Glaube zeigt sich im Handeln 1. Lesung: 2 Chr 36,14-16.19-23 | 2. Lesung: Eph 2,4-10 | Evangelium: Joh 3,14-21
Als Lesung haben wir den Schluss des sogenannten zweiten Buches der Chronik gehört. Die Namensgebung stammt von Hieronymus, der als erster die Bibel in die lateinische Sprache übersetzte. Im Hebräischen wird das Buch „Ereignisse der Tage“ genannt. Ein Anliegen dieser Schrift ist, die um ca. 400 v. Chr. entstanden sein dürfte, Israel soll aus den „Ereignissen der Tage“ bzw. Geschichte lernen. Jeder Mensch und jedes Volk macht Fehler, das ist zur Kenntnis zu nehmen, aber fatal wird es erst, wenn die Bereitschaft fehlt, daraus zu lernen. Das Buch der Chronik hält die Ereignisse fest, die in die Babylonische Gefangenschaft führten. Es hält auch fest die Warnungen der Boten Gottes, die vom König und vom Volk größtenteils übergangen wurden.
Wir haben den Schluss des Buches als Lesung gehört. Dieses Ende hat nach der Katastrophe der babylonischen Gefangenschaft einen hoffnungsvollen Ausblick, ähnlich dem Buch Deuteronium, dem letzten Buch der Thora, das mit dem Blick des Moses ins gelobte Land schließt. Hier im Buch der Chronik gibt der Perserkönig Kyros den Israeliten die Freiheit zurück und fordert sie auf, dass sie nach Juda, nach Jerusalem – ins gelobte Land – zurückkehren und neu beginnen sollen. Er fordert sie sogar auf, den Bau des Tempels ins Auge zu fassen.
Darin zeigt sich eine wichtige Grundaussage, die uns im Evangelium ebenso begegnet. Gott plant nicht das Unheil für die Menschen, sondern das Heil, die Rettung, den geglückten Neubeginn. Einmal ist es der Blick ins gelobte Land, hier die Rückkehr. Im Evangelium sagt Jesus den so bedeutsamen Satz: „Denn Gott hat seinen Sohn nicht in die Welt gesandt, damit der die Welt richtet, sondern damit die Welt durch ihn gerettet wird. Wer an ihn glaubt, wird nicht gereichtet; wer nicht glaubt, ist schon gerichtet, weil er an den Namen des einigen Sohnes Gottes nicht geglaubt hat.“
Es klingt ein wenig verwirrend. Ich möchte einen möglichen Zugang versuchen. Es geht um den Glauben an den einzigen Sohnes Gottes. Es ist mehr als nur der Glaube an die Person, es berührt noch mehr den Namen und damit ist sein Wesen, sein Programm. Der Name des einzigen Sohnes ist ja Jesus: „Gott hilft“, „Gott rettet“. Wer Gott das rettende, helfende Handeln nicht zutraut oder nicht glaubt, der ist gerichtet, der ist verloren, der wird kein Durchhaltevermögen haben. Der Glaube wird hier nicht in dem Sinne verstanden, der etwas für wahr hält, sondern als eine Haltung zum Leben. Ich darf – ja ich soll – die Wirklichkeit als rettendes Handeln Gottes verstehen – ja vielleicht verstehen lernen, selbst diese Welt, die scheinbar so Gott-fern oder Kirchen-fern erscheint. Gerichtet ist ein Mensch, wenn er nur noch schwarz sieht und resigniert; wenn er sich der Haltung hingibt, auf mich kommt es nicht an oder es ist eh nichts (mehr) zu machen.
Glaubende trauen Gottes rettendem Handeln wider alle Hoffnung. Glauben zeigt sich im Handeln, damit Heilsames geschieht. Glaube ist das Arbeiten an einer gerechten Welt, das Arbeiten am Frieden, das Schaffen an den Voraussetzungen, dass alle zu leben haben. Wer das nicht glaubt und lebt, ist gerichtet. Ein Volk, das dieses Anliegen als Not-wendend aus den Augen verliert, ist gerichtet, läuft auf eine Katastrophe zu. Weil Gottes Plan das Retten ist, bleibt die Hoffnung aufrecht.
Die Auseinandersetzung mit dem Buch der Chronik weist uns noch auf andere Themen hin: Wie so oft werden Stellen aus dem I. Testament in den Lesungen verkürzt wiedergegeben. So wurden in der Mitte Verse mit Inhalt ausgelassen, die man den Gläubigen scheinbar nicht zumuten will. Ich zitiere (VV 16-18): „Der Herr ließ nun den König der Chaldäer gegen sie (Israel) heranziehen. Dieser tötete ihre jungen Krieger in ihrem Heiligtum mit dem Schwert und verschonte keinen jungen Mann und keine junge Frau, keinen Greis und Betagten; alle gab Gott in seine Hand. Nebukadnezzar ließ die großen und kleinen Geräte des Hauses Gottes, die Tempelschätze und Schätze des Königs nach Babel bringen.“
Erläuterungen dazu: Der Herr lässt den König der Chaldäer heranziehen. Der Herr hat sein Volk nicht geschont, obwohl es das erwählte Volk ist. Es wirft ein besonderes Licht auf das Erwählt Sein Israels. Es verleiht ihm keine Privilegien im Sinne, dass es dadurch für sie einfach und leicht wird. Das Erwählt Sein Israels zeigt sich darin, dass sich in und durch die Geschichte er – Gott – sich in diesem Volk zeigt und sie gelernt haben, seine Spuren zu lesen und zu deuten. Es bedeutet oft Bürde und Last. Israel weiß auch um Zeiten, in denen sich Gott als dunkel und fern erweist, wie etwa in der 70 Jahre andauernden, babylonischen Gefangenschaft. Der biblische Mensch würde nicht so sehr über die scheinbar Gott-Fernen und Kirchen-Fernen jammern, sondern fragen: Was will uns Gott durch die Entwicklungen, in denen wir als Kirche und Volk stehen, lehren? Ja, was lernen wir? Worauf will er uns in der Gegenwart aufmerksam machen? Wie haben wir weiterzugehen?
Ein anderes Thema: Gott bedient sich eines fremden Volkes – der Chaldäer -, um Israel zur Einsicht zu führen. Die Bibel lehrt uns einen Glauben, dass Gott Herr der Welt und Lenker der Geschichte ist und alle Völker dieser Welt letztlich in seinem Dienst stehen – selbst die Todfeinde wie es die Babylonier waren. Als biblische Menschen sind wir gehalten, von anderen Menschen, von anderen Völkern zu lernen, nicht im Sinne, dass wir alles für gut halten und übernehmen müssten, aber doch Entwicklungen so deuten lernen, dass Gott durch sie zu uns spricht. Wer glaubt, kann nicht in einem vordergründigen Freund-Feind-Denken verhaftet bleiben. Jeder Mensch ist Ebenbild Gottes, ein Abbild Gottes – und Gott hat mit jedem Volk auch eine besondere Geschichte.
So wird man das Problem der Migranten nicht lösen, wenn man sie – teilweise entgegen jeder Menschlichkeit – abschiebt und es allein um Zahlen geht. Der biblische Mensch ist angehalten, nach den Ursachen zu fragen, nach den Ereignissen, die zu einer solchen Migrationsentwicklung geführt haben. Es wäre ein fataler Irrtum meinen zu können, wenn die Migranten dann weg sind, könnten wir weiter machen, weiter leben wie eh und je: mit dem Export von Waffen, mit der Ausbeutung Afrikas und anderer Regionen, mit der Hinnahme von Verelendung von Völkern, mit dem Dulden von grausamen Kriegen wie in Syrien, Jemen und Sudan, mit dem Dulden einer neuen Rüstungsspirale. Das Elend der Menschen geht Gott an die Nieren, das wissen wir seit Moses. Er ist es, der mit diesen Menschen den Weg aus der Sklaverei geht.
Noch ein Thema ist in diesem ausgelassenen Text erwähnt: Der König der Chaldäer, den der Herr heranziehen lies, tötete die jungen Krieger in ihrem Heiligtum mit dem Schwert. Bei aufmerksamen Hinsehen kommt eine besondere Gruppe ins Blickfeld: jung und Krieger im Heiligtum. Junge, religiöse Fanatiker – sie werden mit dem Schwert getötet. Es ist bei solchen Texten zu beachten, dass es sich nicht um eine historische Erzählung handelt, das Buch der Chronik wird beinahe 300 Jahre danach geschrieben, sondern es sind vor allem Lehrerzählungen. Der glaubende Mensch soll lernen: Jungen, militanten, religiösen Fanatikern ist keine Zukunft gegeben. Zudem bringen sie sich und andere in Gefahr.
Lerne aus den Ereignissen – gehe den Dingen auf den Grund, das bringt dich ins gelobte Land zurück. So lernen wir es im Buch der Chronik, den Ereignissen der Tage. Johannes sagt: Wer die Wahrheit tut, kommt zu Licht, damit offenbar wird, dass seine Taten in Gott vollbracht sind. Es ist Gottes Absicht, dass wir im Licht der Liebe leben und damit den Himmel erahnen.
Ein Kommentar zu “Glaube zeigt sich im Handeln 1. Lesung: 2 Chr 36,14-16.19-23 | 2. Lesung: Eph 2,4-10 | Evangelium: Joh 3,14-21”
Durch den gewählten Lesungstext wird in zwei Fällen der Bezug von erstem und zweitem Testament deutlich.
1. Dass, von Gott Erwählt Sein nicht bedeutet Privilegien zu erhalten, zeigt sich im zweiten Testament in seinem erwählten Sohn.
2. Gott bedient sich nicht nur im ersten Testament eines anderen Volkes um Israel zur Einsicht zu führen. Am Kreuz bezeugen ein römischer Hauptmann und die (heidnischen) Soldaten: „Er war wirklich Gottes Sohn!“ (Mt 27,54).
Bei der neuen Einheitsübersetzung wurde beim Evangeliumstext eine nicht unbedeutend andere Wortwahl gewählt. Sie verwendet nicht das Wort „richten“ sondern „um die Menschen zu verurteilen“ und auch nicht die Formulierung „wer an ihn glaubt“, sondern „wer sich an den Sohn Gottes hält“ bzw. wer sich nicht an ihn hält. In Anbetracht der Heilungen Jesu finde ich es eine schönere und weitere Formulierung. Sie ermöglicht es Menschen, die vielleicht noch nicht die Kraft haben zu Glauben, Halt im Lebenskonzept Jesu finden zu können. Dieser gefundene Halt genügt bereits, um nicht verurteilt zu werden. Ich meine, dass dieser Zugang auch im interreligiösen Dialog hilfreich sein kann …