Fest der anderen Sprachen 1. Lesung: Apg 2,1-11| 2. Lesung: 1 Kor 12,3b-7.12-13| Evangelium: Joh 20,19-23
Pfingsten ist das Fest der anderen Sprache. Jede und jeder hörte sie in ihrer bzw. in seiner Sprache reden, so erzählt die Apostelgeschichte. Sie waren fassungslos vor Staunen über das Verstehen, dass sie erleben. Das Feiern von Pfingsten ist für manche eine Provokation und für andere begründet das Fest eine große Hoffnung.
Dazu ein weiter Blick zurück in eine der Urerzählungen. Wir lesen am Beginn der Bibel: „Dann sagten sie – die Menschen von Babel: Auf, bauen wir uns eine Stadt und einen Turm mit einer Spitze bis in den Himmel! So wollen wir uns einen Namen machen, damit wir uns nicht über die ganze Erde zerstreuen“ (Gen 11,4). Diese Überheblichkeit – einen Turm bis zum Himmel bauen, sich damit einen großen Namen machen zu wollen und dadurch ein Volk zu werden – endet in einem Desaster. Es lautet: „Der HERR zerstreute sie von dort aus über die ganze Erde und sie hörten auf, an der Stadt zu bauen. Darum gab man der Stadt den Namen Babel, Wirrsal, denn dort hat der HERR die Sprache der ganzen Erde verwirrt und von dort aus hat er die Menschen über die ganze Erde zerstreut“ (Gen 11,8-9).
Es ist eine Katastrophe, wenn sich Menschen, Völker, Familien, Freunde nicht mehr verstehen, ihnen die gemeinsame Sprache verloren geht und wenn man sich zerstreut hat. Es bedeutet Beziehungslosigkeit, Einsamkeit.
Pfingsten ist eine Gegenerzählung, eine Gegenerfahrung zur Geschichte vom Turmbau zu Babel. Die Menschen verstehen sich, obwohl sie aus unterschiedlichen Regionen und Völkern kommen. Sie erfahren eine Situation des Gemeinsamen, des einander Verstehens, obwohl sie alle in der Muttersprache reden.
Wir können fragen: Was macht Pfingsten aus?
Die Erzählung vom Pfingstfest beginnt mit der Feststellung: Sie waren alle zusammen am selben Ort. Vorausgegangen ist der Hinweis, dass sie sich im Obergemach befanden. Hier wird die Tora gelesen und erklärt. Hier werden die Zusagen und Verheißungen diskutiert. Hier geht es um Haltungen, die dem Menschlichen und dem Miteinander dienlich sind. Nicht weniger zu bedenken ist, dass ihnen aufgetragen ist zu warten, bis der Geist auf sie herabkommt. Es braucht Geduld und Zeit, damit Dinge reifen können und Neues möglich wird.
Das Obergemach können wir als „Schulungsraum“ verstehen, in dem bei den Anwesenden neue Haltungen gewachsen sind, die zum Pfingstfest beigetragen haben. Der Geist – „Heiliger Geist“ – kommt von oben, aber es ist auch bei den Menschen etwas geschehen. Es heißt da, dass vom Himmel her ein Brausen kam, dass das ganze Haus erfüllte. Es sind zunächst die Menschen im Haus, die erfüllt werden. Sie werden erfüllt von Hoffnung, Kraft, und Verbindendem. Im Haus hat sich die Stimmung verändert. Die Stimmung hängt wesentlich mit den Menschen zusammen, das kennen wir vermutlich.
Es erschienen Zungen wie von Feuer, die sich verteilten; auf jede und jeden von ihnen ließ sich eine nieder. Und alle wurden vom Hl. Geist erfüllt und begannen, in anderen Sprachen zu reden, wie es der Geist ihnen eingab.
Das Feuer ist im I. Testament öfters Bild der Gegenwart, beziehungsweise Herrlichkeit Gottes (Vgl. Ex 24,17). Sie lässt sich auf jeden Menschen nieder. In jedem Menschen wird die Herrlichkeit Gottes sichtbar. Jeder und jedem wird die Gegenwart Gottes zugestanden. In einer solchen Atmosphäre wandelt sich das Hören und Sprechen. Jede und jeder wird gehört. Jede und jeder darf das Seine sagen. Jede und jeder erfährt Achtung und Beachtung.
Es ist Heiliger Geist. Es ist heilsamer Geist, der aufrichtet und eint, in einer Gruppe neue Kräfte freisetzt. In dieser Spur steht der synodale Weg, zu dem Papst Franziskus alle Gläubigen eingeladen hat. Alle sollen zu Wort kommen. Alle sollen gehört werden. In der Vergangenheit wurde der pfingstliche Geist, der aus jeder und jedem spricht, wenig gepflegt. Das Reden erfolgte vorwiegend von sogenannten Experten, Theologinnen und Theologen. Vielen ist das Reden über den Glauben im alltäglichen Leben fremd geworden. Ich nehme mich da nicht ganz aus. Für manche ist sogar zum Tabu geworden. Manche wollen missionieren und schaden vielleicht sogar dem Anliegen, eine gute Hoffnung zu bezeugen. Es war auch den Jüngerinnen und Jüngern nicht einfach in den Schoß gefallen. Es brauchte die Zeit im Obergemach.
Der pfingstliche, heilige Geist berührt ebenso das gesellschaftliche und politische Leben. Wir sind konfrontiert mit Verschwörungstheorien und „Fake News“ – bewusster Falsch- oder Fehlinformationen. Es werden den Menschen mit den vielfältigen sozialen Medien unwahrscheinlich viele Informationen zur Verfügung gestellt. Es entwickelt sich die künstliche Intelligenz. Auf neue Weise stellen sich die Fragen: Was ist richtig? Was ist wichtig? Oder was ist noch wahr?
Kein Mensch kann allein die Antwort darauf sein. Es braucht die Gemeinschaften, die miteinander die Wahrheit suchen und der Wahrheit dienen, die aufeinander hören und andere zu Wort kommen lassen. Wir müssen uns vor den Entwicklungen nicht fürchten, wenn wir uns den pfingstlichen Geist schenken lassen oder uns um den pfingstlichen Geist mühen. Es gilt nach wie vor das Sprichwort: Lügen haben kurze Beine.
Wir dürfen uns ebenso bewusst bleiben, dass der pfingstliche Geist niemals die Würde von Menschen durch herabwürdigende, verletzende oder verachtende Worte in Frage stellt. Er zielt auch nicht darauf ab, Menschen oder Gesellschaften zu spalten. Solchen Geist muss man nicht wählen.
Wenn Sie den Text der 1. Lesung aus der Apostelgeschichte anhören möchten:
Wenn Sie den Text der 2. Lesung aus dem ersten Brief des Apostels Paulus an die Gemeinde in Korínth anhören möchten:
Wenn Sie den Text aus dem heiligen Evangelium nach Johannes anhören möchten: