Eine einzige Gemeinschaft 1. Lesung: Jes 25,6-10a| 2. Lesung: Phil 4,12-14.19-20| Evangelium: Mt 22,1-14
„Alle Völker sind ja eine einzige Gemeinschaft, sie haben denselben Ursprung … auch haben sie Gott als ein und dasselbe letzte Ziel“ (NA). Diese Textpassage ist keine biblische Fortsetzung der heutigen Lesung aus dem Buch Jesája, sondern eine „Verheutigung“. Sie stammt aus einer Erklärung des Zweiten Vatikanischen Konzils und heißt übersetzt „in unserer Zeit“ (Nostra aetate). Es ist jenes Dokument, das die Haltung der Kirche zu den nichtchristlichen Religionen beschreibt.
Die Verfasser der Schriften des Jesaja betten mitten in die apokalyptischen Ausführungen die sogenannten Fremdvölkersprüche ein. Sie beschreiben einen Gott, der mitten in der Verwüstung der ganzen Erde universale Rettung zu teil werden lässt. Bei der Rettung, die vom Berg Zion kommt, verschlingt Gott „auf diesem Berg die Hülle, die alle Völker verhüllt, und die Decke, die alle Nationen bedeckt“ (Jes 25,7). Die Fülle der unterschiedlichen Zugänge zu diesem einen Gott soll und darf erkennbar werden.
Gläubige der unterschiedlichen Gemeinschaften erwarten von ihren Religionen jeweils Antworten auf die Fragen ihres Daseins. Diese Fragen verbinden uns. Was ist Sinn und Ziel unseres Lebens? Was ist jenes letzte und unsagbare Geheimnis unserer Existenz, aus dem wir kommen und zu dem wir gehen? Wir sehen aber auch, was uns unterscheidet: Unterschiedliche heilige Bücher, Riten und Gebete, aber auch ethische Höhenflüge und moralische Tiefpunkte zu unterschiedlichen historischen Zeiten. Bei allen stattfindenden Dialogen zwischen den Religionsgemeinschaften bleibt uns vieles verborgen und manches fremd. Wir spüren aber, dass wir gerade mit den abrahamitischen Religionen teilen, was der Prophet Jesája folgend formuliert: „An jenem Tag wird man sagen: Siehe, das ist unser Gott, auf ihn haben wir gehofft, dass er uns rettet. Das ist der Herr, auf ihn haben wir gehofft. Wir wollen jubeln und uns freuen über seine rettende Tat“ (Jes, 25,9).
Mich erinnert dieses Spüren einer Verbundenheit zwischen den Religionen und dem nicht einordnen können der göttlichen Absicht dahinter an eine Formulierung des Apostel Paulus – dem Völkerapostel, der viel auf Reisen war und unterschiedliche Kulturen kennengelernt hat. „Jetzt schauen wir in einen Spiegel und sehen nur rätselhafte Umrisse (..). Jetzt ist mein Erkennen Stückwerk, dann aber werde ich durch und durch erkennen (…)“ (1 Kor 13,12).
Im heutigen Evangelium scheint Jesus an die Festmahl-Schilderung des Jesája anknüpfen zu wollen. Auch Jesus beschreibt einen Gott, der alle zusammenholt. Jesus wendet sich mit seinem Gleichnis an die Vertreter der damaligen Glaubensautoritäten – die Schriftgelehrten – und möchte sie mit der Erzählung aus ihren gedanklich engen Räumen in die Weite führen: zu mehr Respekt vor Gottes Allmacht und Barmherzigkeit, zu einem Verständnis von allgemeiner Menschenwürde.
Kürzlich war in einer österreichischen Tageszeitung ein Beitrag über eine Ökonomin zu lesen, die ein Jahr in einer Putzkolonne arbeitete. Die Arbeit als Reinigungskraft sei ein alltäglicher Kampf um Würde, beschreibt sie ihre Erfahrungen. Insbesondere der „Minusbereich“ (die unteren Geschosse der Gebäude) seien für diese Menschen sehr relevant, dort ziehen sie sich um, da sind ihre Schließfächer. Es ist auch jener Bereich, in den sie sich zurückziehen müssen, wenn sie sich oben nicht mehr aufhalten sollen. Genau jene Menschen, die im Minusbereich leben, werden von Gott in den Blick genommen, mit ihnen feiert er das Festmahl. Gott lebt seine Verantwortung für alle, nicht nur für seine Anhängerschaft, seine Klientel oder die „Normalen“. Seine Aufmerksamkeit gilt allen – Bösen und Guten.
So wie damals zu Zeiten des zweiten vatikanischen Konzils um Formulierungen und Zugänge in Rom gerungen wurde, so wird es auch in den nächsten Wochen sein. Erstmals hat ein Papst versucht die Zahl, der Teilnehmenden zu erweitern. Insgesamt zählt die Synode an die 375 Mitglieder, darunter rund 275 Bischöfe, etwas mehr als 50 Priester und Ordensleute sowie rund 45 Frauen und Männer im Laienstand. Die Zahl der eingeladenen Nichtbischöfe beläuft sich insgesamt auf knapp 100, etwas mehr als die Hälfte von ihnen sind Frauen. Das ist nun keine Revolution, aber dennoch beachtlich. In Vorbereitung zur Synode wurden alle Diözesen eingeladen, Anliegen und Themen der Menschen vor Ort zu sammeln und nach Rom zu übermitteln. Einige Diözesen haben die Einladung angenommen, für andere war es eine vernachlässigte Pflichtübung. Viele Themen sind zusammengetragen worden. Es gibt auch eine Fragestellung zum interreligiösen Dialog: „Wie können wir im Licht des Evangeliums den Reichtum der Kulturen erkennen und zusammenführen und den Dialog mit den Religionen weiterentwickeln?“
Ich habe das Vorbereitungsdokument nach einzelnen Schlüsselbegriffen durchsucht. Die Wörter Not, Friede oder Menschenrechte kommen nicht vor. Dies ist umso bemerkenswerter, weil das Thema „Frau und Kirche“ mehrfach genannt wird. Bereits im Dezember 1948 wurde die „Allgemein Erklärung der Menschenrechte“ von vielen Staaten der Welt unterzeichnet. Nicht zu Unrecht wird immer wieder auf die jüdisch-christliche Wurzel der Menschenrechte hingewiesen. Warum hat der Vatikan die Menschenrechtskonvention aber bis heute nicht unterschrieben? Man kann und will den Satz „Alle Menschen sind frei und gleich an Würde und Rechten geboren“ nicht teilen. Wie kann die Kirche in einem Dialog der Kulturen und Religionen glaubwürdig sein, wenn sie für sich bei den Menschenrechten opting-out (Ausnahmen) in Anspruch nimmt – einzelne Paragraphen, die für SIE nicht gelten sollen. Auch andere Staaten bzw. Religionen tun dies, wie die USA oder der Iran bei der Todesstrafe. Auch im Dokument Nosta Aetate gibt es eine einschlägige Formulierung: „So wird also jeder Theorie oder Praxis das Fundament entzogen, die zwischen Mensch und Mensch, zwischen Volk und Volk bezüglich der Menschenwürde und der daraus fließenden Rechte einen Unterschied macht“ (NT).
Welche Ergebnisse kann eine Synode erzielen, wenn sie zwar viele Fragen angeht, aber bei mancher Überschrift die Hautpfrage, wie sie es mit den Menschenrechten hält, unbeantwortet lässt?
Wenn Sie den Text der 1. Lesung aus dem Buch Jesája anhören möchten:
Wenn Sie den Text der 2. Lesung aus dem ersten Brief des Apostels Paulus an die Gemeinde in Philíppi anhören möchten:
Wenn Sie den Text aus dem heiligen Evangelium nach Matthäus anhören möchten: