Ein Dienst der Hingabe 1. Lesung: Hab 1,2-3;2,2-4| 2. Lesung: 2 Tim 1,6-8.13-14| Evangelium: Lk 17,5-10
Der Zugang zu diesem Evangelium ist nicht ganz leicht, nicht zuletzt wegen des fehlenden Zusammenhanges und der zu beachtenden Hintergründe.
Jesus ist auf dem Weg nach Jerusalem. Er behandelt Themen der Nachfolge. In diesem siebzehnten Kapitel spricht er zunächst zu den Jüngerinnen und Jüngern, dass es immer Anstöße („skandala“) geben wird. Diese skandalisierenden Anstöße dürften mit führenden Gemeindemitgliedern in Verbindung zu bringen sein, die mit ungerechtem, korruptem Verhalten andere Glaubensgeschwister – die sogenannten „Kleinen“ – zum Glaubensabfall bringen. Und Jesus weiter: „Wenn dein Bruder oder deine Schwester Unrecht tun, ermahne sie; und wenn sie umkehren, vergib ihnen. Und wenn sie dir siebenmal am Tag Unrecht tun und sich dir siebenmal wieder zuwenden und sagen: „Ich kehre um!“, so vergib ihnen.“
Darauf antworten die Apostel Jesus: „Stärke unseren Glauben!“ Diese Bitte um das Stärken des Glaubens steht im Zusammenhang mit der Vergebungsbereitschaft. Die Apostel lassen da ihre Grenzen erkennen: Sieben Mal am Tag? Wer von uns ahnt nicht ebenso diese Grenze seiner oder ihrer Vergebungsbereitschaft?
Jesus wendet sich also unmittelbar an die Apostel: Wenn ihr Glauben hättet so groß wie ein Senfkorn, würdet ihr zu einem Maulbeerbaum sagen: Entwurzle dich und pflanze dich im Meer wieder ein – er würde euch gehorchen. Und darauf folgt das Gleichnis von den Sklaven. Wir hörten es als Evangelium.
Es fällt auf, dass sich Jesus mit dem Gleichnis an die Praxis der Hörenden wendet: „Wer aber von euch hat Sklavinnen und Sklaven …“. Selbst unter den Apostel dürften manche Sklaven gehabt haben. Allerdings sollen sich die Hörenden nicht mit dem Verhalten der Sklavenbesitzenden identifizieren, wie es manchmal geschehen ist und geschieht, sondern es geht um einen Perspektivenwechsel. Vielmehr sollen sie sich mit den Sklavinnen und Sklaven, von denen im Gleichnis die Rede ist, identifizieren und sich deren Haltung zu Eigen machen.
Es ist also kein Reich-Gottes-Gleichnis, auch kein Gleichnis, das zur Rechtfertigung der Sklavenhaltung und der Gewalt ihnen gegenüber herangezogen werden könnte. Der griechische Text nennt einen Sklaven, der auf der Landwirtschaft und im Haushalt eingesetzt wird. Von ihnen wurde ein bedingungsloser Gehorsam erwartet und am Ende stand nicht einmal ein Dank. Es zeigt die bedrückende Unrechtssituation, die das Leben der Sklavinnen und Sklaven bestimmte.
Der Zugang Jesu zu Sklaven ist ein anderer: Ich nenne euch nicht mehr Knechte, vielmehr habe ich euch Freunde genannt (Joh 15,14-15). Oder wenn wir bei Lukas bleiben: Jesus tritt an mit dem Zitat aus Jesaia: Der Geist des Herrn ruht auf mir; denn er hat mich gesalbt. Er hat mich gesandt … den Armen eine frohe Botschaft zu bringen; Gefangenen die Entlassung zu künden; … die Zerschlagenen in Freiheit zu setzen und ein Gnadenjahr des Herrn auszurufen (Lk 4,18f).
Jesus rechtfertigt nicht die Sklaverei, in der die Menschen von ihren Besitzern vermittelt bekommen haben, du bist wertlos, gering, sondern er trägt den Hörerinnen und Hörern auf, sich mit den Sklaven zu solidarisieren, sich ihre Haltungen im Zusammenhang mit der Vergebungsbereitschaft, bzw. Versöhnungsarbeit zu Eigen zu machen: Hingabe zu leben und keinen Dank zu erwarten.
Unrecht, Skandale – oder wie man es nennen mag – zerstören Lebensgrundlagen, zerstören Vertrauen, Gemeinschaften und Beziehungen. In unserem Zusammenhang redet Jesus von den unvermeidbaren Anstößen. In Verbundenheit mit der Nachfolge trägt er zur unbegrenzten Vergebungsbereitschaft gegenüber Glaubensgeschwistern ein (Lk 17,3-4). Diese Vergebungsbereitschaft ist an Glauben gebunden und bleibt dieser Glaube manchmal so klein wie ein Senfkorn, er hat das Potential einer großen Wirkung.
Jesus redet zu den Jüngerinnen und Jüngern, bzw. zu den Aposteln, es sind in erster Linie Menschen, die Leitungsaufgaben innehaben und die anderen zum Vorbild sind. Der Leitungsdienst gleicht dem Sklavendienst. Er ist nicht dazu da, um Karriere zu machen, besonderen Status zu erlangen oder Dank zu erwarten. Es ist ein Dienst an und in der Gemeinschaft, der ein versöhntes Miteinander ermöglicht. Es kann sich wie ein Sklavendienst anfühlen. Vielleicht erahnen Chefinnen und Chefs, Abteilungsleiterinnen und – leiter, wie es gemeint ist oder vielleicht in der einen oder anderen Situation Eltern?
Es sei nicht unerwähnt, dass Jesus neben der Versöhnungsbereitschaft festhält: Wenn deine Schwester oder dein Bruder Unrecht tun, ermahne sie; und wenn sie umkehren, vergib ihnen (Lk 17,3). Es ist Teil der Leitungsaufgabe zu ermahnen, Unrecht anzusprechen, auf den Weg der Nachfolge hin zu führen. Aber auch da gilt: Es geht nicht um Status, Prestige oder Dank. Es sei ein Dienst, damit Menschen versöhnt miteinander auf dem Weg sind.
Jesus richtet die Worte zunächst an Jüngerinnen, Jünger und Apostel, an Menschen, die Leitungsaufgaben haben und Vorbilder sind. Es ist zugleich ein Wort an alle Getauften, denn jeder und jedem ist aufgetragen, versöhnend zu leben oder zu wirken. Es ist ein Dienst, dessen Gelingen wesentlich von gelebter Demut abhängig ist.