In der Nachfolge das Leben finden 1. Lesung: Jer 20,7-9 | 2. Lesung: Röm 12,1-2| Evangelium: Mt 16,21-27
Es sind zwei Themen, denen ich im Evangelium nachgehen will: einmal dem Petrus, der von Jesus ordentlich gescholten wird und zum anderen der Frage nach dem Leben; näher hin: das Leben finden.
Am letzten Sonntag hörten wir Jesus zu Petrus sagen: „Du bist Petrus – der Fels – und auf diesen Felsen werde ich meine Kirche bauen und die Pforten der Unterwelt werden sie nicht überwältigen“ (Mt 16,18). An diesem Sonntag schlägt Jesus einen ganz anderen Ton an, nachdem Petrus zu ihm gesagt hatte: Leiden, getötet werden – das soll Gott verhüten, nämlich: Tritt hinter mich, du Satan! Ein Ärgernis bist du mir, denn du hast nicht das im Sinn, was Gott will, sondern was die Menschen wollen.
Ist die Zurede des Petrus nicht bestens nachvollziehbar? Leiden, getötet werden: Wer wünscht solches schon jemand – besonders einer Freundin/einem Freund? Jesus ist zudem ein Hoffnungsträger, der gezeigt hat, dass er wirklich etwas verändern kann, der Menschen von Krankheiten befreit und der gegen die Ungeister der Zeit angeht. Die Vorstellung ihn zu verlieren, wäre doch ein zu großer Verlust. Die „Bewegung ohne Jesus“, insofern man von Bewegung sprechen kann, schien dem Petrus wohl unvorstellbar.
Wenn wir die Person des Petrus auf seinem Weg weiter verfolgen, dann werden wir in die Passion – in das Leiden Jesu – geführt, in der der Fels zur gebrechlichen Gestalt wird. Dreimal verleugnet er Jesus und im Anschluss folgt von ihm ein bitterliches Weinen (Mt 26,75).
Es ist das vergebende Angeschaut werden von Jesus und die Zusage am Ende: „Und siehe, Ich bin mit euch alle Tage bis zum Ende der Welt“ (Mt 28, 20), das den Petrus ins Leben und in die Hoffnung zurückholt.
Es trifft sich, dass in diesem Jahr das 150-Jahr-Jubiläum des Dogmas der Unfehlbarkeit des Papstes auf dem I. Vatikanischen Konzil begangen wird. Es kam bisher zweimal zum Tragen. Es betrifft die beiden Mariendogmen, wie: die „unbefleckte Empfängnis“ und die „leibliche Aufnahme Mariens in den Himmel“, die jeweils vom Papst, nachdem er weltweit die Zustimmung der Bischöfe eingeholt hatte, als verbindliche Glaubenswahrheiten festgelegt hat. Alle anderen Aussagen, selbst die des II. Vatikanischen Konzils, erheben nicht den Anspruch der Unfehlbarkeit.
Die Unfehlbarkeit des Papstes ist eingebettet in den Glauben der ganzen Kirche, d.h. eingeschlossen in den Glauben aller Gläubigen, der Theologen und Bischöfe. Er ist nicht als Einzelperson unfehlbar. Bei einem solchen Dogma ist ebenso dieser biblische Hintergrund mit zu bedenken. Kein gläubiger Mensch wird für sich in Anspruch nehmen wollen, es besser als Petrus machen zu können. Auch jede kirchliche oder geistliche Gruppe bzw. Bewegung, jedes Ordensmitglied, jeder Priester, Bischof oder Papst kann wie Petrus zum „zerbrechlichen Felsen“ werden. Wir dürfen mit dem vergebenden und versöhnenden Blick Jesu rechnen, der trotz allem weiter mit uns geht, bis ans Ende der Welt, bis in die Abgründe eines jeden Daseins.
Vielleicht müssen wir gerade die Aussage von Papst Johannes Paul II., dass es praktisch der Kirche nicht möglich sei, Frauen zu Priesterinnen zu weihen, als solche verstehen. Es ist die Aussage des Papstes, die Gewicht hat, aber keinen Anspruch auf Unfehlbarkeit hat. Die Gläubigen und Bischöfe wurden dazu nicht befragt.
Nun zum zweiten Thema: Das Leben finden. Jesus spricht zu den Jüngern: Wenn jemand hinter ihm hergehen will, verleugne er sich selbst, nehme sein Kreuz auf sich und folge ihm nach. Denn wer das Leben um Jesu willen verliert, wird es finden. Ein erstes, was zu beachten ist, betrifft das „Kreuz auf sich nehmen“. Mit Kreuz auf sich nehmen sind nicht einfach die alltäglichen Dinge gemeint, wie: Schwierigkeiten, Unwägbarkeiten, Herausforderungen oder körperliche Leiden auszuhalten. Jesus spricht jenes Kreuz an, das sich aus der Nachfolge ergibt, in der z.B. der Mensch und die Menschlichkeit zählt, auch wenn es sich um Außenseiter oder Gestrandete handelt oder auch bereit sein jenes Kreuz zu tragen, das sich in Eintreten für Recht, Gerechtigkeit und Freiheit ergibt.
Wir erleben es gegenwärtig in Weißrussland. Da sind Menschen im Ringen um Freiheit und Recht bereit das Kreuz der Gefangenschaft, Folter, manchmal sogar des Getötet Werdens auf sich zu nehmen. Ähnliches erleben wir in den USA, in der viele gegen den polizeilichen Rassismus auf die Straße gehen. Was das besondere Merkmal Jesu ist: in diesem Widerstand selbst gewaltlos zu bleiben.
Das Kreuz auf sich nehmen kommt vor allem jenen zu, die in ihrer Zeit vorausgehen. Jesus ist voraus gegangen und nicht hinterher „gedackelt“. Er ist vielen zur Provokation geworden – sowohl religiös, gesellschaftlich wie politisch – wenn Ignoranz, Verbohrtheit und gewohnte Regelungen Menschen an den Rand geführt haben und der Geruch des Todes oder des Elends sich ausbreitete. Das Kreuz auf sich nehmen meint nicht, ich bin solange Christ als es mir keine Probleme macht oder sich keine Nachteile ergeben.
Der Satz Jesu klingt für viele wie ein Paradox und er hat vielleicht auch manch Paradoxes an sich, d.h. man kann es nicht erklären und schon gar nicht beweisen: in seiner Nachfolge finden wir das Leben. Es ist Wagnis des Glaubens: Wer das Leben um meinetwillen verliert, wird es finden. Jesus nachzufolgen verspricht keine leichte Kost zu werden. Eher fordert es heraus. Und dennoch: Er geht uns voran, um das Leben zu finden. Ein Leben mit Spannung, mit lebendigen Beziehungen, ein Leben, das uns aus der Tiefe des Daseins entgegen kommt.
Wenn Sie den Text der 1. Lesung aus dem Buch Jeremia anhören möchten:
Wenn Sie den Text der 2. Lesung aus dem Brief des Apostel Paulus an die Römer anhören möchten:
Wenn Sie den Text aus dem heiligen Evangelium nach Matthäus anhören möchten: