Eine neue Priesterordnung 1. Lesung: Jes 53,10-11|2. Lesung: Hebr 4,14-16|Evangelium: Mk 10,35-45
Der Hebräerbrief will in seiner Gesamtheit darlegen, worin die Unterschiede zwischen dem Amt des Hohepriesters und der Berufung und Nachfolge Jesu liegen. Als Hohepriester wurde im Judentum der oberste Priester bezeichnet. Er war der Einzige, der im Tempel einmal – an Jom Kippur, dem großen Versöhnungstag – das Allerheiligste betreten durfte, um dort ein Sühnopfer für seine eigenen Sünden und für die Sünden des Volkes darzubringen.
Zur Zeit der Abfassung des Hebräerbriefes war der Tempel bereits zerstört. Der Verfasser knüpfte aber ganz bewusst an diese Überlieferung an. Er möchte hervorheben, dass selbst der Hohepriester auch nur ein Mensch mit Fehlern und Sünden war. „Da er auch selbst behaftet ist mit Schwachheit“ soll er mit den Gläubigen mitfühlen und für sie einstehen.
Gott ist Mensch geworden und ist ganz in das Menschsein eingedrungen, um mit unseren Schwächen mitfühlen zu können. Ja, er musste sie sogar am eigenen Leib erfahren. Um mit den Worten von Papst Franziskus zu sprechen: „Er nahm den Geruch der Schafe an“. Auch Jesus wurde in Versuchung geführt. Matthäus und Lukas beschreiben die Versuchungen Jesu während seines Aufenthaltes in der Wüste sehr genau. Die erste Versuchung war, aus Steinen Brot werden zu lassen, d.h. unsere Bedürfnisse mit Essen und Trinken zu erfüllen. Die zweite Versuchung betrifft die Macht und den Besitz. Die dritte Versuchung besteht in der Sucht nach Geltung und Ansehen.
Mit Jesus haben wir einen Hohenpriester erhalten, der in unsere Lebenswelt eintauchte, um unsere Schwachheiten, Herausforderungen, unser Bemühen, aber auch das Scheitern erspüren zu können und um uns einen anderen Weg aufzuzeigen. Der Hebräerbrief will uns die große Würde Jesu vor Augen führen, denn die Priester des Gesetzes – man darf und muss ergänzen auch die Priester gemäß des heutigen Kirchenrechtes – sind unvollkommen und schwach. Die aktuellen Berichte von Mißhandlungen durch Priester in Frankreich bestätigen dies leider.
Der Hebräerbrief hält fest, dass kein Hohepriester sich selbst berufen kann. Jesu Berufung besteht aus zwei Kernelementen:
Das erste Kernelement seiner Berufung ist die Gottessohnschaft. Das Priestertum Aarons ging vom Vater auf den Sohn über. Von Melchisedek erfahren wir aber nichts über seine Vorfahren oder etwaige Nachkommen. Jesus stammte nicht aus dem Priesterstamm Levi, sondern wie König David aus dem Stamm Juda. Jesu Priestertum zielt also nicht auf eine genealogische Linie ab oder auf gesetzliche Regelungen, sondern auf die zugesagte Tochter- und Sohnschaft Gottes, wie sie uns in der Taufe zugesprochen wird.
Jesus wird zum anderen nach einer ganz bestimmten Ordnung eingesetzt und zwar nach der Ordnung des Melchisedek. Was hat es nun mit diesem Melchisedek auf sich? Von ihm wird uns im Buch Genesis berichtet. Abram und er begegnen sich, nachdem Abram seinen Neffen Lot aus der Gefangenschaft befreit hatte. „Melchisedek, der König von Salem, brachte Brot und Wein heraus. Er war Priester des Höchsten Gottes. Er segnete Abram und sagte: Gesegnet sei Abram vom Höchsten Gott, dem Schöpfer des Himmels und der Erde, und gepriesen sei der Höchste Gott, der deine Feinde an dich ausgeliefert hat. Darauf gab ihm Abram den Zehnten von allem“ (Gen 14, 18-20). Melchisedek war Priester einer völlig anderen Ordnung, als es später Aaron war, und gehörte nicht zum Volk der Hebräer. Man könnte sagen, er war Ausländer oder Fremder. Melchisedek war der Ordnung nach kein Priester, der Opfer darbrachte, um Gott versöhnen zu wollen, sondern seine Form des Gottesdienstes kennzeichnet das Danken und Teilen – dankbares Teilen. Aus dieser Wurzel lebt das Eucharistieverständnis. Er brachte Abram – einem Mitmenschen – ein Symbol des Lebens und des Dankes – Brot und Wein. Durch die Zehentgabe des Abram anerkennte er die hohe Würde dieses Priesterkönigs.
Im heutigen Evangelium sehen viele eine Heilungsgeschichte des Bartimäus, man kann den Text aber auch als Berufungsgeschichte lesen. Bartimäus antwortet Jesus auf die Frage „Was willst du, dass ich dir tue?“ „Rabbúni, ich möchte sehen können.“ Es geht um das Sehen des rechten Weges, die Fähigkeit zur Unterscheidung von Gut und Böse. Der Glaube und die Zuversicht, dass es einen Weg von Heil und Frieden geben kann und das Erkennen, dass Jesus der Lehrmeister – der Rabbúni – dieses Weges ist, haben Bartimäus schlussendlich geheilt – zum Sehen gebracht. Nicht umsonst fordert Jesus ihn auf: „Geh!“ Und genau dazu entschließt sich Bartimäus, „er folgte Jesus auf seinem Weg nach“. Er geht bei Jesus in die Schule und wir dürfen vermuten, was er an ihm erlebt hat und wozu auch er berufen wurde: Brot und Wein zu reichen und Menschen zu segnen. Das lateinische Wort für segnen – benedicere – heisst Gutes (zu-)sagen. Was hat er erlebt? Keinen Weg der Hierarchien oder der Ämter, keinen Weg an die Macht im irdischen Sinn. Er erlebte den Weg zu einem Königreich, das nicht von dieser Welt ist. Welch ein Widerspruch zur heute verfassten Form von Kirche.
Jesus hat die Kult- und Priesterordnung radikal geändert und der Hebräerbrief versucht, dies zu beschreiben. Die Grundaussagen sind, dass Jesus nie Hohepriester nach der levitischen Ordnung war, dass er einmalige Versöhnung durch seinen Tod erwirkt hat und damit jede Form von Opferkult überflüssig wurde. Jesus ist vielmehr ein für allemal eingegangen in das „Allerheiligste“, in die unmittelbare Gegenwart Gottes. Er hat auch für uns diesen neuen Weg zum Leben erschlossen und ist der wahre Hohepriester, der Vergebung schenkt. Er wirkte als Priester nach der Ordnung des Melchisedek. Melchisedek war Priesterkönig von Salem. Salem bedeutet das Heile, der Frieden.
Wer wie Bartimäus Jesus auf seinem Weg folgt, wird als Tochter oder Sohn Gottes berufen den Menschen das Symbol des Lebens und Dankens – Brot und Wein zu reichen und den Menschen Gutes zuzusagen – die Botschaft von Heil und Frieden. Angeredet ist die Glaubensgemeinschaft, in der die Mitglieder Verantwortung füreinander tragen – in einer Kirche ohne Einteilung in Unter- oder Überordnung durch kirchliche Ämter. In diesem Sinne sollen und dürfen wir uns an der von Papst Franziskus ausgerufenen Weltsynode der Katholischen Kirche beteiligen.
Wenn Sie den Text der 1. Lesung aus dem Buch Jesája anhören möchten:
Wenn Sie den Text der 2. Lesung aus dem Hebräerbrief anhören möchten:
Wenn Sie den Text aus dem heiligen Evangelium nach Markus anhören möchten:
Ein Kommentar zu “Eine neue Priesterordnung 1. Lesung: Jes 53,10-11|2. Lesung: Hebr 4,14-16|Evangelium: Mk 10,35-45”
Im Kontext der Schrift sind es nur noch zwei oder drei andere Menschen, die „ohne Vater und ohne Mutter“ waren: Adam, Eva und Melchisedek.
Und was bedeutet das „Gezeugt noch vor dem Morgenstern“ – in Ewigkeit „?
Nach der Ordnung des Melchisedek
Nach der „Ordnung“? Keine Institution und auch keine neue Institution, keine neue Priesterordnung. . (sacerdos: Sprachwissenschaftlich wird der aus den Worten sacer („einer Gottheit gehörig“) und *dhe („machen“, „tun“) zusammengesetzte Begriff als „Vollzieher einer heiligen Handlung“ gedeutet).
Die neue «Ordnung»:
»Denn wer den Willen tut meines Vaters im Himmel, der ist mir Bruder und Schwester und Mutter« und in Johannes 11,54: «Damit die Herrlichkeit Gottes sichtbar werde.»
Institutionen verlangen Gehorsam. Sie neigen dazu, dem Einzelnen die Verantwortung abnehmen zu müssen. So spielen sie sich als Mittler zwischen Mensch und Gott auf: bis hin zum „Befehl ist Befehl“.
König von Salem. Frieden, genauer: Lebensfülle.
Salem, ein Ort der nicht zu verorten ist. Vorgriff auf das himmlische Jerusalem.