Stufen der Konfliktlösung 1. Lesung: Ez 33,7-9 | 2. Lesung: Röm 13,8-10| Evangelium: Mt 18, 15-20
Jede Gemeinschaft braucht eine Konflikt- und Streitkultur. Gerade eine Gemeinschaft, wie es Paulus in der Lesung schreibt, die sich allein die Liebe schuldet. Vermutlich werden wir sie als Gläubige dieser Kirche in den kommenden Jahren, in denen größere Veränderungen auf uns zukommen werden, in besonderer Weise brauchen.
Es ist zu beachten, unter welchem Vorzeichen Matthäus diese Konfliktlösung als Stufen sieht. Voraus geht nämlich die Erzählung vom verlorenen Schaf (Mt 18,12-14). Wenn jemand 100 Schafe hat und eines verloren geht, dann sucht er das eine, bis er es findet. Jesus fügt hinzu: So will auch euer himmlischer Vater nicht, dass eines von diesen Kleinen verloren geht.
Matthäus hat als Ziel der Konflikt- und Streitkultur, den Bruder bzw. die Schwester zurück zu gewinnen: „Wenn dein Bruder sündigt, dann geh zu ihm und weise ihn unter vier Augen zurecht. Hört er auf dich, so hast du sie oder ihn zurückgewonnen“. Wenn du jemanden gewinnen willst, dann geht es nicht um Überlegenheit, um Bessersein zu wollen, auch nicht um jemanden klein zu kriegen oder gar zu erpressen.
Wenn du einen Menschen gewinnen willst, so zeigt Jesus einen Weg mit mehreren Stufen auf:
Hat mich jemand wütend oder zornig gemacht, dann heißt es zunächst einmal: Stopp! Denn in einer ersten Reaktion schießt man gerne übers Ziel und zerschlägt erst richtig Porzellan. Zuerst überlege, aus welcher Haltung sprichst du? Geht es um Rache, ums Rechthaben? Oder will ich wirklich der Sache oder dem Anliegen dienen? Letztlich ist es die Frage: Will ich das Vertrauen stärken? Wie kann ich es stärken?
Erst wenn ich solche Fragen für mich klar habe und dieses Vorzeichen stimmt, kann ich daran gehen und überlegen: Was sage ich? Wie sage ich es? Was hilft, damit das Gegenüber mich versteht?
Sollte der Versuch keine Früchte tragen, dann folgt die nächste Stufe: Nimm eine zweite Person dazu. Wenn auch das nicht hilft, dann braucht es vielleicht sogar die Gemeinde, einen größeren Kreis, der mit der betreffenden Person spricht. Es geht um eine gute Konflikt- und Streitkultur. Sie liegt darin, dass es um mehr geht als ums Rechthaben, auch mehr als um die Wahrheit.
Was dieser Konflikt- und Streitkultur – wie sie Matthäus schildert – zuwiderlaufen würde, wäre das unter den Tisch kehren von Problemen oder das intransparente Gerüchte streuen und Stimmungsmache.
Christen sind eingeladen, Verantwortung für das Gemeinwohl zu übernehmen. Es schließt ein, Vertrauen aufzubauen oder besser: einander für eine Gemeinschaft und das Zusammenleben zu ermächtigen. Das braucht Gespräche, das braucht Wohlwollen, das braucht – nochmals – eine Vertrauen weckende Konflikt- und Streitkultur.
Das Evangelium bleibt sehr realistisch. Es wird immer wieder Menschen geben, die nicht zur Einsicht kommen. Die nächste Stufe: Hört jemand weder auf dich, noch auf mehrere, noch auf die Gemeinde, dann sei diese Person für dich wie ein Heide oder Zöllner. Wenn alle Versuche der Verständigung scheitern, dann gehe auf Distanz, bzw. getrennte Wege.
Man beachte: Es geht nicht darum, wenn ein Konflikt nicht gelöst werden kann, dass dann erst recht das große Trommelfeuer losbricht oder Rache geschworen wird. Es heißt vielmehr: Akzeptiere, dass sich nicht alle Konflikte lösen lassen.
Getrennte Wege kann auch heißen: Ich muss mich nicht gänzlich aufreiben oder mich völlig kaputt machen lassen. Getrennte Wege gehen – zum Schutz des anderen und zum eigenen. Es ist biblische Streit- und Konfliktkultur.
Damit sind wir aber noch nicht am Ende der biblischen Streit- und Konfliktkultur. „Alles, was ihr auf Erden binden werdet, das wird auch im Himmel gebunden sein und alles, was ihr auf Erden lösen werdet, das wird auch im Himmel gelöst sein“. Was kommt hinzu?
Es kann die Entscheidung geben, dass ich mit einer Person getrennte Wege gehe. Es muss aber nicht auf immer und ewig sein. Wenn eine Person später kommt und Einsicht hat, dann sollst du binden und lösen. Dieses erneute Binden und Lösen können bzw. wenn jemand bittet, ihm oder ihr eine erneute Chance geben, das zeugt von Größe und Weite in einer christlichen Gemeinde.
Und schließlich als wirklich letzte Stufe bleibt das Gebet: Manche Konflikte lassen sich bei noch so gutem Willen nicht lösen. Da sind Paare oder Ehen nicht ausgenommen. „Alles, was zwei von euch auf Erden gemeinsam erbitten, werden sie von meinem himmlischen Vater erhalten“. Diese letzte Hinwendung an Gott heißt nicht, dass sich damit meine Wünsche im Zusammenhang eines Konfliktes gänzlich erfüllen werden oder müssen. Manche Konflikte lassen sich auch mit Gebet nicht lösen. Eine solche Automatik wäre irreal und hat nichts mit Glauben oder mangelndem Glauben zu tun.
Es ist vielmehr das Anvertrauen und Überlassen eines Konfliktes an Gott. Es sind die ungelösten Konflikte die Menschen, Gemeinschaften, Gemeinden kaputt machen können. Wie gehe ich mit unlösbaren Konflikten um, ohne dass andere oder ich daran zerbrechen? Vor dieser Frage stand bereits die Gemeinde des Matthäus. Er sagt: Übergebe den unlösbaren Konflikt – Streit – Gott, damit du und andere leben können.
Matthäus zeigt einen Weg fürs Lösen von Konflikten auf, an dem sich der einzelne oder die Gemeinde orientieren kann. Ihm ist wichtig: Erstens es ist eine gemeinsame Aufgabe und zweitens, die Würde des Menschen soll bewahrt bleiben.
Wenn Sie den Text der 1. Lesung aus dem Buch Ezéchiel anhören möchten:
Wenn Sie den Text der 2. Lesung aus dem Brief des Apostel Paulus an die Römer anhören möchten:
Wenn Sie den Text aus dem heiligen Evangelium nach Matthäus anhören möchten: