Ein politisches Zeichen 1.Lesung: Ex 12,1-8.11-14| 2. Lesung: 1 Kor 11,23-26| Evangelium: Joh 13,1-15
Ein erster: Beim Evangelisten Johannes nimmt Jesus angefangen vom letzten Abendmahl bis hin zu seinem Tod keine passive Opferrolle ein. Er lässt nicht alles über sich ergehen, sondern gestaltet sein Leben bis zuletzt. Er bleibt aufrecht und bis zuletzt in der Liebe. Morgen werden wir bei der Passion hören, wie Jesus steht und neben ihm die Soldaten umfallen. Oder: Wie Pilatus beim Prozess hin und her rennt und nicht weiß, was Wahrheit ist und dennoch verurteilt. Und am Ende heißt es: Jesus neigte sein Haupt und gab seinen Geist auf. Der Kopf fällt nicht einfach nach vor, sondern Jesus neigt – aktiv – sein Haupt. Er stirbt, zugleich aber gibt er seinen Geist als Gabe an die Welt weiter.
Johannes – nochmals – zeichnet uns Jesus, der nicht eine Opferrolle einnimmt, sich beklagt, was ihm Schlimmes und Schreckliches angetan wird, oder jammert, wie böse die Menschen sind, sondern der die Seinen liebt, sie bis zur Vollendung liebt. Bei der Fußwaschung sind sie alle mit dabei, auch Petrus, der spätere Jesus Leugner und Judas, der Verräter. Jesus hält an seinem Lieben fest – bis zur Vollendung. Diese Feier heute Abend vergegenwärtigt diese Liebe. Sie vermag auch alles das vollenden, was in uns oder an uns noch bruchstückhaft und allzu menschlich sein mag.
Es gibt immer wieder Menschen die sich in der Opferrolle gefallen. Es geht ihnen schlecht, weil andere nicht so tun, wie sie sich das vorstellen. Manche verfallen in ein für sie lähmendes Selbstmitleid. Jesus gestaltet bis zuletzt sein Leben und nützt die Möglichkeiten, mit seiner Liebe der Welt den neuen, rettenden Geist einzuhauchen.
Diese Feier heute Abend lädt uns ein, sich dieser Liebe zu öffnen. Wann immer wir Gottesdienst – Messe – feiern begegnet uns Jesus im Geist der Fußwaschung. Er wäscht den Seinen nicht den Kopf – wäre ja auch eine Möglichkeit gewesen –, sondern er wäscht ihnen die Füße. Wir sind zugleich eingeladen, mit unserer Liebe die Welt, die Mitwelt, die Familie, die Beziehungen … zu gestalten.
Auffallend ist, dass Jesus den Jüngern die Füße nicht vor, sondern während, bzw. gegen Ende des Mahles wäscht. Es geht ihm mehr als um saubere Füße. Mit der Zeichenhandlung rüstet er die Jünger für den weiteren Weg, dazu sagend: Wenn nun ich, der Herr und Meister, euch die Füße gewaschen habe, dann müsst auch ihr einander die Füße waschen. Ich habe euch ein Beispiel gegeben, damit auch ihr so handelt, wie ich an euch gehandelt habe.
Einander die Füße waschen und nicht die Köpfe – d.h. sich lieben: die Jünger sind auf diesen Impuls angewiesen als sie sich nach den Ereignissen des Karfreitags wieder treffen. Es hätte da viel Grund für gegenseitige Vorwürfe gegeben: einer hat ihn verraten, ein anderer verleumdet und mehr oder weniger haben ihn alle schlussendlich doch im Stich gelassen. Sie treffen sich dann nicht, um einander Vorwürfe zu machen, sondern um sich gegenseitig zu stärken und Mut zuzusprechen. Es könnte auch für diese Zeit der Modus sein, um die verschiedenen Krisen zu bestehen.
Die Feier des Gründonnerstags stärkt den Geist der Fußwaschung in der Gemeinde und Kirche. Er steht dem Konkurrenzdenken, den Rivalitäten, dem gegenseitigen Ausspielen, Schlechtreden und jeglichem Hintertreiben entgegen. Jesus setzt die Zeichenhandlung für seine Jünger in einer Situation, in der alle diese Phänomene in der Luft liegen. Nochmals Jesus: Ich habe euch ein Beispiel gegeben, damit auch ihr so handelt, wie ich an euch gehandelt habe.
Die Fußwaschung ist ebenso als politische Zeichenhandlung zu verstehen. Jesus setzt nicht auf einen „starken Mann“ wie Pilatus, der mit Härte und Gewalt die gesellschaftlichen Probleme bei Seite zu schaffen versucht, mit einem Urteil schnell und endgültig für Ordnung sorgen will, und glauben macht, von allen Lasten und Belastungen befreien zu können. Jesus nimmt auch für sich selbst nicht die Rolle eines solchen ein. Er begibt sich in die Rolle eines Sklaven – frei gewählt –, um die Verhältnisse zu ändern. Er dient wie ein Sklave.
Wir leben in einer Umbruchszeit: gesellschaftlich, wirtschaftlich, politisch, kirchlich … Wir wissen wirklich nicht, wohin wir geführt werden. Das löst Unsicherheit aus. Ähnlich erging es den Jüngern beim letzten Abendmahl.
Das Zeichen mit der Fußwaschung ging bei den Jüngern vorerst nicht tief, so scheint es zumindest. Petrus schlägt bei der Gefangennahme Jesu einem Knecht ein Ohr ab. Es dauerte bis zum Verstehen Jesu. Doch später begannen sie regelmäßig das Herrenmahl zu feiern, um sich seiner und seines Weges zu erinnern.
Um die wirklich großen Konflikte nachhaltig und menschlich zu lösen, bedarf es des Geistes der Fußwaschung – ob gläubig oder vermeintlich ungläubig. Jesus hat uns ein Beispiel gegeben. Er kann und will uns nicht zwingen, heilsam die Welt mitzugestalten.
Wenn Sie den Text der 1. Lesung aus dem Buch Éxodus anhören möchten:
Wenn Sie den Text der 2. Lesung aus dem ersten Brief des Apostels Paulus an die Gemeinde in Korínth anhören möchten:
Wenn Sie den Text aus dem heiligen Evangelium nach Johannes anhören möchten: