesagt, dass sie das Beste aus den Menschen herausholen. Für Kinder geben Eltern ihr Bestes. Diene Menschen aus dieser Haltung, dass es das Beste von dir sei. Es schließt Halbherzigkeit, Mittelmäßigkeit und Oberflächlichkeit aus.
Ein weiterer Aspekt wird angedeutet: Wer sich auf ein Kind einlässt, der oder die weiß, da gehört die Bereitschaft zum Lernen dazu. Einem Kind dienen können nur Menschen, wenn sie faktisch mit dem Kind mitlernen, wenn sie sich immer wieder auf neue Situationen einlassen oder einstellen. Es ist ein Dienen, bei dem ich nicht sagen kann, ich habe es und weiß, wie es geht, sondern dieses Dienen verändert sich im Laufe der Zeit, braucht die Bereitschaft an sich zu arbeiten, um dem Gegenüber gerecht zu werden. Es ist ferner ein Dienen, bei dem nicht unmittelbare Dankbarkeit zu erwarten ist.
Mir scheint, dass dieses lernende Dienen gerade von jenen Menschen heute gefordert ist, die Migranten bzw. Asylsuchende begleiten. Es gibt Irritationen, Verstörendes. Es braucht Geduld, Nachdenken, u.a.m. Es schließt manchmal auch Enttäuschung, Passion, Leiden und Frust mit ein. Jesus stellt ein Kind in die Mitte, nimmt es auf und erklärt: Wer ein solches Kind um meinetwillen aufnimmt, der nimmt mich auf.
Es ist die Zusage, dass jemand, der sich auf dieses Dienen einlässt, nicht leer ausgehen wird. Es werden ihm/ihr die Gaben des Auferstandenen zuteil.
Mit dem Evangelium gibt Jesus ein Beispiel, mit welchen Augen und mit welcher Haltung er auf die Menschen zugeht: Es ist eine besondere Form – vielleicht besser – Kunst des Dienens, wie es für ein Kind selbstverständlich ist. Es ist zugleich Modell, in welcher Weise das Dienen wirklich heilsam für Beziehungen im Umfeld werden kann.