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Ein Licht für alle Völker 1.Lesung: Jes 40,1-5.9-11| 2.Lesung: Apg 10,34-38 oder Tit 2,11-14;3,4-7| Evangelium: Lk 3,15-16.21-22
Maria und Josef tun, was das Gesetz für jüdische Eltern vorsieht. Sie bringen nach vierzig Tagen ihr Kind Jesus in den Tempel, um das Reinigungsopfer für die Mutter und das Sühnopfer für das Kind darzubringen. Man kann beim Evangelisten Lukas erkennen, dass er die Familie Jesu in der jüdischen Tradition eingebettet schildert. Die Gesetze, Vorschriften und Riten werden eingehalten. Im Feiern der Riten offenbart sich zugleich das tiefere Geheimnis Jesu und seiner Sendung. Auf einige Aspekte sei hingewiesen:
Zwei Prophetengestalten – Simeon und Hanna – begleiten deutend das Geschehen. Simeon, der als gerecht und fromm charakterisiert wird, wartet auf den Trost Israels. Der Trost Israels ist eine andere Formulierung für den Messias, den Retter des jüdischen Volkes. Er erwartet sich die Rettung nicht wie die Zeloten, die auf den Kampf mit Waffen setzten, sondern sieht im Kind Jesus seine Erwartungen erfüllt. Sie werden sogar übertroffen. Im Kind begegnet ihm nicht nur der Retter Israels. Es ist auch Licht für alle Völker. Hervorgehoben ist das Licht sein Jesu für alle Völker.
Es ist ein prophetisches Wort gegen eine Vereinnahmung Jesu, auch gegen eine Vereinnahmung von uns Christen. Jesus gehört auch uns Christen nicht allein. Er ist Licht für alle Völker. Das Bild des Lichtes deutet Jesu Daseinsweise in seiner Gewaltlosigkeit. Wäre Gewalt, Druck oder Hinterlist im Spiel, würde es das Leben von Menschen verdunkeln. Jesus wirkt wie das Licht. So kann auch die Verkündigung Jesu nur fern jeder Gewalt und jedes Druckes erfolgen.
Bei Simeon wird seine enge Verbundenheit zum Geist hervorgehoben. So wird von ihm gesagt: Der Heilige Geist ruhte auf ihm. Vom Heiligen Geist war ihm offenbart, dass er Christus (den Gesalbten des Herrn) sehen werde und vom Heiligen Geist wird er in den Tempel geführt. Diese dreimalige Erwähnung des Heiligen Geistes verstärkt nochmals die Zuverlässigkeit seiner Worte, die er zum Kind Jesus zu sagen hat. Sie sind mehr als Menschenworte.
Simeon – nochmals – sieht in Jesus nicht nur das Kind von Maria und Josef, er offenbart Jesus als das Licht für die Völker, das die Heiden erleuchtet, und als Herrlichkeit für das Volk Israel. Etwas anders formuliert, meint es, dass Simeon den Eltern Josef und Maria aufzeigt, dass ihnen ihr Kind Jesus nicht allein gehört. Jesus bringt eine Sendung mit, die geht weit darüber hinaus. In Jesus zeigt sich die Herrlichkeit Israels und er ist Licht für die Völker.
In jedem Kind leuchtet die Herrlichkeit Gottes auf. Jedes Kind bringt Licht mit, über die Familie hinaus. Das Dasein eines Kindes oder Nicht-Dasein hat gesellschaftliche Bedeutung und Auswirkungen. Das Fest Darstellung des Herrn hält die Dankbarkeit für Kinder hoch. Kinder sind ein Geschenk und auch Aufgabe für uns alle.
Dieser Gedanke betrifft ebenso das Verständnis der Taufe. Die Taufe ist mehr als eine Familienfeier. Es ist die Feier, dass ein Kind in eine größere Gemeinschaft eingebunden ist, dass es von einer größeren Gemeinschaft mitgetragen wird, dass wir Teil der Schicksalsgemeinschaft Jesu sind, die ihm nachfolgt oder zumindest versucht ihm nachzufolgen. Es ist die Feier, dass wir füreinander Verantwortung haben.
Ein markantes Kennzeichen des Evangelisten Lukas ist, dass er in seinem Evangelium durchgehend beide – Frauen und Männer –, beziehungsweise Geschichten oder Auftritte von Frauen und Männern vorkommen. Neben Simeon tritt die Frau, die Prophetin Hanna auf. Sie wird Prophetin genannt, obwohl wir von ihr keine Inhalte erfahren, was sie sagt, außer, dass sie Gott preist. Sie ist als Witwe alt geworden. In der Welt damals war es ein hartes Los. Vermutlich musste sie vom Betteln leben. Mit ihr kommt die Armut zu Jesus. Hanna preist Gott, weil sie im Kind den kommenden Anwalt der Armen erkennen kann.
Beim ersten Auftritt Jesu in seiner Heimatstadt Nazaret nimmt Jesus als ca. dreißigjähriger die Schriftrolle in die Hand und liest daraus vor: „Der Geist des Herrn ruht auf mir; denn er hat mich gesalbt. Er hat mich gesandt, damit ich den Armen eine frohe Botschaft bringe“ (Vgl. Lk 4,16-18). Die besondere Sorge Jesu um die Armen und Ärmsten prägt das Wirken Jesu. Er wird zu ihrem Anwalt, ist ihnen Halt und verbürgt sich für ihre Würde.
Nochmals: In Jesus zeigt sich die Herrlichkeit Israels und er ist Licht für die Völker.
Wenn Sie den Text der 1. Lesung aus dem Buch Jesája anhören möchten:
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Wenn Sie den Text der 2. Lesung aus der Apostelgeschichte anhören möchten:
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Wenn Sie den Text aus dem heiligen Evangelium nach Lukas anhören möchten:
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In unseren Gedanken zu den Texten der Sonntage haben wir schon öfter auf die Problematik von Textauslassungen hingewiesen. Wir wollen einen Versuch starten und werden ab dem Beginn des neuen Lesejahres die Texte in der Länge der biblischen Verfasser lesen.
Seit Jahrhunderten beeindruckt die Bibel Menschen mit ihren Formulierungen. In der Zeit ihrer Entstehung für jeden verständlich brauchen Leserinnen und Leser von heute eine Übersetzung dieser Texte. Jede Übersetzung ist in gewisser Weise auch eine Deutung der Schrift. Die Einheitsübersetzung ist uns bereits vertraut. Wir wollen bewusst mit Beginn des neuen Kirchenjahres eine andere Übersetzung verwenden, um uns neu von den Texten überraschen zu lassen. Wir haben uns für die Übersetzung der BasisBibel entschieden, die seit Januar 2021 vollständig vorliegt. Die BasisBibel ist die Bibelübersetzung für das 21. Jahrhundert: klare Sprache, kurze Sätze und verständliche Sprache.