Neue Vertrauensbasis 1. Lesung: Ex 34,4b.5-6.8-9| 2. Lesung: 2 Kor 13,11-13| Evangelium: Joh 3,16-18
Als erste Lesung haben wir einen kurzen Abschnitt aus einem dramatischen Vorgang im Volk Israel gehört. Israel erlebt eine existenzgefährdende Krise. Der Glaube und der weitere Fortbestand als Volk stehen auf dem Spiel. Was ist passiert?
Moses befindet sich auf dem Berg und erhält die sogenannten Gesetzestafeln, die mit der Hand Gottes geschrieben sind. Gleichzeitig, weil dem Volk die Zeit des Moses auf dem Berg zu lang geworden ist, entsteht am Fuße des Berges das goldene Kalb. Im Volk wird die Überzeugung verbreitet: Es sei dieses goldene Kalb gewesen, dass das Volk aus Ägypten herausgeführt habe (Ex 32,4).
Was danach folgt, wirkt bei einem ersten Lesen verwirrend. Wir wissen vermutlich aus Beziehungskrisen, in denen gegenseitige Verletzungen und Enttäuschungen im Raum stehen, wie mühsam der Prozess ist, wieder eine gemeinsame Basis zu finden. Das spiegelt sich in der Erzählung. Alle sind gefordert: das Volk, die Leviten, Aaron, Moses und nicht zuletzt Gott selbst. Auf einige Elemente möchte ich eingehen, ehe ich auf die Lesung und ihre Bedeutung für das heutige Fest zurückkomme.
Es gibt einen Erzählstrang, in dem Moses mit viel Geschick als Fürsprecher für sein Volk eintritt, ihn – Gott – versucht umzustimmen. Er erinnert ihn an seine Verheißungen. Er soll doch an Abraham und Isaak denken, denen er Land verheißen hat und dass er sie zu einem großen Volk mache. Wozu hättest du das Volk aus Ägypten herausgeführt, wenn du es jetzt sterben lässt? Sollen die Ägypter sagen können, Gott hat das Volk in böser Absicht befreit, um sie im Gebirge umzubringen (EX 32,12)? Auf diese Einwände hin heißt es dann, dass sich Gott das angedrohte Unheil reuen ließ (Ex 32,14).
In einem anderen Erzählstrang gerät Moses selber derart in Wut, dass er aus Zorn über das Verhalten des Volkes die Steintafeln zerschmettert (Ex 32,19). Er sieht sich überfordert das Volk nun weiterzuführen. Da wird von Gott erzählt, dass er dem Moses Mut macht. Ihm zusichert, ein Engel werde dem Volk vorangehen (Ex 33,1). ER – Gott – von sich dann wiederum sagt: Ich werde nicht in der Mitte des Volkes sein, weil er es sonst wegen der Hartnäckigkeit vertilgen würde (Ex 33,5).
Auch in dieser Sache fleht Moses als Fürsprecher Gott an und erreicht die Zusage: Die Gnade werden wir daran erkennen, dass du mit uns ziehst (Ex 33,16). Es ist für alle nochmals – fürs Volk, für Mose und für Gott – eine Lernsituation mit Gesprächen und Vereinbarungen, um eine neue Vertrauensbasis zu finden.
Diese Vorgeschichte finde ich für das Verständnis der heutigen Lesung wichtig. Gott stellt sich in dieser Situation nochmals vor. Er beschreibt die von Mose neu mitgebrachten Steintafeln und erneuert den Bund. In einer Situation, in der man umgangssprachlich sagen würde, ich könnte sie alle „wurschten“ oder „ich will sie am liebsten nicht mehr sehen“, in einer solchen Situation stellt sich Gott neben Mose hin und ruft aus: Der Herr ist der Herr, ein barmherziger und gnädiger Gott, langmütig und reich an Huld und Treue: Er bewahrt Tausenden die Huld, nimmt Schuld, Frevel und Sünde weg. Dann folgt ein „Aber“, -dass die offizielle Leseordnung weglässt. Es sei jetzt zitiert: Aber er spricht nicht einfach frei, er sucht die Schuld der Väter bei den Kindern und Enkeln heim, bis zur dritten und vierten Generation.
Es gilt diese Gegenüberstellung zu beachten. Die Sünde, Frevel und Schuld bleiben nicht ohne Wirkung. Sie erschweren das Leben, stören oder zerstören auch manchmal das Vertrauen oder die Beziehungen, nagen an der Lebensfreude, am Lebensmut. Dem steht aber gegenüber, dass das Gute eine weit größere Wirkung hat. Tausenden kommt es zugute. Es ist sogar später von tausend Generationen die Rede. Gutes wirkt bis in die die tausendste Generation. Er ist der Gott der Huld und Treue, der dem Guten diese Wirkung verleiht.
Wir feiern heute den Sonntag der Dreifaltigkeit. Ein Grundanliegen dieses Bildes ist, dass wir Gott als Gott der Beziehungen glauben lernen. Die Lesung heute gibt uns zu verstehen, dass er alles daran setzt diese Beziehung zum Volk, die Beziehungen zu den Menschen aufrecht zu erhalten. Er hat einen Bund geschlossen. Er bindet sich mit Barmherzigkeit, mit Huld und Treue an die Menschen mit dem Ziel, sie ins gelobte Land zu führen.
Dieser Bundesschluss erfolgt nicht mit einem frommen, reinen Volk, sondern es heißt ausdrücklich mit dem hartnäckigen Volk, das sich manchmal stur, überheblich, untreu u.a. erweist.
Es darf unsere Hoffnung sein, dass Gott die Beziehung aufrecht erhält, auch wenn er es mit einem hartnäckigen Volk zu tun hat. Gott hat seinen Sohn nicht in die Welt gesandt, damit er die Welt richtet, sondern damit die Welt durch ihn gerettet wird.
Wenn Sie den Text der 1. Lesung aus dem Buch Éxodus anhören möchten:
Wenn Sie den Text der 2. Lesung aus dem zweiten Brief des Apostels Paulus an ide Gemeinde in Korínth anhören möchten:
Wenn Sie den Text aus dem heiligen Evangelium nach Johannes anhören möchten: