Feier der Dankbarkeit 1. Lesung: Dtn 6,2-6|2. Lesung: Hebr 7,23-28|Evangelium: Mk 12,28b-34
Wir haben heute als Lesung einen Abschnitt aus dem Hebräerbrief gehört. Der Brief dürfte am Ende des ersten Jahrhunderts entstanden sein. Die erste Begeisterung der Christen ist geschwunden. Die viel diskutierte Frage lautet: Wie gelingt das Christsein im Alltag und wie kann es sich bewähren? Die Schrift wird als letzter der Paulusbriefe geführt, wobei der Autor ein anderer sein muss. Der Abschnitt ist dem Mittelteil des Briefes entnommen mit dem Thema: Der Sohn als Hohepriester des Neuen Bundes, der in seinem Lebensopfer den Menschen die endgültige Versöhnung mit Gott eröffnet hat. Er ist Priester nach der Ordnung des Melchisedeks (Hebr 5,6). Die Schrift ringt um das Verständnis des Priesterseins, des Hohepriesterseins.
Nur zum Vorverständnis: Jesus entspringt keiner Priesterklasse. Er ist Laie. Er ist kein Hohepriester im üblichen Sinn. Der Autor braucht für das Priesterverständnis Jesu einen anderen Hintergrund. Ebenso ist zu erwähnen, dass die ersten Christen sich völlig vom Kultpriestertum distanzierten. Sie suchten für die Dienste in der Gemeinde neue Begriffe: Jüngerinnen und Jünger, Apostelinnen und Apostel u.a.
Vorbild für dieses andere Verständnis von Priestertum findet der Autor in Melchisedek. Abraham begegnet ihm. Melchisedek, so verrät es der Name, ist Priester des Höchsten Gottes. Wichtig und interessant ist, dass er nicht zur Sippe Abrahams zählt. Er ist kein Stammesgenosse. Er ist ein Fremder. Abraham begegnet ihm, nachdem er seinen Neffen Lot, der in Gefangenschaft geraten war, freigekämpft hatte (Gen 14,17-20).
Melchisedek, der König von Salem geht Abraham entgegen und bringt Brot und Wein heraus. Und als Priester des Höchsten Gottes segnet er Abraham. Es sind mehrere Aspekte, die es zu bedenken gilt:
Melchisedek ist König von Salem. Im Wort Salem verbirgt sich das Wort Schalom. Es meint den Frieden in einem umfassenden Sinn: den Frieden mit Gott, mit der Gemeinschaft, mit dem Nächsten, mit der Schöpfung, mit sich selbst. Ein solcher Friede ist an keinen Ort gebunden. Er ist überall möglich. Er ist mit Haltungen verbunden. Er stellt sich ein, wenn Menschen einander segnen, einander gut sind.
Melchisedek bringt kein Tieropfer dar. Es wird kein Tier geschlachtet und dabei ein Teil verbrannt. Es ist auch kein Rauchopfer. Melchisedek bringt seinen Dank gegenüber Gott zum Ausdruck, in dem er Abraham und seine Gefährten zum Mahl einlädt, zu Brot und Wein. Und ein weiterer wichtiger Aspekt, der zur Ordnung des Hohepriesterseins nach der Ordnung des Melchisedeks hinzukommt: das Segnen. Er segnet Abraham. Er ist ihm gut und bittet Gott darum, dass er ihm gut sei.
Um Melchisedek als König und Hohepriester verstehen zu können, gilt es eine weitere Person zu erwähnen, die sich im Verhalten völlig von ihm abhebt, nämlich der König von Sodom (Gen 14,21-24). Unmittelbar nach der Begegnung mit Melchisedek kommt dem Abraham der König von Sodom entgegen. Das erste, was dieser fordert: Abraham soll die Leute zurückgeben. Kein Dank und kein anerkennendes Wort für Abraham, der Lot und seine Stammesgenossen freiwillig, sein Leben riskierend befreite, sondern die Aufforderung: Gib! Gib die Leute zurück! Die Habe könne er behalten. Die Antwort des Abraham darauf ist dann: Nicht den kleinsten Faden oder Lederschnipsel will ich von dir behalten oder fordern. Mit anderen Worten: Mit dir will ich nichts mehr zu tun haben. Dagegen beschenkte Abraham Melchisedek mit dem Zehnten von allem.
Diese biblischen Hintergründe machen verständlicher, wie die junge Kirche das Hohepriestersein Jesu verstand und wie sie überhaupt das Priester sein verstanden. Melchisedek ist ein Fremder. Das Priestersein ist an keinen Stamm, an kein Volk und an keinen Stand gebunden. Jede und jeder kann priesterlich wirken, seine Mitmenschen segnen, ihnen gut sein. Jede und jeder ist beauftragt priesterlich zu wirken. Die junge Kirche wollte ein Kultpriestertum vermeiden: die Priester verstanden als Menschen, die sich von Gläubigen abheben und notwendige Mittler zwischen Gott und den Menschen sind.
Der priesterliche Dienst nach der Ordnung des Melchisedek ist die Feier von Dankbarkeit in der Form eines Mahles mit Brot und Wein. Neben dem Paschamahl, das ja auch kein Opfermahl, sondern als Mahl der Stärkung zum Aufbruch in Ägypten diente, bildet das Mahl des Melchisedek den Hintergrund unserer Eucharistiefeier.
Ich schließe mit Gedanken des Bischofs von Chur, Joseph Bonnemain, die er anlässlich einer Predigt zum weltweiten synodalen Prozess, den Papst Franziskus angestoßen hat, formulierte: „Eine synodale Kirche ist eine Kirche, die sich nicht mit sich selbst beschäftigt. Sie ist eine Gemeinschaft, in der alle bereit sind – wie Jesus – das Leben für die Entstehung einer erlösten, freien, menschlichen, gütigen, sozialen, glücklichen, friedlichen Welt und Menschheit einzusetzen und hinzugeben. Fühlen wir uns von dieser Art des Lebens angezogen? Ich hoffe es sehr. Es ist die beste Art zu leben.
Und weiter: Bei Gott gibt es nur einen Platz – den besten Platz, den einzigen Platz: sein Herz. Und dieser Platz – der erste Platz – ist der Platz für alle. Man kann nur dort sein, wenn man diesen Platz bewusst mit allen teilen will.
Eine Kirche, in der der Papst den besten Platz und den wichtigsten Platz haben möchte – sozusagen als Superboss …-, eine Kirche, in der die Bischöfe sich als wichtiger als die anderen betrachten und eigenmächtig entscheiden, eine Kirche, in der die Theologinnen und Theologen sich behaupten wollen, eine Kirche, in der die Pfarrer kommandieren, ist eine peinliche, unfruchtbare und überflüssige Kirche“.
Wir gehen einer Zeit entgegen, in der es nur noch wenig Priester im bisherigen Verständnis gibt. Vielleicht will uns Gott wieder näher an das ursprüngliche Verständnis heranführen. Das Priester sein einer jeden und eines jeden.
Wenn Sie den Text der 1. Lesung aus dem Buch Deuteronómium anhören möchten:
Wenn Sie den Text der 2. Lesung aus dem Hebräerbrief anhören möchten:
Wenn Sie den Text aus dem heiligen Evangelium nach Markus anhören möchten:
Ein Kommentar zu “Feier der Dankbarkeit 1. Lesung: Dtn 6,2-6|2. Lesung: Hebr 7,23-28|Evangelium: Mk 12,28b-34”
Ganz herzlichen Dank für diese zugleich wohltuende, herausfordernde und zukunftsweisende Auslegung des Textes des Hebräerbriefes.