Eine verheißungsvolle Zukunft 1. Lesung: Jes 25,1-6a.10 | 2. Lesung: Jak 5,7-10 | Evangelium: Mt 11,2-11
Das Kirchenjahr beginnt mit dem Advent. Wir warten auf SEIN Kommen. Es ist weniger eine Initiative, die wir zu setzen haben. Unsere Aufgabe ist mehr diese Haltung der Offenheit, der Erwartung und des Hoffens. Das Wie, Wann und Wo seines Kommens ins Heute ist immer wieder unerwartet und überraschend.
Wir lesen dazu biblische Texte. In ihnen spiegeln sich Erfahrungen, die einzelne Menschen und auch Israel als Volk gemacht haben. Der Text der ersten Lesung aus dem Propheten Jesaja ist dazu ein besonderer Text.
Vielleicht fühlen manche sich bestätigt und sagen, da haben wir es: Das Erste Testament: Ein Gott der Rache und Vergeltung. „Seht, euer Gott! Die Rache kommt, die Vergeltung Gottes!“ Es mögen für manche meine Gedanken eine Wiederholung sein, ich möchte aber gerade an Hand dieser Jesaja-Stelle einen Wesenszug des I. Testamentes deutlich machen.
Jesaja schreibt hier an die Menschen in der babylonischen Gefangenschaft. Sie haben alles verloren: Tempel, Priesterschaft, Heimat, Rechte. Viele von ihnen sind rechtlose Sklaven und Mägde. Viele sind von Angst und Zweifel, ja Verzweiflung erfüllt. Die Herzen kennen den Hass gegen Gott und Menschen. Sie kennen auch den Wunsch nach Rache. Um größeres Unheil zu vermeiden, brauchen Hass und Rache ein Ventil. Wenn Menschen sich zu rächen beginnen, dann verheißt das nichts Gutes. Die Gefahr ist groß, dass alles noch schlimmer wird, Zank, Streit und Konflikte eskalieren bis hin zu Totschlag, Mord und Krieg. Wenn sich Hass und Rachegefühle nicht gegen andere richten und sie kein Ventil haben, besteht die Gefahr, dass sie sich zerstörerisch gegen die eigene Person richten. Es besteht die Gefahr von Verbitterung, Abwertung und Depression.
Der biblische Mensch überlässt die Rache Gott. Und wenn sich Gott rächt, dann darf man immer noch die Hoffnung haben, dass es für die Widersacher, Feinde – auch Todfeinde – zum Heil wird.
Jesaja beschreibt hier, was geschieht, wenn seine Rache, seine Vergeltung kommt? Es heißt da zunächst für Israel: ER selbst kommt und wird euch retten. Und dann weiter: Dann werden die Augen der Blinden aufgetan und die Ohren der Tauben werden geöffnet. Dann springt der Lahme wie ein Hirsch und die Zunge des Stummen frohlockt.
Wenn Gott seine Rache beginnt, so Jesaja, zeigt es sich in seinem Heilshandeln: Blinden werden die Augen geöffnet, Tauben die Ohren, den Stummen die Zunge gelöst. Es ist ein Heilshandeln, das die Grundlage für ein neues Miteinander ist und menschliche Beziehungen aufleben lässt. Es ist verheißungsvoll, wenn man sich neu sehen kann, aufeinander hört und anhört, sich nicht stumm begegnet, sondern redet und das Seine mit anderen teilt.
Es ist ein Ventil, die Rache Gott zu überlassen. Das sind keine schnellen Entscheidungen oder kurzen Prozesse. Es kann sein, dass es ein langes Ringen im Gebet ist, dass es mehrere Ansätze braucht, dass es schließlich ein Loslassen bedeutet und Vergebung einschließt. Es geht nicht ums Vergessen. Manches können wir nicht vergessen, weil es Teil des Lebens ist. Ich wünsche aber nicht länger einem Menschen Schlechtes oder Übles, sondern wünsche, dass Gott mit der Person heilsam ringt, wie er es mit Jakob tat (Gen 32,23-33).
Es ist eine verheißungsvolle Zukunft, die Gott plant, so dürfen wir dem Propheten Jesaja entnehmen. Er plant nicht das Ende von Völkern. Es werden auch nicht die Verhältnisse, wie sie einmal waren, wieder hergestellt. Es soll Neues werden und es wird Neues werden. Jesaja verwendet das Bild: Die Wüste und die Steppe sollen genauso prächtig blühen wie der Libanon, das Karmelgebirge und die Ebene Scharon. Mit anderen Worten: Das Unmögliche soll möglich werden.
Es geht nicht um eine oberflächliche Freude, die schon alles erreicht zu haben glaubt und sich genussvoll zurücklehnt. Es geht um eine tiefgehende, beständige Freude, um eine freudige Unruhe über die Zukunft, die noch vor uns liegt. Es ist eine freudige Zukunft, die Leben und Gerechtigkeit für alle meint, eine Freude, die diese Welt verwandelt und zum Blühen bringt, selbst da, wo Trockenheit und Dürre herrschen, wo Wüste und Steppe sich ausbreiten.
Es ist eine bleibende Sorge Gottes, dass gerade da etwas zum Blühen kommt, wo noch Trockenheit, Steppe und Wüste herrschen. Es gilt auch für das eigene Leben und die persönliche Seelenlandschaft. Auch da soll das Unmögliche möglich werden.
Die Lesung gibt nicht den ganzen Text des Jesaja wieder. Im ausgelassenen Teil ist die Rede von einer Straße als Heiliger Weg, auf der kein Unreiner mehr gehen wird (Jes 35,8). Auf einen solchen Weg, auf dem die Menschen sich nicht mehr feindlich begegnen, will Gott uns führen. Sie ist für alle gedacht, nicht elitär für Auserkorene. Kein Unreiner betritt ihn, weil es auch keine Ausgegrenzten, Abgeschriebenen und Zurückgelassenen auf diesem Weg geben wird.
Es ist Gott, der für jede und jeden eine gute Hoffnung hat.