Gedanken und Leben erweitern 1. Lesung: 2 Kön 4,8-16a | 2. Lesung: Röm 6,3-4.8-11| Evangelium: Mt 10,37-42
Die Lesung stellt uns zwei Männer in Nebenrollen vor: der alte Mann der Frau und der Diener Gehasi. Die großen Agierenden sind die vornehme Frau und der Gottesmann Elischa. Sie hat ihn gerne zum Essen bei sich. Die Frau gewährt mehr als nur Gastfreundschaft, sie schafft ihm ein Obergemach, eingerichtet mit einem Bett, Tisch, Stuhl und Leuchter. Hier kann man wirklich leben. Sie will diesem Gottesmann eine Bleibe, einen Wohnort schaffen.
Die Frau ist bisher kinderlos geblieben. Es bedeutete damals, keine Zukunft zu haben, bzw. Gefahr der bitteren Armut im Alter. Dieser Raum wird zu einem äußeren Zeichen. Die Frau schafft nicht nur für den Gottesmann einen neuen Raum, sondern auch in ihrem Inneren wird Neues. Der Gottesmann Elischa verheißt ihr, die unter der Tür stehen bleibt, neues Leben: „Im nächsten Jahr um diese Zeit wirst du einen Sohn liebkosen“.
Die Frau, die den Fremden aufnimmt, wird zur Empfängerin des Lebens, zur Beschenkten. Sie geht über die gewohnte Gastfreundschaft hinaus, in einer Zeit, in der kein freier Platz vorhanden ist, stockt sie ihr Haus auf, um ein Obergemach zu bauen.
Mehrere Gedanken lassen sich hier finden:
Erstens: Wo Menschen sich annehmen, entsteht Leben. Wo Menschen gastfreundlich sind, entwickelt sich Lebensfreude und Lebenskraft, eine neue Qualität von Leben.
Zweitens: Die Erzählung offenbart uns einen wichtigen Aspekt Gottes: Wo scheinbar kein Platz ist, da schafft er sich einen Lebensraum. In der Stadt war angeblich kein Bauplatz für einen Fremden frei und doch entstand ein Raum für ihn. Das Bild der werdenden Mutter unterstreicht dies. Es ist kein leerer Raum vorhanden und trotzdem wächst im Schoß einer Frau neues Leben heran. Wir dürfen mit Gott rechnen, der selbst dort einen Wohnort findet, wo ihm Menschen zunächst keinen Platz geben wollen. Wir dürfen Gott zutrauen, dass er immer wieder einen Ort zum Leben schafft, auch in Umständen, wo jemand zunächst meint, da kann ich nicht sein. IHM bin ich nicht übrig, zu lästig oder unerwünscht, zu alt oder zu krank.
Ein dritter Gedanke: Die Frau schafft Raum für den Gottesmann und Propheten Elischa. Sie hat dazu gebaut. Ihr Haus erweitert. Sie hat ihre Gedanken und ihr Leben erweitert, ohne die weiteren Folgen schon zu kennen. Dem prophetischen Wort Raum geben: dazu bauen, Gedanken weiten.
Und dann kommt etwas hinzu, das der Erläuterung bedarf: Der Prophet will sich bei der Frau bedanken und fragt nach, ob sie einen Wunsch habe, den er beim König oder Obersten des Heeres deponieren kann? Ihre Antwort zeigt, dass sie sich von diesen nichts mehr erwartet. Sie hat die Verwandten, die sind ihr (im Alter) Rückhalt und Versicherung. Sie hat keine Wünsche. Vielleicht hat sie es auf Grund von Erfahrungen verlernt, solche zu äußern, weil sie schon zu oft ungehört verhallt sind, als unwichtig oder unerfüllbar abgetan wurden.
Es ist der Diener Gehasi, der einspringt und für sie zur Sprache bringt, was sie selbst nicht mehr vermag. Sie hat keinen Sohn und ihr Mann ist alt. Als Elischa sie rufen lässt, um ihr eine freudvolle Botschaft mitzuteilen, bleibt sie unter der Tür stehen. Sie spricht eine Erfahrung aus, die auch heute viele Frauen teilen. Sie sagt zu Elischa, der ihr einen Sohn verheißen hat: Ach nein, Herr, Mann Gottes, täusche doch deiner Magd nichts vor!
