Der Weg zum freien Menschen 1. Lesung: Weish 9,13-19| 2. Lesung: Phlm 9b-10.12-17| Evangelium: Lk 14, 25-33
Der Brief des Apostel Paulus an Philemon, vermutlich um das Jahr 55 n. Chr. entstanden, ist ein kurzes Schreiben. Der Brief dürfte allerdings eine große Wirkung auf das damalige Sklavenwesen gehabt haben, insbesonders in den christlichen Gemeinden.
Zur Situation: Paulus saß im Gefängnis, wahrscheinlich in Ephesus. Philemon, an den sich der Brief richtet, hatte in Kolossä ein Haus, in dem sich die Christen regelmäßig versammelten. Onesimus war sein Sklave und ihm entlaufen. Das Warum wird nicht genannt, aber es hatte vermutlich Gründe. Auf der Flucht traf Onesimus auf Paulus, der ihn für den christlichen Glauben gewann. Onesimus leistete Paulus in seiner schwierigen Lage wertvolle Dienste. Wie der Brief zeigt, wuchs dem Paulus Onesimus in dieser Zeit sehr ans Herz. Er wurde ihm zum „Kind“.
Der Brief ist einerseits ein Zeugnis für ein Grundanliegen der christlichen Botschaft, nämlich der Freiheit des Menschen und einer Gemeinschaft, in der sich Menschen als Schwestern und Brüder begegnen und andererseits nicht weniger eindrücklich eine Schilderung, auf welchem Fundament diese Gemeinschaft steht, beziehungsweise der Umgang miteinander in den Gemeinden.
Christen als eine Gemeinschaft von freien Menschen und als Schwestern und Brüder vor dem Herrn: Man kann Menschen auf unterschiedliche Weise in Abhängigkeit halten – finanziell, moralisch, religiös u.a. Paulus zeigt hier auf, dass das Christwerden des Onesimus, ihn in eine größere Freiheit bringen soll. Taufe ist für Paulus nicht nur die Zusage eines Schutzes oder Segens von oben. Sie hat Konsequenzen für das tägliche Zusammenleben. Sie verändert die Beziehungen, die Verantwortung für- und miteinander. Es ist der Weg zum freien Menschen.
Vielleicht leidet die Glaubwürdigkeit der Kirche – gemeint: von uns Christen – auch daran, dass im Letzten die Taufe mehr oder weniger konsequenzlos bleibt. Es ist zumindest zu fragen, wie sehr Getaufte eine Alternative zum Konsum- und Konkurrenzdenken, zur Gefährdung der Um- und Mitwelt leben? Es ist auch zu fragen, wie sehr wir die Freiheit anderer Menschen wünschen und fördern?
Paulus beziehungsweise die Christen begannen ein Gegenmodell zur herrschenden, gesellschaftlichen Situation zu leben. Sie durchbrachen das Herr-Knecht-Verhältnis, das Treten nach unten und Bücken nach oben. Sie trugen große Sorge füreinander.
Wir kennen Paulus als starken, kantigen und leidenschaftlichen Kämpfer, mit dem nicht immer ganz leicht Kirschen zu essen war. Petrus hatte da besondere Erfahrungen. Hier agiert Paulua als demütigst Bittender und Werbender. Er will jeden Eindruck von Druck und Zwang gegenüber Philemon vermeiden. Onesimus ist ihm ans Herz gewachsen. Er will mit dem Schreiben aber auch das Herz des Philemon – seine freie, innere Zustimmung – gewinnen.
Entlaufene Sklaven wurden normalerweise von ihren Herren gesucht und bestraft. Paulus schickt Onesimus zurück, riskiert damit das Strafen und Bestraftwerden. Wir wissen natürlich, dass Paulus dies niemals gewollt hätte, er aber legt dennoch die Entscheidung in die Hände des Philemon. Er fordert von Philemon keine Zustimmung kraft seiner ihm zukommenden Autorität, sondern bindet es zurück an den Menschen Philemon und an den Herrn Jesus Christus. Er möge ihn als „geliebten Bruder“ annehmen.
Jemanden als geliebten Bruder annehmen, kann man nicht verordnen. Paulus weiß darum. Er kann nur darum werben und sich als Mensch, der im Gefängnis sitzt, zusätzlich in die Waagschale werfen. Er ist sich in seiner eigenen Not aber nicht zu gut, um sich für einen entlaufenen Sklaven einzusetzen.
Das, was zwischen den Zeilen heraus zu lesen ist, birgt Kraft für unsere Verkündigung.