Ein österliches Fest 1. Lesung: Off 7,2-4.9-14| 2. Lesung: 1 Joh 3,1-3 | Evangelium: Mt 5,1-22a
Allerheiligen ist ein österliches Fest. Jemand nannte es in der vergangenen Woche: Es sei das Osterfest im Herbst. Es ist das Fest der von Gott geheilten und geheiligten Menschen, der großen und kleinen Heiligen, der gefeierten und der übersehenen Heiligen. Es ist die Feier Gottes, der die Menschen ins Leben liebt.
Das Evangelium zu Allerheiligen ist der Beginn der Bergpredigt mit den Seligpreisungen. Ich will heute die Bergpredigt als Ganzes in den Blick nehmen und auf das Fest hin ein wenig sprechen lassen.
Bei dieser Bergpredigt fällt auf, dass sie einen eigenartigen Beginn hat. Jesus geht auf einen Berg. Der biblische Mensch ist an Mose mit dem Sinai erinnert, bzw. an den Propheten Elija, der Gott am Gottesberg Horeb neu hören und kennen lernte.
Jesus beginnt die Rede. Es heißt da, dass er den Mund öffnet, lehrte und spricht. Üblicherweise hören wir, dass er etwas sagt oder lehrt. Hier werden drei Begriffe verwendet, die schlicht darauf aufmerksam machen, dass es um etwas Besonderes geht. Es ist mehr als eine Rede. Es ist mehr als eine Lehre. Da wird uns etwas gesagt, das uns eine „andere“ Welt eröffnet, bzw. in eine „andere“ Welt führt. Es ist ein Hinweis, dass wir die Bergpredigt insgesamt als einen mysthischen Text verstehen dürfen.
Wenn ich von einem mysthischen Text spreche, dann sind die Tiefendimensionen des menschlichen Daseins angesprochen, berührt, betroffen. Die Vernunft allein genügt nicht, um diese Tiefen zu verstehen. Es braucht das Herz, die Seele und letztlich ist alles Erkennen und Verstehen ein Geschenk.
Allein die Seligpreisungen sind in ihren Aussagen paradox und doch so wahr. Es klingt paradox: Selig, die arm sind, … ihnen soll das Himmelreich gehören. Selig, die keine Gewalt anwenden, … sie werden ohne Kampf und Krampf das Land erben. Selig, die hungern und dürsten nach Gerechtigkeit, … sie werden satt. Oder: Selig, die um meinetwillen beschimpft, verfolgt und verleumdet werden. Freut euch und jubelt, euer Lohn im Himmel wird groß sein.
Die Seligpreisungen sprengen die menschliche Logik. Sie führen in die Welt Gottes. Sie begründen eine besondere Beziehung zu ihm, eine Beziehung zu der niemand gezwungen werden kann. Sie zeigen zugleich einen Weg auf, auf dem uns Gott ganz nahe kommt. Er erfahren werden kann.
Ein Mensch, der ganz auf Gott setzt, wie es die Seligpreisungen aufzeigen, wird Gottes Wort insgesamt ernst nehmen. Ein Mensch, der auf Gott setzt, keine Gewalt anwendet, Gerechtigkeit sucht, barmherzig ist, der erlebt die Beziehungen zu den Mitmenschen neu und er wird sie zugleich neu zu gestalten beginnen. Es ist ein Weg, der zur Feindesliebe hinführt und einlädt.
Den Feind lieben – es ist die Herausforderung schlechthin. Ich denke, es ist kein Zufall, dass in der Bergpredigt unmittelbar darauf das Vaterunser folgt. Die Feindesliebe, will sie nicht zur Überforderung werden, braucht die Rückbindung an Gott, das Gebet, das sich beschenken lassen von der Kraft Gottes.
Das Vaterunser bildet die Mitte – das Herzstück – der Bergpredigt. Die Seligpreisungen, die Orientierung am Wort Gottes, das Gestalten der Beziehungen bis hin zur Feindesliebe, führt uns in die Mitte meiner selbst, zum Gespräch mit dem Vater im Himmel. Da kommt jemand mit seinem Innersten in Berührung. Und: Im Innersten wird zugleich das Leben gewandelt.
Es werden neue „Früchte“ wachsen. Es verändert sich das Sorgen. Die Sorgen um das eigne Ich, die oft blind machen und zerstörerisch wirken, beginnen den rechten Platz einzunehmen. Dies hat weiter wieder Auswirkungen auf die Beziehungen zu anderen. Du kannst das Richten über andere beenden bis hin zum Leben der „goldenen Regel“: Alles, was ihr wollt, dass euch die Menschen tun, das tut auch ihnen! Darin besteht das Gesetz und die Propheten (Mt 7,12). Es wird verhindern, dass jemand falschen Propheten nachrennt, zum Spielball von Ideologien – religiöse eingeschlossen – wird.
Am Ende der Bergpredigt sagt Jesus: Wer diese meine Worte hört und danach handelt, ist wie ein kluger Mann, der sein Haus auf Fels baute. Es trotzt den Stürmen und Fluten. Die Bergpredigt zeichnet einen Weg, auf dem das Haus des Lebens auf Fels gebaut wird. Es ist ein Weg, der mit Gott in Berührung bringt und zugleich ins Leben zurückführt, in ein Leben, in dem jede Feindschaft gelöst – vorbei – ist. Johannes in seinem Evangelium sagt, dass es auf jene zutreffe, die aus Gott geboren sind (Joh 1,13).
Wir feiern das Fest Allerheiligen, das Fest, der aus Gott Geborenen. Es ist ein österliches Fest. Wir dürfen dankbar auf jene schauen, die einmal mit uns gelebt haben, die von Gott in eine versöhnte Gemeinschaft verwandelt sind. Die Bergpredigt zeichnet uns den Weg, den Gott mit uns gehen will und wird. Allerheiligen: Das Fest der ins Leben Geliebten.
Wenn Sie den Text der 1. Lesung aus der Offenbarung des Johannes anhören möchten:
Wenn Sie den Text der 2. Lesung aus dem ersten Johannesbrief anhören möchten:
Wenn Sie den Text aus dem heiligen Evangelium nach Matthäus anhören möchten:
Ein Kommentar zu “Ein österliches Fest 1. Lesung: Off 7,2-4.9-14| 2. Lesung: 1 Joh 3,1-3 | Evangelium: Mt 5,1-22a”
Lieber Erich,
vielen Dank für diese wunderbaren, in die Tiefe gehenden Zeilen. Teile der Bergpredigt stehen auch in der Hl. Kreuzkirche in Bludenz, in den sonnendurchflutenden, hochstehnden und farbintensiven Fenstern. Auch hier muss man zuerst in das Gotteshaus hineingeh’n, um den Text, der durch das Licht von außen erst erkennbar wird, lesen zu können.