Sie bleibt unter der Tür stehen. Es ist eine Botschaft zwischen Tür und Angel. Es ist oft gerade das wichtig, was zwischen Tür und Angel gesagt oder gehört wird. Die Erzählung gibt uns zu verstehen, dass uns Gott zwischen Tür und Angel erreicht. Er spricht zu uns in Situationen, die beiläufig oder unbedeutsam erscheinen.
In der Antwort der Frau: „täusche doch deine Magd nicht“ zeigt sich ihre angesammelte Hoffnungslosigkeit und womöglich auch Bitternis. Die Versprechungen, das gut gemeinte Zureden, die Vertröstungen ist sie schlicht und einfach satt. Sie äußert es höflich, aber bestimmt.
In der Antwort der Frau können sich heute vielen Frauen in der Kirche wiederfinden. Was wurde da nicht schon versprochen, zu- und vorhergesagt. Wie viele Arbeitsgruppen und -kreise wurden eingesetzt, um die Rolle der Frau in der Kirche zu klären. Die Konsequenzen blieben überschaubar bis nichtig.
In Deutschland haben die Bischöfe mit verschiedenen kirchlichen Gruppen einen Diskussionsprozess „Synodaler Weg“ gestartet, um nach dem Missbrauch Schritte aus der Krise zu finden. Die Frauenfrage ist eines der Themen. Auch in Österreich gibt es Bischöfe, die über einen solchen Prozess nachdenken. Sollte es keine substantiellen Fortschritte in der Frauenfrage geben, dann wäre es vermutlich besser, die Dialoge hätten nie begonnen. Es würde das bittere Schweigen vieler Frauen nur noch mehren.
Es ist in der Lesung die Frau, die Raum für das prophetische Wort schafft. Es gibt bei uns einen tiefsitzenden Klerikalismus, der zum Schaden für die Verkündigung und der Kirche wird. Dieser Klerikalismus betrifft nicht nur Priester, sondern ebenso das Volk, nicht zuletzt auch Frauen. Es äußert sich z.B. in einem Verhalten, in dem zum Ausdruck kommt, dass es kein richtiger Gottesdienst sein kann, wenn er von einer Frau geleitet wird.
Zum Gottesdienst sind wir nicht vom Papst, Bischof oder Priester eingeladen, sondern es ist Gott, der uns zusammenruft, der uns einlädt, auf ihn zu hören, der uns heilt, stärkt und ermutigt, ihn zu feiern. Es ist Gott, der uns dient. Und wir dienen einander, wenn wir den Glauben, die Hoffnung und die Liebe teilen – unabhängig von der leitenden Person.
Dem prophetischen Wort Raum schaffen, weiter denken, dazu lädt die Lesung ein.
Wenn Sie den Text der 1. Lesung aus dem zweiten Buch der Könige anhören möchten:
Wenn Sie den Text der 2. Lesung aus dem Brief des Apostel Paulus an die Römer anhören möchten:
Wenn Sie den Text aus dem heiligen Evangelium nach Matthäus anhören möchten:
Ein Kommentar zu “Gedanken und Leben erweitern 1. Lesung: 2 Kön 4,8-16a | 2. Lesung: Röm 6,3-4.8-11| Evangelium: Mt 10,37-42”
“In der Tür stehen bleiben” und ggf noch überlegen was Frauen in unserer Kirche, auch in leitender Funktion, zu verbringen vermögen, wäre es Wert einen Anstoß (Neubeginn) zuzulassen und nicht daran Anstoß zu nehmen.
Es ist Zeit, dass sich “die Männerwelt an die Brust nehmen lässt”, um endlich auch jene Gefühle zuzulassen, die einer Einsamkeit mit geschwisterlicher Liebe entgegentritt. Aus meiner Sicht, ließe sich mit der daraus resultierenden Geborgenheit und dem gewachsenen Vertrauen diese Wohnung neu “tapezieren” und auch so gestalten, dass sich darin alle zuhause fühlen können.