Ein Fest des Übergangs 1. Lesung: Apg 1,1-11| 2. Lesung: Eph 1,17-23 | Evangelium: Mt 28,16-20
Transparenz ist in Krisenzeiten ein wichtiges Thema und wurde in den letzten Wochen und Monaten zu Recht eingefordert. Sie ist erforderlich, damit ein Volk und Mitarbeitende Entscheidungen und Maßnahmen nachvollziehen können und eine Grundlage haben, entweder sie mitzutragen oder sich dagegen auszusprechen. In der Frage der Transparenz hat die Kirche auf Grund ihrer Verfasstheit in einigen Bereichen Luft nach oben.
Die äußere Verfasstheit soll aber nicht jetzt das Thema sein, sondern ich will auf den Umgang mit dem biblischen Wort hinweisen. Es ist für mich manchmal nicht nachvollziehbar, weshalb in der Leseordnung der Sonn- und Feiertage manche Verse, Halbverse oder auch Abschnitte weggelassen sind? Diese Leseordnung ist nach dem II. Vatikanischen Konzil Ende der sechziger Jahre zustande gekommen. Öfters kommt es z.B. vor, dass einfach jene Verse fehlen, in denen die Frauen genannt sind, oder wo scheinbare Widersprüche auftauchen. Vielleicht wollten sie die Gläubigen schonen oder die Mitglieder hatten selbst Mühe, mit diesen Themen oder Fragen umzugehen?
Ich finde es manchmal spannend gerade solches zum Thema zu machen: Die gehörte Lesung ist der Apostelgeschichte entnommen, dem ersten Kapitel mit den ersten elf Versen. Der zwölfte ist einfach weggelassen: „Dann kehrten sie (die Apostel) vom Ölberg, der nur einen Sabbatweg von Jerusalem entfernt ist, nach Jerusalem zurück“ (Apg 1,12). Wir haben zwei unterschiedliche Angaben, wo sich die Himmelfahrt Jesu ereignete. Matthäus lokalisiert sie auf einem Berg in Galiläa und Lukas auf dem Ölberg nahe Jerusalem. Kapp 200 km liegen dazwischen. Es mag aufs Erste verwundern, wenn ich zunächst einmal feststelle, dass natürlich beide Recht haben bzw. sie uns die je eigene Wahrheit mitgeben.
Einige Elemente will ich aufzeigen: Jeder Autor verfolgt mit den Erzählungen eine besondere Absicht. Lukas verfolgt mit seinen beiden Schriften eine Vision. Mit dem Evangelium schildert er, dass das Evangelium – die Frohbotschaft – ausgehend von Galiläa im religiösen Zentrum, in Jerusalem ankommt. Mit seinem zweiten Werk, der Apostelgeschichte, bezeugt er, dass sie das politische Zentrum – Rom – erreicht. Paulus wird als Gefangener per Schiff nach Rom gebracht, wo er das Martyrium erleidet. Matthäus dagegen legt mit seinem Evangelium den Schwerpunkt auf die Aussage, dass das, was Jesus in Galiläa begonnen hat, nach seinem Tod dort auch weitergeht. Matthäus stellt zunächst fest, dass es unter den Jüngern bis zum Schluss Zweifler gibt. Den Zweiflern werden keine Vorwürfe gemacht, sondern der Auferstandene hinterlässt ihnen die Zusage, dass ihm alle Vollmacht im Himmel und auf Erden gegeben ist.
Die Vollmacht dieser Welt liegt beim Auferstandenen. Für Glaubende gilt es diesen Gedanken immer wieder zu vergegenwärtigen. Die Vollmacht ist dem Auferstandenen gegeben und keinem Staatsmann, keinem Priester, keinem Populisten, keinem Terroristen auch nicht einem Virus. Sie mögen Macht haben, aber die Vollmacht liegt in der Hand des Auferstandenen. Die ohnmächtige Liebe, wie sie am Kreuz sichtbar wird, ist zur alles bestimmenden Kraft und Macht geworden.
Die Evangelisten schildern uns die Himmelfahrt an verschiedenen Orten. Es schließt ein, dass nicht der Ort zentral ist, sondern die Erfahrung. Der Auferstandene entschwindet den Jüngern bzw. er entzieht sich ihnen. Die Jüngerinnen und Jünger sind gefordert, sich auf die eigenen Füße zu stellen, ihren Weg zu finden und selbstständig zu gehen. Sie sind gefordert, in Eigenverantwortung die Botschaft Jesu in die Welt hinein zu tragen. Die Apostelgeschichte erklärt dazu, dass sie zusammenbleiben und warten sollen, bis der Beistand kommt. Sie beugt jedem Aktionismus und jeder Überreaktion vor: Wartet, betet, überlegt, findet Tritt, habt Geduld. Es kommt der Beistand.
Christi Himmelfahrt als eine Erfahrung Jesus – der Auferstandene – entzieht sich uns. Mir scheint, dass in den letzten Wochen und Monaten uns diese Erfahrung sehr nahe gekommen ist: keine gemeinsamen Gottesdienste, keine Eucharistie mit dem Volk. Vertrautes und Gewohntes sind einfach nicht mehr. Er hat sich uns entzogen.
Natürlich ergeben sich Fragen: Wie darauf reagieren? Halten wir das aus? Wie hält es die Kirche, die Gemeinde aus? Wie leben wir unter diesen Umständen den Glauben? Wie Ostern feiern? Können Priester ohne „Leib“, ohne Volk Eucharistie feiern? Was ist Aufgabe der Kirche in der Pandemie? Gelten die Regeln auch für sie oder nur für andere? Welche Solidarität ist gefragt? Was will uns Gott mit einer solchen Situation sagen? Was lernen wir? Es gab viele kreative und oft schnelle Aktionen.
Es sollte uns bewusst bleiben, dass die Pandemie von keinem Menschen gemacht wurde oder gewollt war. Daher würden Verdächtigungen, Schuldzuweisungen oder Unterstellungen wenig beitragen, aus einer solchen Erfahrung wirklich zu lernen. Es wird dann für die Kirche zu einer Chance, wenn sie gemeinsam hört, diskutiert, überlegt, betet und der Frage nachgeht: Was heißt es in einer solchen Zeit, die Frohbotschaft zu bezeugen? Einfach zur Tagesordnung übergehen wird es nicht sein.
Christi Himmelfahrt ist ein Fest des Übergangs. Es geht um Verlust ohne, dass wir das Neue schon kennen.
Wenn Sie den Text der 1. Lesung aus der Apostelgeschichte anhören möchten:
Wenn Sie den Text der 2. Lesung aus dem Brief des Apostel Paulus an die Epheser anhören möchten:
Wenn Sie den Text aus dem heiligen Evangelium nach Matthäus anhören möchten: