Wolken mögen Gerechtigkeit regnen 1. Lesung: Jes 45,1.4-6| 2. Lesung: 1 Thess 1,1-5b| Evangelium: Mt 22,15-21
Viele fragen sich in diesen Tagen: Was geht in der Welt momentan vor? Kriege, Terror, Gewalt, Naturkatastrophen, Despoten, u.a. Eng damit verbunden die Frage: Wie wollen oder können wir das glaubend einordnen? Auf welche Spuren des Glaubens führen uns dabei die biblischen Texte? Ich orientiere mich am Propheten Jesaia und verwende dazu den gesamten Text des Beginns des 45. Kapitels inklusive der Auslassungen, die die Leseordnung vorgegeben hätte. Ich möchte die Gedanken nicht als gute Ratschläge für jene verstehen, die gegenwärtig schwerwiegende, politische Entscheidungen in den unterschiedlichen Konflikten zu fällen haben und in meinen Augen vor schier unlösbaren Herausforderungen stehen.
Zunächst zur Situation, in die der Prophet schreibt: Der Perserkönig Kyrus hat Babylon erobert und ermöglicht Israel die Rückkehr nach Palästina. Er gibt den Leuten sogar den Auftrag mit, Jerusalem mit dem Tempel wiederaufzubauen. Er unterstützt das Vorhaben finanziell.
Kyrus, der den Gott Israels nicht kennt, so sagt der Prophet, wird zum Gesalbten Gottes. Ihn hat Gott an der Hand gefasst und wird zu seinem Werkzeug, um ihm Nationen zu unterwerfen und Könige zu entwaffnen. Und weiter sagt der Prophet über Gott, dass er dem König vorausgeht, um Ringmauern einzuebnen, bronzene Türen zu zertrümmern und eiserne Riegel zu zerschlagen.
Es gipfelt in den Worten: So sollst du – Kyrus – erkennen, dass ich der Herr bin, der dich bei deinem Namen gerufen hat …, um meines Knechtes Jakobs willen, um Israels, meines Erwählten willen. … Ich bin der Herr und sonst niemand; außer mir gibt es keinen Gott.
Mit anderen Worten: In der Eroberung, die Kyrus geglückt ist, verbergen sich Spuren Gottes. Er war Wegbereiter. Die Feststellung mag sehr gewagt klingen. Der Text ist dicht und entfaltet weitere Aspekte. Wenn Gott in solchen Ereignissen, wie es Israel in Babylon erlebt, im Spiel ist, dann beugt es jedem; schwarz-weiß Denken entgegen, hier die Glaubenden, dort die Ungläubigen, hier die Braven, dort die Bösen. Wir werden herausgefordert viel tiefer zu fragen, den Konflikten und Auseinandersetzungen viel differenzierter auf den Grund zu gehen, die Geschichte mit all den Ursachen und Hintergründen zu bedenken. Gott, der das Licht formt und das Dunkel erschafft, der das Heil macht und das Unheil erschafft, spricht in den Vorgängen der Welt zu uns.
Übrigens sei hier erwähnt: Wenn im biblischen Text von Israel die Rede ist, dann ist damit weder der heutige Staat Israel noch das Volk der Juden gemeint. Israel – der Begriff in der Bibel steht für Menschen, die mit Gott ringen und die für Recht und Gerechtigkeit stehen. Und wenn vom Gott Israels die Rede ist, dann ist er nicht ein exklusiver Gott eines Volkes, sondern es ist der Gott aller Menschen, ob sie ihn kennen oder nicht, ob sie ihn ernst nehmen oder nicht. Im Weiteren noch mehr dazu.
Ein anderer Gedanke im Text: Gott reißt Ringmauern ein, er öffnet Türen, er zertrümmert bronzene Türen und zerschlägt eiserne Riegel. Der Prophet warnt damit vor falschen Sicherheiten. Mauern, Zäune, Türen aus Metall, eiserne Riegel man kann sie bauen, aber sie werden nie eine letzte Sicherheit bieten. Sie werden vor allem dann nicht halten, wenn sie sich gegen die Menschlichkeit und Würde richten. Der Gott Israels ist ein Gott der Freiheit und Würde für alle Menschen, nicht nur für einige Auserwählte oder ein auserwähltes Volk.
Es gilt dies auch zu bedenken, wenn politische Kräfte meinen, mit starken Außengrenzen an der EU könne man das Problem der Migration lösen. Die Ermöglichung von menschenwürdigem Leben ist Aufgabe der Weltgemeinschaft, vor allem jener Länder, die im Wohlstand leben. Das Schützen des Wohlstandes hat noch nichts mit Reich Gottes oder gelobtem Land zu tun. Die Mauer eines solchen Egoismus wird nicht halten, gleich welcher Färbung solche Ideen entspringen. Es ist Gott, der sie einreißen wird.
Der Prophet Jesaia kündet von Gott: Ich bin der Herr und sonst niemand; außer mir gibt es keinen Gott. Wenn wir einen solchen Satz hören, dann gilt es zu bedenken, für was dieser Gott steht. Es ist jener, der aus dem Sklavenhaus in die Freiheit führt; und der die Menschen geschaffen hat, um mit ihnen ins gelobte Land zu gehen. Jesaia kündet seinem Volk in der Verbannung, wir dürfen neu dieses Vorhaben Gottes erleben. Kyrus ist dabei sein Werkzeug. Und der Prophet präzisiert dann weiter: Taut, ihr Himmel von oben, ihr Wolken, lasst Gerechtigkeit regnen! Die Erde tue sich auf und bringe Heil hervor, sie lasse Gerechtigkeit sprießen. Ich, der Herr, erschaffe es.
Es ist einerseits die Bitte, die Wolken (als Bild für Gottes Gegenwart) mögen Gerechtigkeit regnen und andererseits, die Erde lasse Gerechtigkeit sprießen (als Bild für menschliche Initiativen, seien sie auch noch so klein), die zum Ausdruck bringen, was Gottes Grundanliegen sind, nämlich das Schaffen von Recht und Gerechtigkeit.
Gott, wie er sich hier vorstellt, rechtfertigt keine Gewalt. Das Wachsen von Recht und Gerechtigkeit kann nie mit Gewalt erreicht werden, schon gar nicht mit Gewalt im Namen Gottes. Gewalt und Morden im Namen Gottes rechtfertigen zu wollen ist Missbrauch seines Namens, gleich welcher Religion jemand angehört.
Es ist andererseits eine große Gefahr, solche Ereignisse, wie wir sie in unseren Tagen erleben, ohne Gott deuten zu wollen. Im Letzten ist es der Weg, der Menschen oder Menschengruppen zu Sündenböcken werden lässt, denen jede Würde abgesprochen und denen jede Sympathie entzogen wird.
Im Evangelium haben wir den Satz von Jesus gehört: Gebt dem Kaiser, was dem Kaiser gehört und Gott, was Gott gehört. Es ist der letzte Satz, der die Zuhörer provoziert: Gebt Gott, was Gottes ist. Es ist u.a. das Abtreten des Gewaltmonopols an Gott.
Wenn Sie den Text der 1. Lesung aus dem Buch Jesája anhören möchten:
Wenn Sie den Text der 2. Lesung aus dem ersten Brief des Apostels Paulus an die Gemeinde in Thessalónich anhören möchten:
Wenn Sie den Text aus dem heiligen Evangelium nach Matthäus anhören möchten:
Ein Kommentar zu “Wolken mögen Gerechtigkeit regnen 1. Lesung: Jes 45,1.4-6| 2. Lesung: 1 Thess 1,1-5b| Evangelium: Mt 22,15-21”
Guten Morgen Erich!
Danke für diesen mich sehr ansprechenden Kommentar zur heutigen ersttestamentlichen Lesung mit all seinen Aktualitätsbezügen.
Bei Deiner Beschreibung der Ausgangssituation: „Kyrus hatte Babylon erobert und ermöglichte dem „entwurzelten Israel“ einen Neuanfang und die Rückkehr nach Jerusalem.“
Kyrus hat die Macht, aber er unterdrückt nicht weiter, sondern ermöglicht neues Leben, Entfaltung usw.
Müssten die heutigen Machthaber, müssen wir – die reichen Nationen –
nicht viel mehr tun, um Unterdrückte, Ausgrenzte, Abgewehrte neu anzusiedeln, sie unterstützen sich zu entfalten, einen Neuanfang und ein neues Miteinander zu ermöglichen?
Müssten wir nicht in Vorleistung gehen, weil wir es können und weil wir darauf vertrauen, dass es der Same für ein friedliches Miteinander ist.
Kyrus hat er gewagt. Damals. Vielleicht sollten alle Machthaber es heute ähnlich wagen.
Dir einen gesegneten Sonntag
Rudi Reuter, D-97332 Volkach