Heilig ist die Familie, wenn … 1. Lesung: Sir 3,2-6.12.-14|2. Lesung: Hebr 11,8.11-12.17-19|Evangelium: Lk 2,22-40
Du sollst Dir kein Bildnis von Gott machen (Dt 5,8), lautet das zweite Gebot. Sich kein fixiertes Bild zurecht legen, damit man für Gottes gegenwärtige und sein Wirken offen bleibt, ist ein Gebot in Zeiten großer Veränderungen und Umwälzungen. Das Gebot steht auf den Steintafeln ganz oben, an zweiter Stelle: Mache dir kein Bild von Gott.
Dieses Gebot ist ebenso zu beachten, wenn wir uns dem nähern wollen, was wir die Heilige Familie nennen und wir von ihr tragfähige Impulse erkennen wollen. Ich lade ein, möglichst unvoreingenommen diese Familie und ihre Erfahrungen zu betrachten:
Die heilige Familie erlebt eine ungeplante Geburt. Bei Maria und Josef gibt es Fragen und Zweifel: Wie kann und soll das gehen? Wie geht es in der Beziehung weiter? Josef überlegt fortzugehen. Es ist ein Ringen – ein Durchringen – , bis sie beide zur jeweiligen Situation Ja sagen können. Der Umgang mit dem Ungeplanten ist ein zentraler Themenbereich und Erfahrungsschatz dieser Heiligen Familie. Sie ringen mit den Fragen, denken nach (Mt 1,20) und bewahren im Herzen (Lk 2,19). Dies alleine würde nicht genügen. Es braucht die Engelsstimmen, die ihnen Mut machen und einen heilsamen Weg weisen. All das zusammen vermeidet Spuren tiefer Verletzungen oder gar des Todes.
Die Covid-Pandemie hat uns ungeplant erwischt. Vielleicht fällt auf, dass Maria und Josef nicht in erster Linie danach fragen: Wer ist schuldig? Wer hat was versäumt? Ihre Fragen lauten: Wie kann es (weiter) gehen? Maria darf dabei mit der Kraft von Oben rechnen. Josef erfährt in seinem Nachdenken, dass Gott mit ihm vom Leben träumt. Er ist ermutigt, Maria zu sich zu nehmen. Es ist Teil der Spiritualität der heiligen Familie, dass sie in diesem Ungeplanten einander nicht im Regen stehen lassen. Es ist vor allem ein Ringen mit Gott. In diesem Ringen werden sie nicht geschwächt, sondern gestärkt und ganz neue, dem Leben dienende Stimmen erfüllen sie.
Maria und Josef erleben Jesus als einen sehr selbständigen, vielleicht manchmal auch eigenwilligen Jungen. Im Anschluss an das heutige Evangelium wird berichtet, dass die Eltern Jesus in Jerusalem drei Tage suchen, er aber ihr Sorgen und die damit verbundene Angst für unnötig erklärt. Es sind Erfahrungen, die Spuren hinterlassen. Maria bewahrte es im Herzen.
Der Sohn wächst weiter heran, nimmt zu an Weisheit und Alter, so heißt es. Sie sind auf einer Hochzeit. Es ist keine vornehme Wortwahl, wenn der Sohn zur Mutter sagt: Was willst Du von mir, Frau (Joh 2,4)? Wirkt es nicht etwas unverfroren und frech?
Tun wir es bitte nicht zu schnell ab, dass es in der Heiligen Familie anders als bei uns sei. Wenn Kinder solche Äußerungen tätigen oder ein Verhalten an den Tag legen, wie es Jesus tat, dann trifft es Eltern. Ich weiß nicht, ob Eltern heute das Verhalten Jesu so ohne weiteres akzeptieren würden? Der Bibel werden wir erst gerecht und lernen sie richtig verstehen, wenn wir die Aussagen eines Kindes, die manchmal jener von Jesus ähneln mögen, nicht nur als Stimme eines ungezogenen Kindes betrachten, sondern als mögliche Stimme eines oder einer „Heiligen“.
Es sind Prozesse der Loslösung, des Abnabelns, der Entwicklung und des Reifens.
Es geht allerdings noch weiter: Einmal kommen die Verwandten nach Kafarnaum und wollen Jesus zurückholen. Sie werfen ihm vor, er sei von Sinnen (Mk 3,20f). Seine Reaktion darauf: Wer den Willen Gottes tut, ist mir Mutter, Bruder oder Schwester (Mk 3,31-35). Er relativiert zutiefst die Familienbande und die Bedeutung der (Bluts-)Verwandtschaft. Seine neue Familie sind jene, die den Willen des Vaters tun.
Wir nennen sie eine „Heilige Familie“.
Heilig ist die Familie nicht deshalb, weil in ihr alles harmonisch, abgeklärt, frei von Verletzungen, Konflikten und Enttäuschungen wäre, im Gegenteil: Wir finden vieles wieder, was sich beinahe in jeder Familie abspielt. Heilig ist die Familie, weil Gott sie begleitet, er in allen und durch alle Erfahrungen hindurch Heilsames wirkt. Er kann Heilsames in der menschlichen Brüchigkeit einer jeden Familie wirken. Mit IHM werden Menschen fähig, einander zu tragen und zu ertragen. Das kann manchmal große Nähe oder auch große Distanz erfordern.
In dieser Heiligen Familie entdecken wir, dass bei Konflikten vieles im Herzen erwogen, im Herzen das Unverstandene und Unverständliche bewahrt wird. Sie ist ein Erfahrungsraum Gottes, denn es gilt seine Zusage: Wo zwei oder drei in meinem Namen versammelt sind, bin ich mitten unter ihnen.
Heilig ist die Familie, wenn die einzelnen Mitglieder es lernen, einander im Blick auf Gott zu sehen, einander, so wie sie sind, als Geschenk annehmen, als Gabe und Aufgabe.
Heilig ist die Familie, wenn nicht ein Schein gewahrt wird, sondern die Wirklichkeit sein darf, die Wirklichkeit in Liebe gesehen, getragen und gestaltet wird.
Wenn Sie den Text der 1. Lesung aus dem Buch Jesus Sprach anhören möchten:
Wenn Sie den Text der 2. Lesung aus dem Hebräerbrief anhören möchten:
Wenn Sie den Text aus dem heiligen Evangelium nach Lukas anhören möchten: