Glück Eine Spurensuche in der Bibel von Helga Kohler-Spiegel
Glück. Spurensuche in der Bibel
Charles Schulz ist der Vater der erfolgreichen Cartoons mit Charlie Brown und Snoopy. In einem Cartoon stellt Charlie Brown seinem Freund Linus die Frage: „Denkst du oft an die Zukunft?“, und Linus antwortet: „Ja, immerzu.“ „Und was möchtest du werden, wenn du groß bist?“, fragt Charlie Brown weiter, und Linus antwortet: „Unwahrscheinlich glücklich.“
Philosophieren über Glück
„Woher weißt du, dass du glücklich bist?“, „Ist es einfach, glücklich zu sein?“, „Solltest du um jeden Preis versuchen, glücklich zu sein?“, „Macht Geld glücklich?“, „Brauchst du andere, um glücklich zu sein?“, „Warum sind wir manchmal unglücklich?“ – Solche Fragen werden bereits mit Kindern philosophierend ausgelotet, zahlreiche Überlegungen und Antwortversuche legen Spuren für das eigene Nachdenken darüber.
Aus dem Mittelhochdeutschen meint „Glück“ die Art, wie etwas endet, also dass etwas gut ausgeht. „Glück“ meint demnach den günstigen Ausgang eines Ereignisses. Unterschieden werden kann u. a. zwischen Lebensglück und Zufallsglück, also dem Glück, das wir als Menschen mitgestalten, und dem Glück, das uns zufällt, ohne eigenes Zutun. Wenn Menschen den Ausgang eines Ereignisses teilweise beeinflussen können, dann können Menschen auch „Glück“ gestalten. Und gestalten will gelernt sein.
Also: Kann man „Glück“ lernen?
Es gibt Schulen mit dem Unterrichtsfach Glück. In diesem sollen vor allem Lebenskompetenzen und Lebensfreude gelernt werden. Sich selbst gut kennen und einschätzen können, mit anderen gut zurechtkommen, kommunizieren und die eigene Meinung vertreten können, mit Stress oder Konflikten auf vielfältige Weise und kreativ umgehen können – all diese Fähigkeiten sind sogenannte „Life Skills“ bzw. „Lebenskompetenzen“. Die Weltgesundheitsorganisation WHO 1994 beschreibt Lebenskompetenzen als „diejenigen Fähigkeiten […], die einen angemessenen Umgang sowohl mit unseren Mitmenschen als auch mit Problemen und Stresssituationen im alltäglichen Leben ermöglichen.“ Selbstverständlich ist es gut, solche Fähigkeiten zu entwickeln. Und immer wieder zu stärken – egal wie alt wir sind.
Und die Bibel?
In der Bibel, vor allem in den Büchern der Lehrweisheit und der Psalmen, wird Glück im Vergleich zur Philosophie betrachtet. Die antike Philosophie der Griechen hatte „Glück“ im Sinne von Wohlstand, als Erfolg und als Glückseligkeit im Blick. In der Bibel steht das Wort „Glück“ nicht im Vordergrund. Vielmehr ist von „Leben“ die Rede, das beinhaltet auch Lebensqualität: „Leben“ bedeutet nicht nur „am Leben sein und bleiben“, sondern meint vor allem ein langes und erfülltes Leben, „Lebensfülle“ und „Lebensdauer“. Gutes und glückliches Leben werden identisch verwendet.
Die Bibel erinnert vor allem daran, dass Leben dann glücklich ist und gelingt, wenn der Mensch in Verbindung mit sich selbst, mit anderen Menschen und mit Gott ist. Das Wort „glauben“, hergeleitet aus dem Hebräischen, heißt „festhalten, Halt haben“, es meint „Vertrauen haben, sich sicher fühlen“. Sich so gebunden und verbunden zu wissen, wird als gut, als glücklich erlebt. Auch im Aaronitischen Segen ist dies beispielhaft überliefert: „JHWH segne dich und behüte dich. JHWH lasse sein Angesicht über dich leuchten und sei dir gnädig. JHWH wende sein Angesicht dir zu und schenke dir Frieden.“ (Num 6,24–26) Von Behütet- und Geschütztsein ist die Rede. Die Erfahrungen und Überlieferungen im Alten und im Neuen Testament versprechen dem Menschen nicht, dass das Leben immer leidfrei sein wird. Leider. Aber sie versprechen ein begleitetes Leben.
Dazu aber muss sich der Mensch entscheiden. Bei Mose wird erzählt, dass Mose das Volk vor die Wahl stellt. „Siehe, hiermit lege ich dir heute das Leben und das Glück, den Tod und das Unglück vor …“ (Dtn 30,15–20) Und Mose fordert auf, das Leben zu wählen. Das sind starke Worte: Über alle Jahrhunderte hinweg sind Menschen aufgefordert, das Leben zu wählen, für sich selbst, für andere. Das sagt sich leicht, und dennoch ist es eine herausfordernde Einladung – immer wieder: Wenn möglich, wähle das Leben.
In der Beziehung mit sich, mit anderen und mit Gott können Menschen „selig“ sein. Die Seligpreisungen, überliefert im Matthäusevangelium (Mt 5,3–12) und bei Lukas, sprechen vom Glück der Gottesnähe und der Verbindung mit Gott, sie sprechen andere glücklich: Glücklich, selig ist, wer nicht zur Gewalt greift. Glücklich, selig ist, wer nachsichtig ist, wer nicht urteilt und nicht verurteilt.
Wofür bin ich heute dankbar?
Seit Jahrzehnten begleitet mich dieser Gedanke: „Was ist Glück? Ein Dach über dem Kopf, ein paar gute Freunde, und keine Zahnschmerzen. Das ist schon viel.“ Vielleicht ist es die Balance: Aktiv zu gestalten, was immer zu gestalten möglich ist, und zugleich zentriert auf das Wesentliche zufrieden und dankbar sein zu können.
Auch wenn das von Jesus zugesagte „Leben in Fülle“ Verheißung und Geschenk ist, kann man das „Glücklichsein“ durch Achtsamkeit ein wenig unterstützen, zum Beispiel durch eine kleine Übung: Lassen Sie sich einladen, jeden Morgen beim Aufstehen drei Dinge (Begegnungen, Handlungen, Wahrnehmungen, Empfindungen, Alltagsabläufe, Erfahrungen …) zu überlegen, auf die Sie sich an diesem heutigen Tag freuen. Und überlegen Sie jeden Abend vor dem Schlafengehen drei Dinge, für die Sie heute dankbar sind. Dies kann helfen, Blick und Herz zu öffnen, das „Glück“ zu sehen.
Helga Kohler-Spiegel, Psychotherapeutin, Professorin an der Pädagogischen Hochschule Vorarlberg, Feldkirch
Dieser Artikel ist erstmals in der Zeitschrift „Dein Wort – Mein Weg“ – Alltägliche Begegnung mit der Bibel in der Ausgabe 3/19 publiziert worden.
Ein Kommentar zu “Glück Eine Spurensuche in der Bibel von Helga Kohler-Spiegel”
Toller Artikel. Ich habe meine Kirchenpflege gefragt was Glück sei und als Antwort bekam ich “Die Bibel erinnert vor allem daran, dass Leben dann glücklich ist und gelingt, wenn der Mensch in Verbindung mit sich selbst, mit anderen Menschen und mit Gott ist.”