Ein möglicher Weg ins gelobte Land 1.Lesung: Num 6,22-27| 2.Lesung: Gal 4,4-7| Evangelium: Lk 2,16-21
Als Abraham berufen wird, sagt Gott zu ihm: „Ich werde dich zu einem großen Volk machen, dich segnen und deinen Namen groß machen. Ein Segen sollst du sein“ (Gen 12,2). Es ist der Segen an eine Person, eben an Abraham. Gott wird Abraham gut sein. Und Gott trägt Abraham auf, dass er den Menschen zum Segen sei, das heißt: ihnen eben gut zu sein.
Es ist viel Geschichte dazwischen bis Mose und Aaron den Auftrag bekommen, die Israeliten – das ganze Volk – zu segnen. Mit Abraham beginnt der Glaube an den Einen Gott. Im Laufe der Zeit ist aus der Sippe des Abraham ein ganzes Volk geworden, das den EINEN verehrt. So nimmt auch der Segen, den wir als Lesung gehört haben, diese neue Dimension auf. Zu diesem Segen einige Gedanken:
Jemanden segnen oder jemanden zum Segen sein zu wollen ist aus der Sicht eines Segnenden die innerste Bereitschaft und Absicht, der betreffenden Person gegenüber gut zu sein. Was gesagt wird, was getan wird, trage zu seinem oder ihrem Wohl bei. Jemanden segnen, hat nichts mit einer Gefälligkeit, Schmeichelei, Vertröstung oder Taktik zu tun, vielmehr ist es Ausdruck einer aufrechten und ehrlichen Beziehung, beziehungsweise Begegnung.
Sich von Gott segnen zu lassen ist mit dem Glauben verbunden, ER meint es mit mir gut, selbst dann, wenn ich es im Moment nicht sehen oder verstehen kann.
Im Aaronsegen finden wir die Formulierung: Der Herr lasse sein Angesicht über dich leuchten. Gottes Angesicht leuchte auf, damit die Menschen nicht im Dunkeln, in Angst und Gefahr zu gehen haben. In Gottes Angesicht leuchtet Recht, Gerechtigkeit und die Würde des Menschen auf. Dafür steht er.
Das Angesicht Gottes zeigt sich zugleich in der zum Gottesdienst versammelten Gemeinde, in den Mitfeierenden, in den Gott Suchenden und mit IHM Ringenden. In den Mitglaubenden begegnet uns der Lebendige. Man darf erfahren, dass man nicht alleine auf dem Weg ist. Man ist mitgetragen und trägt mit. Man kann auf Dauer nicht allein glauben. Der Glaube ist angewiesen auf Gemeinschaft, das Angesicht Gottes. Wir gehen in der Kirche einer Phase entgegen, so meine ich, in der es nicht mehr selbstverständlich ist, dass diese Gemeinschaft erfahren wird.
Im Aaronsegen wird das Angesicht ein zweites Mal erwähnt: Der Herr wende sein Angesicht dir zu und schenke dir Frieden. Es sind herausfordernde Erfahrungen, das Erleben, dass sich ein Mensch abwendet, er oder sie mich nicht mehr anschaut oder anschauen will.
Der Herr wende dir sein Angesicht zu. Es ist die Bitte, noch mehr der Wunsch, dass Gott sich deiner annimmt, dass du dich als gesehen erlebst, dass du Sinn erfahren kannst, dass du die Welt um dich herum verstehst, dass du Boden unter die Füße bekommst, dass du Vertrauen in das Kommende hast.
Der Herr wende dir sein Angesicht zu: Erfahre dich nicht als ausgegrenzt oder allein gelassen; erfahre dich nicht als Fremde oder Fremden; erfahre dich nicht als zurückgelassen in den Nöten, Sorgen und Herausforderungen des Alltages.
Der Aaronsegen ist eingebettet unter die große Überschrift im Buch Nummeri: Vorbereitungen für den Aufbruch vom Sinai. Es werden die Regeln für den kommenden Weg durch die Wüste, der ins gelobte Land führt, aufgestellt. Eine Regelung davon ist dieser Aaronsegen.
Wir gehen in ein neues Jahr. Es ist so vieles in Bewegung, sei es politisch, wirtschaftlich, gesellschaftlich, auch kirchlich. Es kommen Veränderungen auf uns zu, die wir noch nicht kennen.
Es ist eine biblische Regelung: sich segnen zu lassen und zu segnen und den Menschen zum Segen zu sein. Ich möchte ermutigen, bewusst dieses einander segnen zu leben; etwa, dass die Eltern die Kinder segnen, vielleicht auch die Kinder die Eltern.
Sich gegenseitig zu segnen in schwierigen Lebenssituationen, in Herausforderungen oder Konflikten. Manche Menschen werden es nicht zulassen. Dann kann ich aber für mich einen Menschen mit meinem Gebet oder meinen Gedanken segnen. Segnen, nicht Rache oder Vergeltung schwören. Segnen und den Ärger, die Enttäuschung, die Verletzung loslassen. ER wird dir Frieden schenken.
Der Herr segne dich und behüte dich. Der Herr lasse sein Angesicht über dich leuchten und sei dir gnädig. Der Herr wende sein Angesicht dir zu du schenke dir Frieden.
Segnen – ein möglicher Weg ins gelobte Land im kommenden Jahr.
Wenn Sie den Text der 1. Lesung aus dem Buch Numeri anhören möchten:
Wenn Sie den Text der 2. Lesung aus dem Brief des Apostels Paulus an die Gemeinden in Galátien anhören möchten:
Wenn Sie den Text aus dem heiligen Evangelium nach Lukas anhören möchten:
In unseren Gedanken zu den Texten der Sonntage haben wir schon öfter auf die Problematik von Textauslassungen hingewiesen. Wir wollen einen Versuch starten und werden ab dem Beginn des neuen Lesejahres die Texte in der Länge der biblischen Verfasser lesen.
Seit Jahrhunderten beeindruckt die Bibel Menschen mit ihren Formulierungen. In der Zeit ihrer Entstehung für jeden verständlich brauchen Leserinnen und Leser von heute eine Übersetzung dieser Texte. Jede Übersetzung ist in gewisser Weise auch eine Deutung der Schrift. Die Einheitsübersetzung ist uns bereits vertraut. Wir wollen bewusst mit Beginn des neuen Kirchenjahres eine andere Übersetzung verwenden, um uns neu von den Texten überraschen zu lassen. Wir haben uns für die Übersetzung der BasisBibel entschieden, die seit Januar 2021 vollständig vorliegt. Die BasisBibel ist die Bibelübersetzung für das 21. Jahrhundert: klare Sprache, kurze Sätze und verständliche Sprache.